Der sterbende Mensch (Kraus)
[85] Der sterbende Mensch
Nun ists genug. Es hat mich nicht gefreut, 5 In einer Stunde endet sich dein Leben,Und du hast nichts gesühnt und nichts bereut. Bereuen kann man nur, was man getan. 10 Ich war dein Zeitvertreib. So wurden Wochen Ich sah stets hinter mich, und du warst da. 15 Warst du nicht da, so schloß ich gern die Augen.
Ich schien dir nicht in deine Welt zu taugen. 20 Und alles Nahe fern. Bleib mir vom Geist!Stell dich nicht vor, ich stell’ dich besser vor. Wenn sie dich plagt, was leihst du ihr dein Ohr? 25 Was weiß ich, was ich weiß! Ich weiß es nicht. Du fällst nicht, Freund, wenn ich dich höher hebe. 30 Verlaß dich auf mein ehrliches Gesicht.
Ich kenne dich. Du hast durch manche Nacht 35 Ich aber, glaub mir, hab’ es dir gehalten,Mit meinem Atem dir die Glut entfacht. Zu viel, ich hab’ die Seele mir verbrannt. 40 Da bin ich schon. Im Ernst, ich bin der Witz. Wer wäre, was er ist, wo Trug und Wesen 45 Die Welt vertauscht in jämmerlicher Wahl!
Ich bin ein Hund und kann nicht Zeitung lesen. Ich bin der Herr und wähle liberal. 50 Ich, weil ich Weib bin, von der Welt verachtet. Weil ich kein Mann bin, von der Welt geehrt. 55 Nach ihrer Ehre hab’ ich nicht geschmachtet.Und ihre Liebe hat mich nicht verzehrt. Im Dunkel gehend, wußtest du ums Licht. 60 Sahst hinter dich und suchtest meinen Garten.Du bliebst am Ursprung. Ursprung ist das Ziel. |