Der weiße Elephant
Der weiße Elephant.
Der König von Siam, Mahawasant
Beherrscht das halbe Indienland,
Zwölf Kön’ge, der große Mogul sogar,
Sind seinem Scepter tributar.
Ziehen nach Siam die Zinskarawanen;
Viel tausend Kameele, hochberuckte,
Schleppen die kostbarsten Landesprodukte.
Sieht er die schwerbepackten Kameele,
Oeffentlich freilich pflegt er zu jammern,
Es fehle an Raum in seinen Schatzkammern.
Doch diese Schatzkammern sind so weit,
So groß und voller Herrlichkeit;
Die Mährchen von Tausend und Eine Nacht.
Wo aufgestellt die Götter alle,
Bildsäulen von Gold, fein ciseliret,
Sind an der Zahl wohl dreißig Tausend,
Figuren abenteuerlich grausend,
Mischlinge von Menschen- und Thier-Geschöpfen,
Mit vielen Händen und vielen Köpfen.
Korallenbäume dreizehnhundert,
Wie Palmen groß, seltsamer Gestalt,
Geschnörkelt die Aeste, ein rother Wald.
Das Estrich ist vom reinsten Krystalle
Fasanen vom buntesten Glanzgefieder
Gehn gravitätisch dort auf und nieder.
Der Lieblingsaffe des Mahawasant
Trägt an dem Hals ein seidenes Band,
Die Halle, die man Schlafsaal heißt.
Die liegen wie Erbsen hier auf der Erd’
Hochaufgeschüttet; man findet dabei
Auf grauen mit Perlen gefüllten Säcken
Pflegt hier der König sich hinzustrecken;
Der Affe legt sich zum Monarchen
Und beide schlafen ein und schnarchen.
Des Königs, sein Glück, sein Seelenergötzen,
Die Lust und der Stolz von Mahawasant,
Das ist sein weißer Elephant.
Als Wohnung für diesen erhabenen Gast
Es wird das Dach, mit Goldblech beschlagen,
Von Lothos-knäufigen Säulen getragen.
Am Thore stehen dreihundert Trabanten
Als Ehrenwache des Elephanten,
Bedienen ihn hundert schwarze Eunucken.
Die leckersten Bissen für seinen Rüssel;
Er schlürft aus silbernen Eimern den Wein,
Man salbt ihn mit Ambra und Rosenessenzen,
Man schmückt sein Haupt mit Blumenkränzen;
Als Fußdecke dienen dem edlen Thier
Die kostbarsten Shawls aus Kaschimir.
Doch Niemand auf Erden ist zufrieden.
Das edle Thier, man weiß nicht wie,
Versinkt in tiefe Melancholie.
Der weiße Melancholikus
Man will ihn ermuntern, man will ihn erheitern,
Jedoch die klügsten Versuche scheitern.
Vergebens kommen mit Springen und Singen
Die Bajaderen; vergebens erklingen
Doch nichts erlustigt den Elephanten.
Wird Mahawasantes Herz bekümmert;
Er läßt vor seines Thrones Stufen
„Sterngucker, ich laß dir das Haupt abschlagen,“
Herrscht er ihn an, „kannst du mir nicht sagen,
Was meinem Elephanten fehle,
Warum so verdüstert seine Seele?“
Und endlich spricht er mit ernster Geberde:
„O König, ich will dir die Wahrheit verkünden,
Du kannst dann handeln nach Gutbefinden.
„Es lebt im Norden ein schönes Weib
Dein Elephant ist herrlich, unläugbar,
Doch ist er nicht mit ihr vergleichbar.
„Mit ihr verglichen, erscheint er nur
Ein weißes Mäuschen. Es mahnt die Statur
Und an der Epheser große Diana.
Zum schönsten Bau! Es tragen dieselben
Anmuthig und stolz zwei hohe Pilaster
„Das ist Gott Amors kolossale
Domkirche, der Liebe Kathedrale;
Als Lampe brennt im Tabernakel
Ein Herz, das ohne Falsch und Makel.
Um ihre weiße Haut zu schildern;
Selbst Gautier ist dessen nicht capabel, –
O diese Weiße ist implacable!
„Des Himalaya Gipfelschnee
Die Lilie, die ihre Hand erfaßt,
Vergilbt durch Eifersucht oder Contrast.
„Gräfin Bianka ist der Name
Von dieser großen weißen Dame;
Und diese liebt der Elephant.
Im Traume machte er ihre Bekanntschaft,
Und träumend in sein Herze stahl
„Sehnsucht verzehrt ihn seit jener Stund’,
Und er, der vormals so froh und gesund,
Er ist ein vierfüßiger Werther geworden,
Und träumt von einer Lotte im Norden.
Er sah sie nie und denkt an sie.
Er trampelt oft im Mondschein umher
Und seufzet: wenn ich ein Vöglein wär’!
„In Siam ist nur der Leib, die Gedanken
Doch diese Trennung von Leib und Seele
Schwächt sehr den Magen, vertrocknet die Kehle.
„Die leckersten Braten widern ihn an,
Er liebt nur Dampfnudeln und Ossian;
Die Sehnsucht schaufelt sein frühes Grab.
Der Säugethierwelt ihn wiedergeben,
O König, so schicke den hohen Kranken
„Wenn ihn alldort in der Wirklichkeit
Der Anblick der schönen Frau erfreut,
Die seiner Träume Urbild gewesen,
Dann wird er von seinem Trübsinn genesen.
Da schwinden seiner Seele Qualen;
Ihr Lächeln verscheucht die letzten Schatten,
Die hier sich eingenistet hatten;
„Und ihre Stimme, wie’n Zauberlied,
Froh hebt er wieder die Lappen der Ohren,
Er fühlt sich verjüngt, wie neugeboren.
„Es lebt sich so lieblich, es lebt sich so süß
Am Seinestrand, in der Stadt Paris!
Dein Elephant und amüsiren!
Ihm reichlich füllen die Reisekasse,
Und gieb ihm einen Creditbrief mit
„Ja, einen Creditbrief von einer Million
Dukaten etwa; – der Herr Baron
Von Rothschild sagt von ihm alsdann:
Der Elephant ist ein braver Mann!“
Warf er sich dreimal zur Erde nieder.
Der König entließ ihn mit reichen Geschenken,
Und streckte sich aus, um nachzudenken.
Er dachte hin, er dachte her;
Sein Affe sich zu ihm niedersetzt,
Und beide schlafen ein zuletzt.
Was er beschlossen, das kann ich erzählen
Erst später; die indischen Mall’posten fehlen.
Die hat den Weg über Suez genommen.