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Der starke Hans (Arndt)

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Textdaten
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Autor: Ernst Moritz Arndt
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Titel: Der starke Hans
Untertitel:
aus: Mährchen und Jugenderinnerungen. Zweiter Theil. S. 229–280
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: G. Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[229]

Der starke Hans.


In den alten längst verschienenen Zeiten, da die Welt und die Menschen alle noch ganz anders waren als jetzt, lebte in dem Lande zu Sachsen nicht weit von Eisleben, wo Doktor Martin Luther geboren ist, ein Bergmann, der hatte einen Sohn, der hieß Hans. Dieser Hans war ein schlanker reisiger Junge, lustig und frisch, tüchtig bei der Arbeit und wild bei den Spielen, sonst aber so gutmüthig, daß er keinem Menschen was zu Leide that. Er war sehr stark von Wuchs und Gliedern und jetzt siebenzehn Jahr alt. Bergmann wollte er aber nicht werden, sondern ging bei einem Schuhmacher in die Lehre, der in Eisleben wohnte. Er hat aber schon in seinem achtzehnten Jahre von Eisleben fort in alle Welt hinein wandern müssen; und das hat sich also begeben:

Einen schönen Sommertag spielten die jungen Burschen auf dem Anger vor der Stadt Drittenjagen. In diesem Spiele traf Hans bei’m Rundlaufen mit dem Sohn des Bürgermeisters Stirn gegen Stirn, und Hans hatte solche Macht im Kopf, daß der Jüngling, gegen welchen er lief, morschtodt hinstürzte. Zuerst glaubten sie, es sey nur eine Ohnmacht, aber der Jüngling war und blieb [230] todt und ihm war durch den Stoß der Hirnschädel zersprengt. Dies gab in der Stadt großen Lärm und Geschrei, wobei Hansen nicht wohl zu Muthe war. In der Angst lief er hinaus zu seinem Vater und erzählte ihm die Geschichte. Der alte Bergmann ward betrübt und sagte: Du kannst wohl eigentlich nicht dafür, und es ist Gottes Wille so gewesen, daß ein so gefährlicher Stoß geschehen sollte; aber der Bürgermeister ist reich und mächtig und wir sind arm. Darum ist das Beste, du gehst ein paar Jahre aus dem Wege und lässest den Zorn verrauchen. Darauf ging der alte Mann in seine Kammer und suchte ein paar alte Thaler zusammen, drückte sie seinem Hans in die Hand und sagte ihm bei’m Abschiede: Bete und arbeite! fürchte Gott und lüge nimmer! So geht’s wohl durch die Welt. Und darauf ist Hans bei Nacht und Nebel sogleich davon gegangen in die weite Welt hinein.

Und als er zwei Tage wohl an die zwölf bis fünfzehn Meilen gegangen war, kam er in den großen Thüringer Wald, und dachte: Nun bist du weit genug, und hier wird kein Bürgermeister von Eisleben dich suchen. Und er ging zu einem Bauren und vermiethete sich bei ihm als Knecht. Bei diesem Bauren diente Hans zwei Jahr und sie waren sehr zufrieden mit einander; denn Hans war der stärkste und fleißigste Knecht im ganzen Dorfe und konnte für fünf andre arbeiten. Der Bauer, welcher Schulze im Dorfe war, mußte zwei Dorfstiere halten, wofür er eine große Wiese hatte, die sie die Bullenwiese nannten. Diese beiden Dorfstammhalter geriethen [231] einmal an einander und arbeiteten so mächtig mit den Hörnern, daß kein Mensch sich unterstand ihnen nah zu kommen, geschweige sie aus einander zu bringen, und daß der Schulze sich auf einen hohen Zaun geflüchtet hatte, von wo er dem Kampfe zusah, sich die Haare ausraufte und die Hände über dem Kopf zusammenschlagend rief: o meine schönen Thiere! einer wird wohl auf dem Platz bleiben müssen. Dies hörte Hans, der eben aus dem Felde kam, und bedachte sich nicht lange. Muthig sprang er zwischen die Stiere, packte den größten und mächtigsten bei dem Horn, riß ihn herum, und gab ihm mit der geballten Faust einen Schlag vor den Kopf, daß er alle Viere von sich streckte und nimmer wieder aufstand. Der Bauer und alle, die den Stier hinstürzen sahen, erschracken, und der Bauer dachte bei sich: was hast du für einen Knecht? und kreuzte und segnete sich, und erinnerte sich dabei vieler Zeichen unglaublicher Geschwindigkeit und Stärke, die sein Knecht Hans von sich gegeben hatte. Er schwieg aber für diesmal, denn die Worte starben ihm im Munde und er getraute sich nicht dem Hans über diesen Schlag etwas zu sagen. Erst nach acht Tagen rückte er leise damit heraus, daß er seine Wirthschaft kleiner machen und deswegen einen Knecht abschaffen müsse. Und Hans hat gemerkt, daß die Rede ihm galt, und gesagt: Glück dazu! Herr Schulze, ich ziehe weg — und hat sein Bündelchen geschnürt und ist flugs seine Straße gezogen. Er wußte aber nicht, daß die Faust vor der Ochsenstirn ihn um seinen Dienst gebracht hatte. Der Schulze ließ sich, als Hans weg war, gegen seine Frau merken, das müsse gewiß [232] der Teufel selbst oder sein Gesell seyn, und war froh, daß er sein so guten Kaufs ledig geworden; doch lebte er lange in Aengsten, Hans möge wiederkommen und ihm einen Schabernack thun.

Hans war frohes Muthes und sprach bei sich: Die Welt ist groß und Gott ist allenthalben, und du willst einmal einen weiten Weg machen und dich etwas versuchen. Und er wanderte das Gebirg hinan, welches zwischen den Thüringern und Franken die Scheide macht; und als er oben auf die hohe Spitze gelangte, welche die Koppe heißt, sah er im grünen Grase — es war aber Sommertag — zehn Gesellen von etwas wildem und gräulichen Ansehen liegen. Sie hatten eine tüchtige Schweinkeule und Brod und Brantwein zwischen sich und aßen und tranken und riefen Hansen zu: Gesell, willst du es so gut haben als wir, so setze dich zu uns. Und er setzte sich zu ihnen und erfrischte sich. Und die Zehn staunten ihn an und sahen, daß es ein starker reisiger Gesell war; und als er ein wenig gegessen und getrunken hatte, nahm der von ihnen das Wort, welcher den besten Rock an hatte, und sprach: Wahrhaftig, Landsmann, du gefällst mir, und hättest du den Baurenkittel weggeworfen und dir einen Schnauzbart und ein Schwerdt zugelegt wie wir, du solltest wohl einem Kerl ähnlich sehen. Und nun befragte er Hans nach seiner Heimath und seinem Handwerk, und Hans erzählte ihm treuherzig seine ganze Lebensgeschichte, und wie es ihm in Eisleben mit dem Bürgermeisterburschen und bei dem Bauren mit dem Stier gegangen sey. Und als die Männer das hörten, verwunderten und fürchteten [233] sie sich fast, und schaueten auf Hansens Fäuste und Lenden, wie sie gewaltig waren. Und jener, den Hans lüstern gemacht hatte, sprach wieder: Höre, Hans, dein Ochsenschlag hat dir Glück bedeutet; du bist zu gut, um als ein Bauerknecht hinterm Pfluge zu gehn, du sollst bei uns bleiben und frei und flott leben wie ein Kaiser und König. Denn wir sind die freien Waldritter und unser ist die Welt. Wir sind die Vögel unter dem Himmel, wir pflügen nicht, wir säen nicht, wir ärndten nicht, wir sammeln nicht in die Scheunen; wir sind die Lilien auf dem Felde — siehe, wie wir wachsen! und doch schwitzen und arbeiten wir nicht. Wer was hat, der hat es für uns, und wer was sammlet, der sammlet es für uns. Darum bleib bei uns und sey ein Freiherr! Keinem Armen und Bedrängten sollst du was zu Leide thun, aber dem reichen Filz die vollen Kisten zu leeren und einem Lauseknicker von Juden mal die Kehle abzuschneiden, das ist keine deutsche Sünde. Drum Topp! die Hand her! schlag ein.

Hans aber antwortete, indem er die Hand zurück zog: der Teufel mag mit euch toppen! Ja prächtige Freiherrn seid ihr! und schöne Lilien! und wie hoch werdet ihr wachsen! höher als Hamann! und wißt ihr auch, wo eure Stängel einst hingeworfen und brennen werden? saubere Galgenvögel seid ihr, und werdet einst baumeln, wo der schwarze Vogel, der Korr! Korr! ruft, den Augen ins Gewissen kuckt und ihnen mit seinem Korr! den Leichenzug zur höllischen Ruhe krächst. Ich bin frei genug und für eure Freiheit dank' ich — und so Prost die Malzeit! [234] Und Hans sprang auf, griff nach seinem Stock, und wollte fürbaß gehen. Jener aber, welcher mit ihm geredet hatte und der andern Hauptmann war, sprang ihm in den Weg, und rief: Steh, Junge! oder du bist des Todes! und auch die andern alle fuhren wie der Blitz auf und standen mit gezückten Schwerdtern um ihn. Aber Hans stand ruhig und lächelte und sprach: Macht Platz! oder mein Knüppel soll ihn machen! Da sie aber mit den gezückten Eisen in ihn eindrangen, ergrimmte er in seiner Seele und schlug um sich, und führte seinen gewichtigen Dornstock mit solcher Geschwindigkeit und Gewalt im Kreise herum, daß ihnen grün und gelb vor den Augen ward und sie in die leere und unverwundliche Luft hieben. Und er hatte drei getroffen, die lagen und zappelten im Grase herum, die andern aber liefen in den Wald. Er aber schrie ihnen nach: Lauft, Galgenvögel, lauft! und ging des Weges von dem Gebirg hinab, bis er in eine kleine Stadt kam, die Schmalkalden heißt, wo er Herberge nahm.

