Der verlorne Maitag
Aus dem Reich der schönen Thetis,
Aus der blauen Fluthen Bette
Steigt der goldgelockte Phöbus,
Um an ihrem schönsten Feste
Stolzer heftet er die Spangen
Seines weiten Strahlenmantels
Auf der hohen Brust zusammen.
Lächelnd ziehen jezt die Nymphen
Jene stolzen Sonnenrosse,
Die den eitlen Sohn des Gottes
In ein frühes Grab geschleudert,
Aber ohne Sträuben folgen
Und die Nymphen werfen scherzend
Ueber sie die Purpurzügel.
Leis eröfnet jetzt Aurora
Ihre Kammer, wo sie einsam
Ueber ihren Wunsch getrauert,
Da mit unvorsicht’ger Liebe
Sie des Vielgeliebten Leben
Nur zu seiner Qual verlängert,
Muß er sich unsterblich grämen!
Sie entfaltet dort im Osten
Ihren saffrangelben Schleyer;
Hesper, den sie bald verdunkelt,
Noch durch graue Morgenwolken –
Aber jetzo nahet Phöbus –
Von des Gottes Antlitz strahlet
Ew’ges Licht und ew’ge Klarheit;
Reine Feuerfunken sprühen
Aus des goldnen Wagens Rädern;
Es entfliehen Nacht und Schrecken
In den dunkeln Schoos des Orkus.
Junger Horen rings umscherzet,
Steiget Phöbus in die Lüfte.
Aber plötzlich hüllt Aurorens
Schönen Schleyer grau Gewölke,
Wälzt sich immer dicht und dichter
Unter Phöbus stolze Rosse,
Die voll Trotz die Flammenhufe
In die feuchten Wolken schlagen.
Die das Roß vom Sporn getrieben
Leicht durchfliegt, [der Hufe Spuren
Füllt der gelbe Sand von selber;]
Höher als der schnelle Reiter,
Daß der ferne Wandrer wähnet,
In den langerhobnen Wirbel
Sey ein großer Troß gehüllet,
So umwallt die Sonnenrosse
Von den Flammenmähnen schütteln
Sie mit Iris bunten Farben
Tausend zarte Regentropfen,
Daß der Horen seidne Flechten,
Sonst ein Spiel der Morgenwinde
Jezt von kaltem Thaue träufelnd
Um die weißen Nacken sinken,
Daß die flatternden Gewänder
An die schlanken Hüften schmiegen,
„Phöbus! ruft der Kreis der Mädchen,
Wende dein Gespann, es netzet
Dieser dicke Duft der Erde
Doch mit sanftem Ernst versetzet
Jezt der schöne Gott des Tages:
Folget immer, holde Stunden,
Sanft euch fassend, meinem Wagen;
Daß ich heute ungesehen
Ueber diesem Thale schwebe,
Die verkehrten Menschen strafend –
Die auf schimmernden Altären
Ihre schönsten Freuden opfern.
Statt an meinem heitern Strahle
Ihr erkaltet Herz zu wärmen,
An Aurorens schönem Schleyer
Fesseln sie mit goldnen Ketten
An des feilen Plutus Wagen
Heute ihre Sclavennacken.
Statt im schön gewölbten Tempel
Heut auf grünenden Altären
Freudenopfer darzubringen,
Auf des muntern Waldorchesters
Feyerhymnen froh zu horchen,
Geldgier in den stieren Blicken
Aengstlich sie gemahlte Blätter,
Und entzweyen sich um Pappe!
Unglückseliges Geschlecht!
An Ilissus Veilgen Ufern,
Würdet ihr nach Karten greifen! –
Doch wer wandelt wohl dort unten,
Stürmen trotzend und dem Regen?
Er bedächtlich jezt Violen,
Wie die Mädchen sie den Wiesen
Nur an schönen Morgen rauben;
Zart die schweren Regentropfen
Trillert ruhig er ein Liedchen –
Ha! – Jezt kenn’ ich ihn, ein Liebling
Ist er jener holden Neune,
Der sich meinem Heiligthume
Den ich nicht zurück gewiesen. –
Für die Freundin, die er ehret,
Die indeß das Thal durchwandelt,
Sinnender dies Fest begehend,
Ihm, der die Natur verehret,
Und die Gaben holder Musen;
Ihm, der schon auf meinem Altar
Süße Erstlinge geopfert,
Als ein Blumenweg erscheinen,
Wo er lächelnd Freuden pflücket;
Und am Ziele soll der Lorbeer,
Aus der Musen heilgen Händen