Und den vierten Tag nach diesem Abentheuer, als Hans auf der Straße wanderte, die gen Schweinfurt geht, und an einen Hohlweg im Walde gelangte, hörte er es sehr jämmerlich ächzen und stönen; und er stand still und horchte: Helft! helft! der schändliche Bube hat mich hingeworfen und ist mit meinem Mantelsack davon gelaufen. — Und Hans lief bei diesem Geschrei den Hohlweg geschwind hinab, und fand auf der Straße einen Herrn liegen, der sehr prächtige Kleider anhatte, so daß Hans, als er ihn erblickte, den Hut vor ihm abnahm und sich bis zur Erde verneigte. Es war aber ein großer schlanker feiner Herr [235] und er hatte einen prächtigen neuen Scharlakenrock an mit goldnen Tressen und einen Tressenhut mit Federn wie ein großer General und Stiefeln mit Sporen, und sah sehr freundlich und lieblich im Gesichte aus. Und Hans verwunderte sich, daß ein so vornehmer großer Herr so im Staube auf dem Wege da lag, und trat an ihn heran und fragte: Was ist los, Gnädiger Herr? was ist euch widerfahren, daß ihr hier in der Hitze und im Staube so auf dem Wege liegen und so jämmerlich um Hülfe schreien müßt? Und der scharlakene Mann antwortete: Ach! ach! der schändliche Bube! Ich hatte einen Bedienten, der trug mich, und der Schelm hat mich diesen Morgen hingeworfen und meinen Mantelsack und mein Reisegeld mitgenommen und ist davon gelaufen. Denn du siehst wohl an meinen Füßen und an meinen weiten und großen Stiefeln, daß ich nicht wohl gehen kann: mich plagt schon manche Jahre das Podagra und ich kann auch das Fahren und Schütteln im Wagen nicht vertragen und muß mich daher tragen lassen. Ich wollte nun in die Bäder von Töplitz und Karlsbad in Böhmen, und da hat mich der Gauch so böslich auf dem Wege liegen lassen. Und Hans betrachtete sich den rothen Herrn genauer, und sagte: Nun das muß ich sagen, wenn ich eure Stiefeln ansehe, die schnurrigsten Füße müßt ihr haben, womit je ein Mann auf dieser Erde fortgespannert hat, und das muß wohl ein recht schlimmes Podagra seyn; denn wie kurz ist der eine Stiefel, als stampfte ein Pferde- oder Ochsen-Fuß darin, und wie weit und breit ist der andre! Und die beiden schwatzten eine Weile mit einander, [236] und dann sagte der Scharlakene zu Hans: Höre, Sohn, du siehst mir grade aus wie ein Fuhrwerk, das ich brauchen kann; ein schlanker magrer Mann wie ich ist dir nur eine Feder. Und ich sehe dir an, du hast Lust dich ein bischen in der Welt umzusehen und etwas zu versuchen, und die Lust kannst du bei mir büßen, ohne daß es dir einen Pfennig kostet; denn ich bin unaufhörlich auf Reisen und es geht mit mir von einem Bade ins andre und von einer Stadt zur andern. Gute Tage aber sollst du bei mir haben und wie ein Prinz leben, Wein und Braten und Spiel und Tanz und was dein Herz gelüstet die Hülle und Fülle; denn auf einige hundert Thaler mehr oder weniger kommt mir's nicht an und Silber und Gold ist mein Geringstes. — Was sagst du dazu? die Hand her! und Topp!

Und Hans bedachte sich nicht lange und sagte Topp! solch ein Leben muß ich auch mal probieren. Und er lud den scharlakenen Herrn auf und trabte frisch mit ihm fort. Und Hans merkte, daß er ihm nichts vorgelogen hatte; denn es kam ihm wirklich vor, als wenn er nur eine Feder trage. Und als er eine halbe Stunde mit ihm gelaufen war, sagte er: Gnädiger Herr, ihr seid wirklich fast zu leicht für einen Menschen, und wenn ich einem andern sagte, daß ihr kaum ein halb Pfund wiegt, so würde er glauben, ich lüge. Der Rothe aber lächelte und sprach: Das kommt dir nur so vor, Hans, weil du so stark bist; und eben weil ich dir die gewaltige Stärke ansah, habe ich dich zu meinem Träger und Diener begehrt. [237] Und Hans ließ sich das einbilden und schaukelte sein leichtes Bündelchen im frischen Trabe fort.

Und sie kamen den Abend noch nach Schweinfurt und nahmen dort Nachtherberge. Und der rothe Herr ließ auftragen, daß ein Kaiser mit ihm hätte zu Tisch gehen können; er aß und trank aber fast gar nicht. Hans dagegen tafelte, wie er in seinem Leben nicht gethan hatte. Nach dem Essen mußte er seinen Herrn auskleiden, und verwunderte sich, daß der Herr mit den Stiefeln zu Bett ging, und sprach: Ist das in eurem Lande so der Brauch? Bei mir zu Lande zieht man Schuh und Stiefeln aus, ehe man sich zu Bett legt. Der Herr aber bedeutete ihn und sagte: Das verstehst du nicht, lieber Hans; das ist auch bei mir zu Lande nicht Brauch. Ich bin auch manche Tage baarfuß zu Bett gegangen; aber mit diesen Stiefeln hat es eine eigne Bewandniß, die hab’ ich in Paris von einem Wunderdoktor gekauft, und sie sind mir theurer als alles Silber, was aus Perus Bergen gegraben wird. Der Doktor hat sie mit den kostbarsten Salben eingeschmiert und sie mir dann selbst angezogen, und gesprochen: Die Stiefeln trage, solange noch ein Stück daran ist, und laß keine Hand daran kommen sie auszuziehen; ich habe dir etwas Seltenes und Gewaltiges drein gethan: die Heilung ist langsam aber sicher. Und Hans riß Augen und Ohren auf und verwunderte sich sehr; aber er glaubte dem Scharlakenen, und ging auch zu Bett. Der Scharlakene war aber der Teufel.

Und nun können die Leute fragen, warum der Teufel als ein mächtiger Herr und großer Potentat so langsam [238] reiste und sich auf den Schultern tragen ließ, da er doch hätte reiten und fahren und, wenn er gewollt, auch fliegen können. Denn wie er nur einen Pfiff oder Wink thut, so muß ein Wolf oder Tiger auf der Erde oder ein Drache oder Rabe in der Luft sein Reitpferd seyn; ja er kann wohl einen alten Mantel dazu nehmen, wenn er seinen Wind hineinbläst, wie sein Diener der große Doktor Faust von Strasburg weiland geritten ist. Hier muß ich berichten, daß dies bloß verwunderlich aussieht. Der Teufel sucht sich gern die starken Leute aus, daß er Künste mit ihnen thue und die Welt erstaune und entsetze. Denn mit dem Erstaunen und Entsetzen fängt er an und mit der Bethörung und Verblendung endigt er, bis er die armen Seelen so verstrickt hat, daß sie nicht mehr aus seinem Garn springen können. Der Teufel durfte aber Hans noch zu weiter nichts gebrauchen, als wozu er ihn gemiethet hatte, nämlich zum Tragen und Dienen; er dachte aber: ich will ihn schon belauren, er soll schon mein eigen werden, und welch ein prächtiger Lockvogel soll dieser dumme Hans mir auf meinem Vogelherde seyn! Denn der Teufel lauscht auf die Sünden, wobei er die Menschen packen kann.

Und die beiden wanderten frisch, und kamen bald nach Töplitz. Hans aber merkte nicht, wie geschwind er laufen konnte; und da mogte der Rothe wohl sein Theil dran haben: denn oft trabte er in vier fünf Stunden seine vier fünf Meilen so mit ihm fort, und war frisch wie ein Pferd, das kein Haar gelegt hat. Der Teufel aber sagte ihm: Siehst du, Hans? merkst du, daß du jeden Tag schöner und stärker wirst? Das kommt von dem waidlichen [239] Leben und von dem herrlichen Essen und Trinken. Und Hans glaubte ihm das.

Sie blieben wohl zwei Monate in Töplitz Karlsbad und Prag und in andern Städten Böhmens. Darauf wanderten sie nach Wien, von Wien nach Konstantinopel, wo der Großtürk und Unchrist sein Schloß hat; und von Konstantinopel wollten sie nach Asien und ins gelobte Land. Und der Teufel sagte: Ich muß nach Afrika, da ist eine große Wüste, und mitten in der Wüste ist ein sehr schönes prächtiges Land, ein Land an Schönheit und Lieblichkeit, wie das Paradies und der Garten Eden war, worin Adam und Eva so glückselig und unschuldig gewohnt haben, ehe der Satan Lucifer, Gott sei bei uns! sie mit dem goldnen Apfel verführte. Da muß ich durchaus hin und sehen, ob ich dem gewaltigen Mohrenkönig nicht etwas von seinen Schätzen abgewinnen kann. Du glaubst nicht, Hans, was dieser Mohrenkönig für ein gewaltiger Herr und wie unermeßlich reich er ist; er hat so viele Demanten und Edelsteine, als alle Kaiser und Könige zusammen nicht aufweisen können, und selbst wenn man den Großmogul und den fabelhaften Affenkönig der Demanteninsel Borneo noch dazu rechnet, und solche Haufen Gold und Silber, daß man es da wirklich, wie hier zu Lande Korn und Salz, mit Scheffeln ausmißt.

Und Herr Beelzebub hatte sein großes Wohlgefallen an dem Hans, und hätte ihn gar zu gern fest gemacht. Er paßte ihm also nun sehr genau auf und lauerte auf eine recht tüchtige Sünde, damit er ihn fassen und zu seinem ächten Knecht machen und seinen Dienst für Werke [240] der Finsterniß gebrauchen könnte. Darum machte er ihm zuerst allerlei Blendwerke und Gaukeleien vor und versuchte ihn mit Gleißnereien und Lügen und gaukelte und schwatzte ihm allerlei vor, das ihm Furcht machen sollte. Auf diesem Wege und durch diese leisen und giftigen Künste hoffte er durch eine Lüge an ihn zu kommen und ihm dann das Netz der Bosheit vollends über den Kopf zu werfen. Denn Furcht und Feigheit und deren natürlicher dritter Gesell der Geitz macht Lügner. Der Teufel als der allerspäheste und listigste Geist wußte aus ältester Erfahrung, daß der Mensch durch diese drei leicht ein Schelm werden kann und daß die Lüge die allerschlimmste Sünde den Menschen aus Gottes Gebiet und Reich aussperrt. Aber Hans, dessen Herz keine Furcht kannte, wußte auch nicht, warum er lügen sollte.

Als der Rothe ihn so nicht fest kriegen konnte, versuchte er ihn durch Gier und Geitz, und meinte: ein Dieb wird der dumme Bauertölpel doch wohl werden können, und dann will ich ihn in Angst jagen, und er soll mir schon zum Lügner werden. Und nun fleiete er, wann er zu Bett ging, gewöhnlich alle seine Herrlichkeiten aus und ließ auch wohl die allerköstlichsten Steine auf die Erde fallen und dort liegen, als habe er sie verloren oder gar vergessen; und zugleich wischte und putzte er so viel daran, daß sie einem in die Seele hineinfunkeln konnten; und er hoffte, der Bursche werde mit bösem Gelüste sich doch einmal daran verfangen und vergaffen und einen einstecken. Und das ist wahr, Haus konnte es nicht lassen, er sah sie mit großem Wohlgefallen und oft mit Lüsternheit an, [241] und zuweilen zitterte ihm das Herz im Leibe vor Begier, und der Böse in ihm flüsterte: was schadet’s denn, wenn du einen mitnimmst? der Rothe hat ja doch so viele und kann sie nicht zählen — und seine zitternden Finger fuhren unwillkürlich nach den Steinen, und wollten schon zulangen; dann rief aber immer eine bessere Stimme die donnernden Worte <SperrSchrift>Du sollst nicht stehlen</SperrSchrift>, und mit Beben floh er von dem trügerischen Glanze, und sammelte dann die an der Erde liegenden ruhig auf und legte sie auf dem Tische beisammen.

Als der Teufel sah, daß dies alles nicht verfangen wollte und daß Hans durch Feigheit und Geitz nicht zum Lügner zu machen war, sprach er bei sich: Ich dummer Tropf! ist der Gesell nicht jung und frisch und hat er nichts von dem Blute in sich, wodurch Simson um seine Locken kam und der weise König Salomon ein Narr ward? Umgelenkt! wollen es mal bei einem andern Ende angreifen und sehen, ob der Junge gegen sinnliche Lust und funkelnde Weiberaugen so stalfest ist als gegen Gold und Edelsteine. Und der Rothe fing es sehr listig an, und gleich einem klugen Ackersmann, der ein hartes Brachfeld die Kreuz und Queere durchbricht und drei vier Furchen pflügt, ehe er den Samen hineinstreut, begann er den harten Felsenboden in Hansens Herzensgrunde mit den allerlosesten und leidigsten Worten aufzulockern, und sprach bei sich: Warte Vogel! ich will dich schon kirr machen und du sollst mir in die Schlingen fliegen und fest werden, daß du nicht weißt, wie dir geschehen ist. Und tagtäglich ja stündlich, wenn sie auf der Straße waren oder [242] bei Tische saßen, malte er dem ehrlichen Hans in den buntesten und üppigsten Geschichten und Bildern die Freuden der Wollust, und sah mit Vergnügen, daß Hans oft mit lüsternem Ohr zuhörte und ihm die Augen oft funkelig und blitzig wurden. Dies und das lustige und üppige Leben, das wir führen, sprach er, wird ihn schon liefern. Und als er glaubte ihn so vorbereitet zu haben, daß er auf der schlüpfrigen Bahn werde ausglitschen müssen, ging er mit ihm auf alle Tänze und Mummereien, besuchte die Theater und Bälle, stellte prächtige Feste an, wo Schauspielerinnen Tänzerinnen und Sängerinnen ihre Künste machten und Hans Öl zum Feuer tragen, das heißt Wein einschenken, mußte. Und in dem armen Hans wollte das 1üsterne Feuer oft genug in lichten Flammen aufschlagen und ihn zu dem feurigen Fall bringen, aber immer, wann es am gefährlichsten in seiner Seele aussah, tönte ihm zu rechter Zeit ein Klang ins Ohr aus der Schule zu Eisleben und was sein Vater und sein Meister ihm so oft wieder gesagt hatten, daß schöne Dirnen und nächtlicher Tanz und bunte Mummerei der abschüssigste und glatteste Weg zur Lüge und Hölle seyen. Und bei diesem Andenken an die treuen Männer, die ihn so lieb hatten, und bei dem Wiederklange einer unschuldigen Vergangenheit in seiner Seele besann er sich plötzlich wieder und ward zu kaltem Eis mitten in dem Feuer der Lust, womit der Rothe seine Augen und Sinne umgaukelte und verglasterte.

So hatte der Böse es beinah ein Jahr mit ihm ertragen. Denn wiewohl Hans ihn tragen mußte, so hatte jener doch viel mehr an ihm zu tragen. Man sagt wohl. [243] gewöhnlich so hin der Teufel ist geduldig — und wirklich hat er die zäheste und höllischeste Geduld bei’m Seelenfange und kann sich schlagen und anspeien und beschimpfen und schänden lassen, und thut immer gleich freundlich, wie ein armer Jude bei’m Geldfange — aber von Natur ist er ein sehr ungeduldiger und feuriger Geist, und der alles gern auf das geschwindeste und durch seine eigne Kunst und List vollenden mögte; und deswegen ist er ja eben von Gott abgefallen, dessen Regierung ihm viel zu einfältig still und friedlich däuchte, und ist durch seine Ungeduld und Hoffart der tückische Vogelsteller und Seelenfänger geworden, der er nun ist und den Unfrieden und die Unruh in die Welt bringt. Er hat es beinahe ein Jahr mit dem Hans ausgehalten, ist aber zuweilen so in sich ergrimmt gewesen, weil alle seine Listen und Künste an ihm zu Schanden wurden, daß er mehrmals geflucht und geschworen hat, er wolle den ungelehrigen Tölpel fahren lassen und den klotzigen Eiszapfen von sich werfen. Endlich hat er sich vorgenommen, es noch mit ihm anzusehen und auszuhalten, bis sie zu der großen Wüste kämen, worin der reiche Mohrenkönig wohnte; da sollte Hans einmal mit Hunger und Durst versucht werden.

Als sie nun schon in Asien wanderten und schon durch Cilicien und die Thore des Taurus und durch Antiochien und Damaskus in Syrien gekommen waren, und jetzt aus dem hohen Libanon hinabstiegen und dann im gelobten Lande gegen die heilige Stadt Jerusalem hinaufgingen, begab es sich, daß Hans vor sich auf dem Wege etwas Blankes schimmern sah. Er lief hin, bückte sich mit [244] seinem Rothen, und nahm ein goldenes Kreuz auf, das in Jerusalem gemacht und am heiligen Grabe geweiht und von einem frommen ins Abendland zurückwandernden Pilger verloren war. Und der Rothe war neugierig und fragte: Hans was hast du? du hast mich bei deinem verwünschten Bücken arg gestoßen; ich rathe dir, Schlingel, mich künftig erst um Erlaubniß zu bitten, eh du solche halsbrechende Sprünge machst. Her! was hast du? Da wies Hans ihm das Kreuz.

Als der Rothe das Kreuz erblickte, da hätte einer sehen sollen, welche seltsame Gebärden und grinsenden Gesichter er schnitt. Er krümmte und verzuckte sich plötzlich und riß sich in so wilden und schüttelnden Bewegungen auf Hansens Rücken hin und her, als wäre er von Sinnen gekommen, und that einen so fürchterlich gräßlichen Schrei, als hätten tausend Speere ihm zugleich ins Herz gebohrt; so daß selbst der muthige Hans einen Augenblick erschrack, indem er meinte, es habe eine Schlange oder ein Skorpion den Scharlakenen gestochen. Er riß sich aber nun mit reissender Gewalt von Hansens Rücken los und fiel auf dem Wege in den Staub. Und da lag und winselte er erbärmlich und zappelte und zuckte mit dem ganzen Leibe und schüttelte und streckte und reckte sich mit Händen und Füßen, als müßte er augenblicklich des Todes seyn. Den treuen Hans jammerte das sehr, und er lief an einen Bach, nahm seinen Hut, füllte ihn mit Wasser und goß dem Rothen das ins Gesicht, ob es ihm die Pein lindern und kühlen könnte. Aber jener krümmte und zuckte sich immerfort und schrie auf das allererbärmlichste. [245] Und bei diesen Schüttelungen und Zuckungen ist es endlich auch geschehen, daß er die Stiefeln ausgeschlenkert hat, und so ist der breite und goldene Hahnenfuß, wie er leibte und lebte, an das Tageslicht gekommen.

Und Hans, als er den saubern Fuß sah, fuhr mit einem lauten Schrei des Entsetzens zurück, als hätte eine Natter ihn gebissen, kreuzte und segnete sich und betete ein Vaterunser. Doch bald kam ihm wieder Muth in die Brust, und er rief: Mein Vater sagte immer: Wer den rechten Glauben hat, kann es mit dem Teufel in der Hölle aufnehmen — und darum frisch drauf in Gottes Namen! Und mit diesen Worten nahm er seinen Dornknüppel und ließ ihn hageldicht auf den Scharlakenen fallen; und der Rothe krümmte und wand sich wie ein Wurm und bat und flehete, er möge doch Erbarmen mit ihm haben. Was sagst du, Teufelchen? Erbarmen? rief Hans, ich Erbarmen mit dir, schändlicher Hahnenfuß? mit dir rothem Schelm, den nach meiner armen Seele gelüstete? Nein! nur wieder drauf! Ich muß dir diese Seelenfängerei verleiden. Und so hat er wieder auf ihn eingedroschen und hat ihn zerdroschen wie Bohnenstroh wohl eine Stunde lang; und was der Teufel unter seiner Faust ausgestanden hat, ist wohl nicht zu beschreiben. Der Böse ist aber unter seinem Dreschflegel jede Minute kleiner geworden, und zuletzt so klein wie ein kleines Kind; und da hat er sich gar fein und lieblich gebärdet, so daß Hans einen Augenblick erschrocken ist, auf wen er schlage, aber sich bald wieder besonnen und gerufen hat: und sähest du mich so lieblich an als die Erzengelchen Rafael und Gabriel, als [246] sie in Gottes Wiegen lagen, du bist doch der Teufel! und Hans hat fortgedroschen, und der Teufel ist kleinchen kleinchen geworden, mit jedem Schlage kleiner, daß Hans ihn noch kaum hat treffen können. Zuletzt ist er aber ein schwarzer Mistkäfer worden, ein Schornweberer, und Hans hat ihn deutlich hinfliegen gesehen und ihn durch die Luft fortsumsen gehört, und ihm nachgerufen: Fliege, Stinkteufel! fliege! und Pfui und Weh dir nach! Und es hat gräulich gestunken auf der ganzen Straße wohl eine Stunde Weges.

Und als der Böse weg war, hat Hans sich hingesetzt und sich ein wenig verblasen; denn er war von dem Zorn und der Arbeit so matt, daß er kaum Athem holen konnte. Und als er wieder zu sich selbst kam von dem Schreck und von der Müdigkeit, da flogen ihm viele wunderliche Gedanken durch den Kopf, und er rief aus: Nun das ist einmal wahr, was der Mensch doch nicht alles erleben kann? hätt’ ich’s meiner Tage doch nicht gedacht! Ja du hattest wohl Recht, guter Meister Peters in Eisleben, wenn du uns deine Wandergeschichten erzähltest, und am Schlusse jeder Geschichte immer hinzufügtest: Wer in die Welt hinaus gegangen ist, der weiß was zu erzählen. Denn wenn ich erzählen sollte, was ich erlebt habe, und daß ich mich dem Teufel als Diener vermiethet habe, ja daß ich ihn auf diesen Schultern getragen habe und doch noch nicht in der Hölle brate, und was ich von seinem scharlakenen Rock und von dem goldnen Hahnenfuß und von dem schwarzen Stinkkäfer weiß, ja mit meiner Nase gerochen habe alle Leute, die es hörten, würden [247] sagen: Hans lügt wie ein Schelm; und doch wäre der Hans kein Schelm, sondern die Wahrheit müßte zum Schelm werden, wenn das Lüge heißen sollte.

Und Hans saß da eine lange Zeit im Grase an dem Wege, und fiel zuletzt in tiefe Gedanken, und sein Herz lief ihm rückwärts zu seinen lieben Verwandten in Deutschland hin und zu seiner trauten Heimath Mansfeld und Eisleben und zum Meister Peters und zu seinem Vater; und er mußte bitterlich weinen und ausrufen: O ich will wieder nach Westen in das liebe Deutschland zurück! Ich bin weit genug in der Welt gewesen, und in welcher gefährlichen Gesellschaft hab’ ich meine Wanderschaft gemacht! Und hätte Gott mich nicht in Gnaden gewarnt und behütet, wo säße ich jetzt? – Und bald fiel er unter tausend heißen Thränen auf seine Kniee und betete, und dankte Gott für die große Gnade und Treue, die er an ihm gethan hatte. In solchen frommen Gedanken mtd Gebeten schlief er ein und schlief wohl zehn volle Stunden.

Und es war Nacht geworden und wieder Morgen, und mit dem frischen Morgen und der hellen Sonne sind dem Hans auch frische und helle Gedanken gekommen, und er hat gesagt: Nein! ich will noch nicht umkehren, ich will noch weiter gegen Süden gehen, ich will mal sehen, wie es in der Wüste und bei dem Mohrenkönige aussieht und ob das Lügen sind, was der Rothe mir erzählt hat. Denn ist auch die ganze Wüste voll Zauberei und der schwarze König selbst der größte Hexenmeister, was kümmerts mich? Bin ich mit dem Scharlakenen fertig geworden und habe ich ihn bis zu einem kleinsten Wurm [248] und Käferchen herunterprügeln können, so werde ich wohl mit seinen Gesellen fertig werden; und wenn dieser Mohrenkönig der allereingefleischteste Blaumann und Blaubart wäre, er soll mir schon zu Kreuz kriechen lernen. Ja zu Kreuz kriechen! goldnes Wort! Und er nahm das gefundene Kreuz und hängte es sich um den Hals, daß es auf seiner Brust hinfort als sicherster Teufelsschild läge.

Und den dritten Tag nach diesem kam er in der heiligen Stadt Jerusalem an und sah die vergangene Herrlichkeit von weiland als einen großen Schutthaufen und eine Sammlung von wüsten Plätzen und Gärten, wo unter türkischer Tyrannei in einzelnen schlechten Häusern hin und wieder arme Leute wohnen; und er sah nichts mehr von der Feste Zion und ihren herrlichen Thürmen und Zinnen, worauf der Stolz der Juden einst trotzte, noch von der Pracht des Tempels Salomonis – sondern alle Weissagungen der Propheten und Verkündigungen des Herrn waren über die hartnäckigen und vetstockten Kinder Israel erfüllt worden. Und Hans ging mit stillen und fast mit weinenden Gedanken durch die große Stadt und besuchte den Ölberg und Golgatha und das Grab, worin der Heiland gelegen hatte, und betete an der heiligen Stätte. Darauf setzte er seinen Stab weiter und ging an das Meer hinab gen Joppe, und von da nach Gaza und Askalon in das Land der Philister. Hier suchte und fragte Hans viel, und wollte gern die Gräber der Riesen Simson und Goliath sehen; aber kein Mensch wußte was davon und selbst die Namen jener starken Männer waren bei den Leuten verschollen. Hans ging von da weiter ge– [249] gen Westen in Ägyptenland. Und in Ägyptenland sah er viele Wunderdinge und auch den wundersamen Strom Nilus, von welchem noch kein Mensch weiß, wohei er kommt, und von dem viele gefabelt haben, er fließe aus den Schneebergen, die im Monde liegen.

Hans hielt sich nicht lange in Ägypten auf sondern ging über den Nil und so immer gegen Westen fort, bis er an die große Wüste kam und sich an ihrer Gränze bei den Leuten erkundigte, wo der gewaltig reiche Mohrenkönig wohne, der in einem von lauter Demanten gebauten Schlosse wohne und sich seine Paruke immer mit Goldstaub pudern lasse. Die Leute aber wußten ihm nichts Gewisses zu sagen, oder sie wollten es ihm nicht sagen, weil sie ihn für einen verlornen Mann ansahen, wenn er weiter in den Westen hinein spazieren wolle. Sie antworteten ihm auf seine Fragen nach dem Mohrenkönige und des Mohrenkönigs Lande der eine dies der andre das, alle aber sagten, von dem Mohrenkönige und seinen Schätzen und Herrlichkeiten habe man in den alten Zeiten wohl allerlei zu erzählen gewußt, jetzt aber wisse man wenig davon; zuweilen seyen wohl einige Thoren in die Wüste hineingewandert, sein Reich aufzusuchen, aber nimmer habe man eine lebendige Seele zurückkommen sehen, nun aber seyen es wohl zwanzig Jahre und länger, daß kein solcher Narr da gewesen, der sein Leben keines Hellers werth geachtet. Denn welche Gefahren seyen in jenem Westen von dem Durst und der brennenden Sonne und den Löwen Tigern und Drachen, und von den verderblichsten und fürchterlichsten aller Ungeheuer, den heißen Winden und [250] Sandwolken, die oft ganze Heere mit all ihrem Zeuge und mit Rossen und Kameelen begraben, geschweige einen einsamen Wanderer! Und zu allem dem noch die Zaubereien und die bezauberten Thiere, wovon es im Lande des Mohrenkönigs wimmele, und der Mohrenkönig selbst, der, wie die Sage geht, ein fürchterlicher Riese und Menschenfresser sey. Alles dies und viel Anderes hörte Hans geduldig an, und merkte wohl so viel, daß, wer zum Mohrenkönige wolle, immer gradaus gegen Sonnenuntergang gehen müsse. Was sie ihm aber von wundersamen Abentheuern bezauberten Thieren Ungeheuern Ungethümen und Gefahren erzählten, das schlug ihm den Muth nicht nieder sondern entflammte ihn vielmehr. Er legte sich darauf ruhig schlafen, hatte einen glücklichen Traum, worin er Riesen und Drachen niedermachte, und begab sich den folgenden Morgen munter auf den Weg.

Und als er etwa zwei Stunden gegangen war, da gewahrte er bald, daß nun die Wüste begann; denn es war nun nichts mehr zu sehen als Eine unabsehliche Sandebene, wo hie und da ein mageres Gräschen und zuweilen ein kleines Haidebüschchen erschien. Auf solchem Boden ging Hans den ganzen Tag in der brennenden Sonne, und fand keinen Baum, worunter er sich schatten, keinen Quell, woraus er sich erquicken konnte. Den Abend legte er sich müd und matt unter dem offenen Sternhimmel hin, faltete die Hände, betete recht inbrünstig, und schlief bald ein.

Kurz vor Sonnenaufgang ward er durch ein Gebrüll geweckt, und fuhr von seinem Lager auf, und griff nach [251] dem Dornstock. Denn ein gewaltiger Löwe sprang wüthend auf ihn ein. Aber Hans gab ihm mit seinem Stock dermaaßen auf die Schnauze, daß das Thier hintaumelte, schwang sich darauf auf seinen Rücken, faßte ihm den Rachen, brach ihm einen Zahn aus und rief: Sachte, mein Hündchen! hat diese Faust den Teufel kirr gemacht, wird sie dich auch bändigen. Und der Löwe demüthigte sich vor seiner freundlichen Stärke, kroch vor ihm im Staube und wedelte mit dem Schweife, als wäre er wirklich ein Hündchen gewesen. Und Hans, dieses Zeichens fröhlich, rief: du bist der Erste, komm! folge mir! und du sollst Neißnieder heißen. Neißnieder aber hüpfte neben ihm her; und Hans ging mit ihm des Weges fort immer gegen Sonnenuntergang.

Und als er kaum eine Stunde gegangen war, da fuhr aus einer Felshöhle ein Tiger auf ihn. Und Hans that ihm, wie er dem Löwen gethan, und das wilde Thier ward ihm unterthan, und er nannte es Bricheisenundstal. Und der Tiger lief auch mit ihm.

Und bald darauf hat er ein Pantherthier auf dieselbe Weise gewonnen, und es Packan genannt. Und als er das auch hatte, sprach er: Mit diesen drei Begleitern will ich den sehen, der mich angreifen soll.

Und die Vier liefen durch den heißen Sand bis zur Zeit der Mittagsglocke, die aber in der Wüste nicht läutete. Da fühlte Hans zuerst, daß er in der Wüste spazierte, sein Magen fing an zu gnurren und seine Zunge ihm an dem Gaumen zu kleben. Und er wollte fast verschmachten und auch seine Beine wollten nicht recht mehr [252] fort. Da fiel ihm etwas ein, das er in Geschichten gelesen hatte, und er winkte seinem Reißnieder, und der Löwe senkte sich vor ihm, als hätte er seinen Wink verstanden. Und Hans schwang sich auf ihn und faßte die Mähnen wie die Zügel, und das Roß Neißnieder flog wie der Wind durch die Wüste dahin, und die beiden andern Begleiter sprangen ihm zu beiden Seiten.

Das war nun freilich eine große Erleichterung, konnte aber doch Hunger und Durst nicht stillen; und schon war es dahin gekommen, daß Hans fühlte und sagte: wenn Gott nicht hilft, so ist hier mein Ende und ich fahre einem andern Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zu. Und als er so mit matten Augen in die unendliche Öde hineinstarrte, rauschte eine Herde von dreißig vierzig Gazellen an ihnen vorbei, und Brecheisenundstal und Packan wie der Blitz darunter, und jeder brachte ein Thier mit. Und nun lagerten die Viere sich an ihrem Raube und Hans aß mit seinen Dienern roh Fleisch und trank Blut, und ihm däuchte, in seinem Leben habe er nicht so königlich geschmaust. So ging es nun die folgenden Tage auch, und als seine Hündchen merkten, daß er an ihrer Tafel vorlieb nahm, fehlte es ihm nie an frischem Fleische; auch brachten sie ihm oft ein großes Straußenei, das er gewöhnlich mit der Gier eines Marders ausschlürfte. So ist er zwanzig Tage gewandert und auf seinem großmähnigen und geschwinden Hengst Reißnieder fortgetrabt, und hat in dieser langen Zeit etwa dreimal eine Quelle gesehen, woraus er trinken konnte – denn Salzquellen und ganze Berge des schönsten weißen Salzes fand er genug – [253] auch ist er zuweilen von Datteln erquickt und vom Schatten der Palmbäume gekühlt worden.

Als nun die einundzwanzigste Sonne aufging, da wiesen sich allerlei Zeichen, daß menschlicheres Land nahe war, wie die Schiffer auf dem Meere ihre Zeichen haben, woran sie merken, daß sie nicht mehr weit vom Lande sind. Hans sah nämlich hin und wieder Vögel fliegen, die in der öden baumlosen Wüste keine Wohnungen und Nester haben konnten; und bald erblickte er Anderes, das ihm viel Spaß machte und seine Gesellschaft vermehrte, damit er bei dem stolzen Mohrenkönige einen stattlichen Einzug halten könnte.

Das Erste, was er erblickte, war ein wunderlicher Mensch von außerordentlicher Langbeinigkeit und Schlankheit, der wie ein leichter Wind über den Sand dahin flog, so leicht und geschwind, daß er mit den Füßen auch gar keine Spur darin abdrückte. Hansens beide Hündchen Brecheisenundstal und Packan sprangen auf ihn, aber der Mensch spielte mit ihnen, wie ein Hase im Laufen mit einem Esel spielen würde, und schoß wie der Blitz fort und stand dann plötzlich wieder vor Hans. Die Hunde aber keichten athemlos hinter ihm her. Und er verneigte sich vor Hans und fragte: Herr, willst du einen flinken Diener haben? Hans fragte ihn wieder: Was kannst du? Was ich kann? antwortete jener, ich überlaufe die geschwindesten Winde und schieße schnell und unerreichlich wie Blitz und Sonnenstral fort. Hans sprach: Bleib! der Seltsamkeit wegen will ich dich nehmen. Und der Geschwinde blieb und folgte ihm. [254] Und als sie eine halbe Stunde weiter gegangen waren, sahen sie einen Mann, der stand mit einem mächtigen Bogen in der Hand und schoß einen Pfeil in die Luft ab, dem er scharf nachzuschauen schien. Hans sah aber nichts in der Luft, wornach er schießen konnte; und der Pfeil verflog sich so geschwind, daß man auch keine Spur von ihm erblickte. Und Hans verwunderte sich des seltsamen Schützen, und fragte ihn: Was machst du? ich sehe ja nicht einmal eine Mücke, wornach du schießest. O, rief jener, meine Vögel kannst du nicht sehen, die fliegen deinen schwachen Augen zu ferne. Da sah ich eben am Mondrande viele tausend Meilen von hier eine Schwalbe kreisen, und ich wollte meinen Schuß prüfen – und richtig ist sie gefallen. Und, Herr, kannst du einen Schützen brauchen – ich sehe, du bist ein Herr der Starken – ich will der deinige seyn. Und Hans sprach: folge mir! und er folgte mit.

Und nach einer Weile sah Hans wieder einen Mann, der hatte sich hingelegt mit dem rechten Ohr gegen die Erde und war an Stellung und Gebärde einem Horchenden ähnlich. Und Hans lachte in sich und dachte: was in aller Welt mag es hier doch für Herrlichkeiten zu behorchen geben? und er fragte den Mann: du Narr, was erhorchst du unter diesen todten Steinen? Was ich horche? antwortete jener mit etwas spöttischer Gebärde, ich horche eben, wie der Teufel und seine Großmutter tief tief in der Erde sitzend über dich flüstern und rathschlagen, wie sie dich bei dem listigen und grausamen Mohrenkönige verderben wollen. Da sagte Hans: Der Tausend, welch [255] ein Groß- und Ober–Späher der Gedanken bist du! da kannst du ja mehr als das Gold und die Demanten wachsen sehen. Wahrhaftig diese Art gefällt mir, und willst du auch mein Diener seyn, so komm. Jener antwortete: ja, Herr! und ging mit.

Und als sie kaum ein paar hundert Schritt fürbaß gegangen waren, hörten sie ein klägliches Gewinsel und Gewimmer, und bald kamen sie an einen Mann, der im heißen Sande lag, in einige Wolfspelze gehüllt, und unaufhörlich winselte und ächzete: Huhuhu! wie friert mich! Nun das muß ich sagen, hier hat’s doch Gesindel ohne Gleichen, rief Hans, dies ist hier wahrhaftig die bezauberte Welt und es geht nicht mit rechten Dingen zu. Ich mögte jeden Augenblick schreien: Huhuhu! wie brennt's mich! und dieser tolle Kerl kann in zwei drei Wildschuren und in doppeltgefütterten Pelzstiefeln von Katzen– und Marder–Fellen nicht warm werden. Der Schreier aber sah auf zu ihm und sprach: Ich sehe, Herr, du hast wunderliche Begleitung, vielleicht nimmst du auch noch einen Meinesgleichen? ich frage also: kannst du mich brauchen? Ja, des Spaßes wegen komm mit, antwortete Hans, und jener ächzete mit seinem Huhuhu! hinter ihm her.

Nicht lange darauf sah Hans ein paar Kerle am Wege liegen, die sahen aus hager bleich und gräulich, als hätten sie schon ein paar Tage im Grabe gelegen, und trugen zerrissene Kleider, und blickten ihn finster und grimmig aus hohlen Augen an. Und Hans verwunderte sich ihrer und sprach: Nun wer seid ihr beide? gewiß seid ihr [256] aus einem russischen Lazareth oder aus einer rumfordschen Suppenanstalt entsprungen, und habt euch hier freilich kein Land Gosen ausgesucht, das eure magern Schäden bessern könnte. Und wer seid ihr? und wie heißt ihr? Und sie antworteten: Wir sind zwei Brüder, Kinder Einer Mutter, wir heißen Hunger und Durst, und unsre Mutter heißt Armuth. Wir haben uns hier an die Straße gelegt, weil wir einen guten Dienst suchen. Hans antwortete: Ich bedarf jetzt eben nicht sonderlich eures Dienstes; ich habe einst selbst einem prächtigen rothen Herrn gedient, damals hätte ich euch zuweilen brauchen können. Doch sey’s drum! kommt nur mit! Ich will einmal prüfen, ob ihr auch die ächten seid – und er rief: Bricheisenundstal und Packan! aus! aus! und schafft’s! Und sie strichen hinaus in die Wüste und trieben wohl ein paar Dutzend Gazellen zusammen, welchen sie die Hälse brachen, und zum guten Zeichen auch einen Büffel. Und Hans rief dem magern Bruderpaar zu, und sie machten sich über den getödteten Raub her, und Hunger fraß das Fleisch und die Knochen und Durst schlürfte das Blut aus; und nach einer Viertelstunde lagen die leeren Häute da. Und Hans rief: Bravo! ihr habt nicht gelogen, und sollt meine Diener seyn. Und sie folgten ihm.

Und als sie ein wenig fürbaß gegangen waren, wunderten sie sich der kühlen Luft, wovon sie plötzlich angeweht wurden, und Hans hob die Augen gen Himmel und betete: Du lieber frommer Gott! willst du mich endlich vom Brand der Wüste erlösen? Und horch! es scholl eine Stimme aus dem Sande: Misbrauche nicht Gottes [257] Namen und versündige dich nicht! das bin ich, der bläst,und nicht Gott. Und Hans guckte hin, woher die Stimme kam, und sah einen Mann, der hatte die Wangen seltsam aufgeblasen gleich einem Blasebalg. Und er sprach zu ihm: du wunderlicher Bausback, wer bist du? und wie heißest du? Und jener antwortete: Ich bin unsers lieben Herrgotts großer Windmacher, und mein Name heißt Blasius. Und ich habe nicht geblasen sondern nur gehaucht; denn hätte ich die Blasebälge meines Athems recht angezogen, wo wäret ihr unter den Sandbergen geblieben? Ich betheure dir, in ein paar Sekunden solltest du kein Schwanzspitzchen von deinen drei Schooßhunden mehr sehen, und den fliegenden Springer, der sich rühmt in ein paar Minuten von einem Ende der Welt bis zum andern zu laufen, meine Staubwirbel sollten ihn schon gefaßt haben. Ich habe aber Befehl dein Diener zu seyn, wenn du mich gebrauchen kannst. Ob ich dich gebrauchen kann, sprach Hans, trefflicher Herr Blasius? Du bist ja ein prächtiger Diener für Wanderer der brennenden Wüsten. Komm mit, sehr werther Herr Blastus! du göttlicher Windmacher sollst mein liebster Diener seyn; und ist nicht immer Großes und Gewaltiges zu thun, kannst du mir doch Fliegen und Mücken von der schlafenden Nase weghauchen. Darum Topp, theurer Blasius! Und Blasius schlug ein und ging mit und machte ihnen immer die angenehmste Kühlung, so daß alle herzensvergnügt waren, nur nicht der Huhuschreier im Wolfspelz, der gern ein paar Millionen Siriusse im Ausgang über sich gesehen hätte.

Und den nächsten Tag gelangten sie an das Ende der Mährchen [258] Wüste in des Mohrenkönigs Land, und Hans sah, daß es ein herrliches und fruchtbares Land war. Der Mohrenkönig hatte seine Gränzen wohl verwahrt mit Schlössern und Thürmen und großen Schaaren von Reisigen und Fußvolk, die jedem Fremden den Eingang vermehren und ihn fangen sollten. Aber den Hans ließen sie ruhig ziehen, wohin er wollte; denn er kam ihnen mit seinen drei Hündchen, die um ihn her spielten, auch gar zu fürchterlich, und mit seinem seltsamen Gesindel beinahe hexenmeisterisch gräulich vor. Außerdem konnte er, wenn er wollte, so grimmig aussehen, daß dem tapfersten Mann bei solcher Gebärde das Herz in der Brust bebte. Solchen Anblick gab er aber selten zum Besten.

Das rohe Leben der Wüste war nun vorbei, und Hans lebte wieder wie andre Leute, ja wie andre vornehme und steinreiche Leute, und kehrte auf der großen Straße, die zur Hauptstadt des Mohrenkönigs führte, immer in den prächtigsten Gasthäusern ein, und machte eine unglaubliche Zeche. Denn was Hunger und Durst verzehrten und wie viele Klafter Holz der Frostling jede Nacht zur Heitzung seines Schlafzimmers befahl, das läßt sich eher denken als in bestimmten Zahlen beschreiben. Hans bezahlte aber wie ein Großmogul oder König von England und sah auf den Rechnungen immer nur die Summen an, und hatte feinem Gefolge befohlen, sich nichts abgehen zu lassen. Denn in der Wüste auf dem Wege, den er gewandert war und welchen vielleicht in Jahrtausenden kein menschlicher Fuß betreten hätte, lagen die Edelsteine und Demanten wie die Erbsen ausgestreut, und er [259] hatte feinen Ränzel und alle seine Taschen damit gefüllt, und verzehrte jeden Tag einen Stein, der ein paar Tonnen Goldes werth war.

Man sagt: das Gold sprengt das Thor der stärksten Festung. Hansens Gold sperrte auch den stummsten Wirthen das Herz und das Maul auf. So begab es sich den dritten Tag der Reise im Lande des Mohrenkönigs, daß einer derselben ungewöhnlich gesprächen geworden und sich als eine besondere Gnade ausgebeten hatte, dem er1auchten Herrn Prinzen ein Wort sagen zu dürfen. Nach drei vier tiefen Verbeugungen in der Ferne und einem halben Dutzend Schlägen, die er dem Staube zu Hansens Füßen mit der Stirn versetzte, und nachdem er gebürlich in Einer Minute dreimal blaß und dreimal roth geworden, wie es sich vor hohen Häuptern nicht anders ziemt, hub er ungefähr also an:

Ich sehe aus Höchstdero Gefolg und Begleitung, daß Höchstdieselben ein sehr mächtiger Prinz sind, und aus Dero Farbe, daß Höchstsie aus einem andern Lande zu kommen und von einem andern Volke zu seyn geruhen als wir braune blaue und schwarze Leute. Gewiß steht Ihr Hohes und Höchstes Herz auf Ruhm und Glorie gerichtet; gewiß wollen Sie hinziehen und die schöne weiße Prinzessin befreien. Aber erhabenster Prinz und Herr, hüten Sie Sich vor dem Mohrenkönig! ja nehmen Sie Dero kostbarstes Leben in Acht! denn das ist der größte Hexenmeister und Wütherich, der auf der Erde lebt, und regiert und plagt das ung1ückliche Land nun schon zweihundert Jahre und will immer noch nicht sterben.


[260] Und Hans ganz erstaunt fragte: was sagst du von der weißen Prinzessin? und wer ist die?

Und der Wirth antwortete: Euer Großmächtigkeit geruhen mit Dero unterthänigstem Sklaven zu scherzen. – Wie? Allergnädigster Herr Prinz, Sie sollten das nicht wissen was über alle Meere und Länder erklungen ist? Sie sollten so zum Spaß durch solche gräuliche Wüste gezogen seyn? Denn wer hätte von der schönen Prinzessin aus Hispania nicht gehört, wofür der Mohrenkönig einem Seeräuberhauptmann seinen halben Schatz gegeben hat? Das ist ein Weltwunder der Schönheit; und die allein hat Gewalt über den Unmenschen, und seit sie hier wohnt, haben wir bessere Zeiten; denn er darf kein Blut mehr vergießen. Drei Jahre wohnt sie nun in dem Schlosse des Ungeheuers, das sie allein zähmen ja um ihren kleinsten Finger wickeln kann. Vor ihr muß er sich wie ein Diener krümmen und schmiegen, und jeden Tag vor ihr auf den Knieen liegen und flehen, daß sie ihn endlich erhöre und seine Königin werde. Sie thut es aber nicht, und hat doch solche Macht und geheime Kunst über den alten Hexenmeister, daß er sich zahm und still halten muß.

Hans sagte bei dieser Erzählung mehrmals Hm! Hm! bei sich aber dachte er sogleich: freilich willst und mußt du die Prinzessin befreien. Und dies spornte ihn nun zur Geschwindigkeit der Reise und er ließ seine Leute alsbald zum Aufbruch rüsten.

Und Hans zog noch zehn Tage durch das schöne Land des Mohrenkönigs, und am elften Tage sah er die goldnen Thürme und Kuppeln der Hauptstadt desselben von [261] Westen her schimmern. Und der Mohrenkönig wußte, daß etwas Großes kommen sollte, denn seine Gesellen hatten ihm allerlei zugeraunt, auch hatte er die letzten Nächte bedenkliche Träume gehabt. Daher hatte er feine Schlösser und Festen mit Mannschaft und Geschütz dreifach gestärkt, mit hunderttausend Mann aber war er ausgerückt und lagerte vor den Thoren der Stadt auf einer weiten Ebene. Er aber wohnte in einem prächtigen Zelte, und die schöne weiße Prinzessin aus Hispanien hatte auch ihr eignes Zelt nicht weit von ihm; denn sie mußte immer nahe bei ihm leben.

Als der Mohrenkönig nun unsern Hans mit seinem Stock und feinen drei Hündchen und feinem seltsamen und abentheuerlichen Gefolge herankommen sah, und gewahrte, wie Löwen und Tiger um ihn spielten und wie wunderlich seine Leute aussahen, da dachte der alte Schlaukopf bei sich: der kann gewiß große Künste und dein Heer hilft dir gegen ihn nichts, die würden dir nur davon laufen, wenn sein zauberisches Geschwader auf sie losginge. Also fein sachte und leise – du mußt ihn mit Listen angreifen und versuchen, ob du ihn mit zierlichen und schönen Worten aufhalten und fangen kannst. Und so rüstete er sich denn mit der blanken und glatten Rüstung der Schalkheit und Freundlichkeit, und ging Hansen in feiner ganzen vollen königlichen Pracht und Herrlichkeit entgegen und seine Kleider und seine goldne Krone auf dem Haupte blitzten von Demanten und Juweelen, als wäre der König der Unterirdischen aus dem gläsernen Berge auf diese Erde emporgestiegen; und die schöne weiße Prinzessin aus [262] Hispanien und alle seine Hofherren und Hoffrauen in prächtigsten Kleidern gingen neben und hinter ihm, und die Pfeifer und Trompeten des ganzen Heers spielten eine lustige Kriegs- und Triumphmusik auf. Und als er vor Hans kam, sprach er also:

Friede Glück und Sieg mit dir, du herrlicher Prinz aus Mitternacht und aus dem Schneelande! der uns hier in dem brennenden Süden lange verkündigt ist als ein Stern des Himmels und dessen fröhliche Ankunft wir lange mit Sehnsucht erwartet haben! Glückselig, die deine Augen schauen, du glorreicher Siegesheld! und gesegnet, wo deine Füße wandeln! Siehe! dein Diener ist dein und alles, was du hier siehest. Und nun komm, und laß dich in deine Burg einführen, und lerne, ob wir hohe Gäste zu empfangen wissen.

Aber Hans schaute höhnisch und grimmig auf ihn und sprach: Nicht als Friede und Glück komme ich zu dir, du tückischer und blutiger Mohrenhund, sondern als Krieg und Verderben. Hinab in den Staub, du Hund! daß ich meinen Fuß auf deinen Nacken setze! Denn was ich hier sehe meine ich nicht als ein Geschenk von dir zu empfangen sondern als Beute zu nehmen.

Und der Mohrenkönig, als er diese Worte hörte, fürchtete sich sehr, doch faßte er sein Gemüth und sein Gesicht zusammen, und sah gelassen und heiter aus, und antwortete:

Das ist nicht prinzlich und königlich gesprochen, Großmächtigster! auch darf, wer ein Held heißen will, Beute nicht nehmen ohne Kampf: das thun Diebe. Darum, so dich gelüstet, laß uns kämpfen, und wer den [263] Streit gewinnt, der soll des andern Herr seyn. Siehe, ich setze dir fünf Stunden, und in den fünf Stunden sollen fünf große Proben gemacht werden, und gewinnst du diese redlich und ohne böse List, so sollst du über mich und über das ganze Mohrenreich der Herr seyn.

Und Hans besann sich nicht lange und sprach: Es gilt! und nun her mit den Proben!

Und der Mohrenkönig sagte: Am Ende der Welt, wo sie mit Brettern zugenagelt ist und wo man in Sonne und Mond hineingreifen kann, wie in einen goldnen Pfannkuchen, da steht der Apfelbaum, wovon Adam und Eva weiland gegessen haben. Nun hat diese schöne Prinzessin lange gelüstet einen der Äpfel zu haben, die auf diesem Wunderbaum wachsen. Also rüste dich! und schaffst du mir in einer Stunde einen Apfel jenes Baume, so magst du noch wohl mein Herr werden. Und Hans rief seinem Springer Langbein zu: Lauf! und hole den Apfel! Und jener schoß dahin wie ein Blitz, und keiner sah eine Spur von ihm. Und es waren Dreiviertelstunden vergangen und der Apfel war noch nicht da, und des Mohrenkönigs düstres Gesicht erheiterte sich. Da rief Hans seinem Horcher, und sprach: Horche, ob du keine kommenden Fußtritte hörst. Und der Horcher legte sein Ohr an die Erde und horchte und sprach: Fußtritte hör’ ich nicht, aber wohl, wie einer am Ende der Welt schnarcht. Nun rief Hans seinem Schauer und Schützen: Geschwind! und schau! Und jener sprach: Ich sehe den Laufer ganz deutlich, er liegt unter dem Apfelbaum und schläft, und hält den Apfel in der linken Hand, und sein [264] Kopf ruht auf einer Eichel. – Ha! warte, du Fauler! ich will dich schon aufwecken. Und er nahm seinen Bogen, legte einen Pfeil drauf, und traf grade in die Eichel. Und der Laufer fühlte den Ruck, erwachte, sah nach der Uhr, erschrack, daß er so viel Zeit verschlafen, sprang davon, und war in zwei Minuten mit feinem Apfel zur Stelle. Und der Mohrenkönig erstaunte und erblaßte, Hans aber gab den rosigen und goldigen Apfel in die Hand der schönen weißen Prinzessin von Hispanien, die ihn mit holdseliger Gebär empfing.

Und der Mohrenkönig sagte darauf: Hier ist die zweite Probe: Siehe dort weiden tausend fette Ochsen, und siehst du dort einen gelben Berg? das ist ein Reißkuchen zweitausend Malter groß – von solchem Inhalt sind unsre afrikanischen Pflaumenpuddings – und dort unter jenem blauen Zelte liegen zwanzig Faß Wein, das kleinste zwanzigmal größer als jenes bei euch weißen Schneeleuten gepriesene Heidelberger Faß. Magst du mir einen Schlinger und einen Schlucker schaffen, die damit in einer Stunde fertig werden, so kannst du noch wohl mein Herr werden. Und

Hans antwortete lachend: Meinst du, das sey was Schweres? und er rief: Wo sind meine Magern und Bleichen? Herbei mein rüstiges Brüderpaar! Hunger und Durst herbei! herbei! und schafft! Und sie kamen sich an die Arbeit zu machen, und der Hunger fraß und der Durst soff und sie schlangen und schlürften mit so scheußlicher Gier, und machten mit den Zähnen und der Gurgel so gewaltige Arbeit, als sey jenes Feuer da, von dem der heilige Petrus geweissagt hat, es solle am jüngsten Tage [265] die ganze Welt auffressen und verschlingen. Und nach einer halben Stunde war auch nichts mehr da als die leeren Häute der Ochsen und die hohlen Fässer und von dem Reißkuchenberg auch keine Spur. Und die beiden Entsetzlichen schlugen noch auf ihre dünnen Bäuche und schrieen: Mehr her! mehr her! und allen, die das Geschrei hörten, kam Grauen und Entsetzen an.

Der Mohrenkönig aber hielt sich tapfer und sagte: Das war nur eine Art Spaß, wie man ihn zur Ergötzung mit Kindern oder Tölpeln macht; im Fressen und Saufen sind viele Meister, und ist eigentlich eine Kunst der Dummen und eurer Helden aus dem weißen Abendlande. Aber nun richte mir die dritte Probe aus, und sage mir binnen einer Stunde genau, was der Teufel da unten in den heißesten Tiefen der Erde eben denkt. Und kannst du das, mag es wohl gelingen, daß du mein Herr wirst.

Und Hans flüsterte mit seinem Horcher, und der Horcher legte sich auf die Erde und horchte, und bald sprang er lustig wieder auf, und flüsterte mit Hans. Und Hans sprach zum Mohrenkönig: Herr Mohrenkönig, hast du auch ein Herz des Teufels Gedanken zu hören? Du verlangtest zu wissen, was der Teufel eben gedacht hat? Er hat mit seiner Großmutter geflüstert und gedacht: über meinem besten Vicesatanas auf Erden schwebt eine große Gefahr, und wie werd ich ihn herausreißen? Als der Mohren- könig diese Worte vernahm, verstummte er in sich und ward blaß, wie Mohren blaß werden können, das heißt sein Gesicht ward fast grau wie Erde und das Weiße in [266] seinem Aug ward gelb, als wäre der Neid mit feinem Pinsel darüber gefahren.

Und der Mohrenkönig sprach: dies ist meine vierte Probe, und ich will sehen, wen du da hast gegen mich zu stellen. Hier stehe ich und recke meine beiden Hände aus, und wer wagt es die zu fassen und mich überzuholen? Gelingt euch das, so magst du noch wohl mein Herr werden.

Der bin ich, rief Hans im Zorn, und das wage ich, und her mit den schwarzen Tatzen! – Und er legte seine Finger gegen die Finger des Mohren, und spielte zuerst mit ihm, so daß der Schwarze Muth bekam. Aber darauf machte er einen Ernst, und zog an mit seiner ganzen Stärke, und schnellte den ungeheuren Riesen über sich durch die Luft hin, daß er mit dem Kopf einen solchen Preller gegen die Erde machte, daß er zwanzig Schritt davon wieder auf den Füßen zu stehen kam und wie ein vor den Kopf geschlagner Ochs wohl eine halbe Stunde taumelte, ehe er sich wieder besinnen konnte.

Und der Mohrenkönig, wie bang ihm auch um das Herz war, that doch noch unverzagt und sprach: Diese vier Kinderspiele habe ich zum Scherz gestellt; denn wer nur einige Kunst hat, weiß wohl, daß das eben keine großen Künste sondern nur Gaukelspiele und Augenverblendungen waren. Aber nun kommt die fünfte und letzte Probe, und seid ihr mit darin gewachsen, so will ich heruntersteigen von meinem Thron, und du, Herr weißer Prinz, sollst mein Herr seyn. Und dies ist die Probe: Siehe dort den Scheiterhaufen, der bis in die Wolken [267] reicht; der ist mit Schwefel und Öl und Pech gefüllt und begossen, und den wollen wir anzünden und Leute mit Blasebälgen hinstellen, daß sie uns den Haufen zu hellen Flammen aufblasen; und ich vermesse mich in die Gluth zu steigen und ein Liedchen darin zu pfeifen, und du oder seiner deiner Leute soll mir’s nachthun, und haltet ihr die Stunde mit mir aus, so sollt ihr gewonnen haben, und dann sollst du mein Herr seyn.

Das soll ein Wort seyn, Mohrenkönig! sprach Hans, und gleich den Augenblick laß anzünden und blasen! denn mich plagt Langeweile und Hunger. Ich will dir schon einen Pfeifer hineinthun, der dich auspfeifen soll. – Und Hans rief überlaut: Huhuhu! wo bist du? geschwind herbei! jetzt ist dir ein Fest bereitet, und du kannst dich mal für einige Wochen erwärmen. Und Huhuhu! lief herbei und stieg mit dem Mohrenkönig auf den Scheiterhaufen. Und in dem Augenblick wurden von vielen Dienern viele tausend Fackeln hineingeworfen, und die Männer mit den Blasebälgen traten hinzu und bliesen, und hoch loderten die Flammen zum Himmel empor. Der Frostling aber schrie noch immerfort Huhuhu! wie friert mich! Doch fing seine Gebärde an sich zu erheitern, als auch der letzte Fetzen seiner Pelze heruntergebrannt war, und zum ersten Mal in seinem Leben sah er aus, als wenn ihm wohl wäre und eine kleine Lust durch seine eisige Seele glühte. Auch der Mohrenkönig hielt sich tapfer und gab sich dem Huhuhu! gegenüber ein stolzes Ansehen, und er strengte seine Lungen gewaltig an und sang aus dem Feuer heraus gleichsam ein lustiges und trotziges Siegeslied, und [268] wenn er auch mal etwas mit der fröhlichen Miene zuckte so pfiff er sich doch bald wieder in sein Liedchen hinein. Als nun Hans sah, daß es doch nicht recht tüchtig und ernstlich brennen wollte und daß das Huhuhu! immer noch durch des Mohrenkönigs Liedchen tönte, rief er erzürnt: Ei was sind das für elende Bläser! der Sturm der Flamme rauscht nicht einmal so mächtig, daß er Mohrenkönigs Pfeifen übertäuben kann. Weg mit den elenden Mückenlungen dieser Bälge! Heran, mein tapfrer Pausback! Blasius trete du hin und zeige ihnen, was Blasen heißt! – Und Blasius blies und die Flamme schlug hochauf und flog mit Prasseln und Krachen umher, als sollten Himmel und Erde vergehen, und niemand hörte nun noch das traurige Huhuhu! wie friert mich! und das helle Pfeifchen des Mohrenkönigs ward gar stumm. Und was hat sich begeben? Bald sah man den scheußlichen schwarzen Riesen, wie er jämmerlich versengt und verbrannt sich aus dem Feuer stürzte und wie ein Kater aus einem brennenden Haufe in geschwindesten Sprüngen queer über das Feld hinstrich. Hans aber klatschte laut in die Hände und rief ihm frohlockend nach: Lauf du zu allen Teufeln, du feiger Teufelsknecht! das Spiel hast du verloren und wirst nicht wiederkommen. – Und von Blasius gewaltigem Athem war der ganze hochgethürmte Scheiterhaufen in zwei Minuten zur Asche worden. Und der Frostling saß unten in der Asche und wimmerte: Huhuhu! wie friert mich! und wer giebt mir meine schönen eingeäscherten Pelze wieder? Und alle Umstehende erschracken und erstaunten ob dem Wunder und gingen hin und beschauten und betaste– [269] ten den Mann, und fanden an seinem ganzen Leibe auch kein Haar versengt. Hans aber, den er jammerte, schickte sogleich in die Stadt, daß sie eilends brächten, was dort von Pelzwerk zu finden sey, und den Frierenden bekleideten.

Und als diese fünfte Probe auch bestanden war und als sie sahen, daß der alte Teufelsbanner und Bluthund mit allen seinen Listen und Künsten völlig aus dem Felde geschlagen war und die Flucht ergriffen hatte und in der That nicht wieder kam, da entstand ein so gewaltiges Jubeln und Jauchzen, daß man es meilenweit hören konnte, und jedermänniglich alles Volk ließen sich ihre Freude merken, daß sie des entsetzlichen Wütherichs und Unmenschen los geworden waren. Und die Vornehmsten der Mohren und ihre Prinzen Feldherren und Obersten traten zu Hans, fielen vor ihm auf die Kniee und sprachen: Großmächtigster und Durchlauchtigster Prinz aus dem Lande der Weisen und Kunstreichen, wo die weißen und tapfern Leute wohnen, Gott hat Gericht gehalten zwischen dir und unserm Tyrannen, und sein Reich ist dir zugesprochen; darum komm du nun in die hohe Burg und setze dich auf den Thron und sey unser König. Hans aber antwortete ihnen: In die Burg will ich wohl einziehen, aber ein Mohrenkönig kann und will ich nicht seyn, sondern ich fühle, daß hier meine Wanderung durch die Welt ein Ende hat und daß ich wieder zu dem Lande zurück muß, wo die weißen Menschen wohnen, zu meinem lieben Deutschland und zu Eisleben hin; denn hier ist es mir zu schwarz und zu heiß. Darum gehet ihr nun hin [270] und rathschlaget unter einander, wer von euch der tapfetste frommste und gerechteste Mann ist, und den bringet mir morgen her, damit ich ihn zum König über euch mache und einsetze.

Als dies geschehen und gesprochen war, trat die schöne weiße Prinzessin aus Hispanien mit ihren schwarzen Begleiterinnen hinter sich aus ihrem Gezelte und fiel Hansen zu Füßen und wollte ihm die Kniee umfassen. Er aber wehrete ihr das und hob sie von der Erde auf, senkte sich vor ihr aufs Knie und sprach: Allerschönste und Allerweißeste Prinzessin, dies schickt sich besser und dies ist die Stelle, die mir gebührt. Sie aber wollte das nicht leiden und hieß ihn wieder aufstehen, und sprach: Der größte Thron der Welt ist deiner Kunst und Tugend zu klein, und deine Magd wäre glückselig, wenn sie an seinen Stufen knieen dürfte. Nun aber komm, und laß uns in die Königsburg ziehen, und erquicke dich und die Deinigen nach der langen Reise und nach so schwerer Arbeit und Gefahr. Und sie nahm ihn an die Hand, und er ließ sich von ihr führen, und es sah aus, als wenn ein Lämmlein einen Löwen geführt hätte.

Und ein köstliches Mal ward bereitet und alle Hansens Diener und Gesellen ergötzten und erquickten sich herrlich, und auch feine drei Hündchen wurden vergnügt. Aber allein Hunger und Durst konnten nicht satt werden, und der Frostling, der wohl zehn Pelze über einander gezogen hatte, schrie immer noch auf das erbärmlichste Huhuhu! wie friert mich! Nach der Tafel ging Hans mit der schönen Prinzessin von Hispanien in ihr Zimmer, und [271] sie erzählte, wie sie eines christlichen spanischen Königs von Sevilien Tochter sey und wie mohrische Seeräuber sie vor drei Jahren aus einem Lustgarten an der Küste entführt und dem Mohrenkönig verkauft haben, und was sie erlitten habe von der Zudringlichkeit des alten Bösewichts, der sie durchaus als seine Königin neben sich habe setzen wollen. Und Hans hörte mit dem größten Wohlgefallen zu und hätte eine halbe Ewigkeit neben ihr sitzen und sie erzählen hören mögen; denn nie, däuchte ihm, hatte er ein solches Bild der weißesten Schönheit Unschuld und Holdseligkeit auf Erden gesehen. Und auch ihre Augen blickten mit Wohlgefallen auf den schönen stattlichen Mann, dessen wunderbare unüberwindliche und unglaubliche Abentheuer sie gerettet hatten. Und wie es weiter gegangen ist, weiß ich nicht, aber den andern Morgen hießen sie vor allen Leuten Braut und Bräutigam.

Hans gab nun den Mohren einen König, den Mann, den sie selbst haben wollten, und sprach zu ihnen: Ich will nun bald reisen – darum auf! und schaffet mir geschwinde aus dem ganzen Reiche alle weiße und schwarze Christen und europäische Sklaven zusammen, und rüstet und bereitet mir Pferde und Kameele und Speise und Trank so viel, als wir auf der Reise durch die Wüste gebrauchen, bis wir an den Nil gelangen. Und eigentlich habe ich eurem Hexenmeister dem Mohrenkönig das ganze Land und sein Königsschloß und alle andern Schlösser im gefährlichen Ritterspiele ehrlich abgewonnen und könnte sie behalten; aber ich will nichts davon haben. Doch sein Gold und Silber und seine Juweelen und Kleinodien die [272] will ich mit mir nehmen, und die ladet mit auf meine Wägen und Kameele. – Und sie waren gehorsam und richteten alles aus, wie Hans es befohlen hatte.

Nach zwei Monaten waren sie fertig, und Hans und seine schöne Braut machten sich auf den Weg, und die drei großen Hunde liefen neben dem prächtigen Staatswagen her, in welchem Hans und seine Braut saßen; und das Gefolge der Wüste war auch mit, ohne der Huhuhu! und der Hunger und Durst. Denn Hans sagte: Die Leute würden mich als einen Übelthäter und Narren empfangen, wenn ich drei so ungeschlachte Gesellen mit nach Deutschland brächte, wo es der Nimmersatte genug hat; sie gehören in Afrika und in der Wüste zu Hause, und da sollen sie bleiben. Es zogen aber sonst noch viele tausend Christen und ein anderes unsägliches Geleit und eine unzählige Reihe Wägen mit. Und sie hatten eine ganz lustige und angenehme Reise, wie sie wohl nie eine Karavane durch die Wüste gehabt hat; denn Blasius war mit und spielte den ganzen Tag ein kühles und anmuthiges Lüftchen auf, und blies des Nachts alle Mücken Schlangen und Skorpionen weg.

Als Hans nun nach einem Zuge von sieben Wochen an den Nil und in die Stadt Alerandria am Meer gekommen war, tief er alle Christen, die mit ihm gereist waren, zusammen, schenkte ihnen viel Silber und Gold und sprach zu ihnen: Gott sey mit euch, und erhalte euch in seinem rechten Glauben! und hier nehmet dies Geld und theilt es christlich unter euch, und gehet hin und miethet euch Schiffe und reiset ein jeder wieder in das Land, wo [273] er geboren ist. Er selbst aber miethete sich ein Schiff für Hispanien und Sevilien und stieg ein mit feiner Braut und seinem Gefolge und seinen drei Hunden und mit allen seinen Schätzen. Und Herr Blasius mußte einen günstigen Wind aufspielen, und so segelten sie den dritten Tag in die schöne Stadt Sevilien ein, und besuchten dort den alten König, den Vater der schönen weißen Prinzessin aus Hispanien. Und der alte König hat sich sehr gefreut und Gott gedankt, daß seine Tochter aus dem bösen Heidenlande erlöst war, und hat sie dem Hans gern und fröhlich zum Gemal gegeben, welcher nun der Ritter Hans mit den drei Löwen genannt ward. Hans aber ist manchen schönen Tag und Monat in Hispanien geblieben; endlich aber ist ihm das Herz sehnlichst nach der lieben Heimath gestanden, und er ist vor den alten König getreten und hat gesprochen: Herr König und mein Herr Vater! ich bin lange bei euch geblieben und habe meines Gelübdes der Heimkehr und meines Landes und meiner Gefreundten hier in der Freude fast vergessen. Nun aber mahnt mich das Gesetz Gottes und die Sehnsucht und Liebe des Vaterlandes an die Rückkehr in meine Heimath, da ich so manche Jahre auf Abentheuer in der Fremde umhergefahren bin. Auch habe ich noch einen alten Vater, den mögte ich gern sehen, ehe er stirbt. Der König bat ihn freilich viel bei ihm in Hispanien zu bleiben, aber endlich konnte er es ihm nicht weigern, wiewohl er über den Abschied sehr traurig war. Und auch die Prinzessin seine Tochter war sehr traurig; doch ist sie gern mit Hans gezogen, denn sie hatte ihn lieber als ihr eignes Herz. [274] Und den andern Tag sind sie mit einem Schifflein vom Lande gestoßen, und Blasius hat in die Segel geblasen, und das Schiff ist dermaaßen geflogen, daß der geschwindeste Falk nicht hätte folgen können. Und sie sind durch das Spanische Meer und durch die Deutsche Nordsee gesegelt, und den vierten Tag in die Elbe eingelaufen und so immer geschwind durch Blasius glücklichen Athem Hamburg vorbei nach Magdeburg gekommen, von wo es nicht mehr weit ist nach dem Lande Mansfeld. Da hat Hans sich ein paar Dutzend Wägen gemiethet für sich und sein Gefolge und seine schweren Schätze, und auch für seine drei Hunde einen gedeckten Frachtwagen, worin sie jetzt eingesperrt wurden. Denn Hans sagte: Ich kann meine drei Löwen nicht neben mir laufen lassen, denn welche deutsche Herberge würde mich dann aufnehmen wollen? solche Hunde sind bei mir zu Lande etwas ungewöhnlich und könnten die alten Weiber und die Kinder auf der Landstraße erschrecken und eine ganze lärmende und schreiende Jagd hinter mir herziehen.

Und den dritten Tag nach der Abfahrt von Magdeburg ist Hans in die Stadt Eisleben eingefahren und hat unter dem Namen der Ritter mit den drei Löwen in der besten Herberge sein Quartier genommen. Und alle Leute sind verwundert gewesen über die Pracht und Herrlichkeit des Ritters und über seine schöne hispanische Frau. Am meisten aber hat es Gerede gegeben, daß er mit den drei gewaltigen Thieren, die er nur seine Hündchen nannte, auf den Straßen spazieren ging, und daß diese Hündchen zahm und freundlich keinem Kinde was zu Leide thaten, [275] und daß sein wunderlicher Diener der Bausback ihm immer zur Seite ging; denn der mußte immer mit seyn auf den Spaziergängen, damit er die Winde in der Luft regierte, wenn sie dem Ritter zu heiß oder zu kalt wurden, und sie ihm nach Gefallen kühlte oder wärmte und unwillkommene Regenwolken wegbliese.

Und bald ist es weit umher über das ganze Land erschollen, es sey in Eisleben ein asiatischer Prinz angekommen, der so viele Demanten habe als die Mansfelder Kupfer- und Eisen-Steine. Und es lief manch seltsames Geschrei und Gerücht über diesen asiatischen Löwenprinzen und über sein schönes Gemal, von welchem sie sich erzählten, sie sey des Großtürken oder des Großmoguls Tochter und von dem habe er sie nebst den Edelsteinen und Demanten ihres Vaters entführt.

Hans aber, nachdem er vier fünf Tage in Eisleben gewesen, ging zu dem alten Herrn Bürgermeister und sagte zu ihm: Herr Bürgermeister, ihr erinnert euch noch wohl, wie vor fünf Jahren ein armer Schuhmachergesell eurem Sohn bei’m Spiel den Kopf zerschellte, und den seht ihr nun hier, der bin ich. Und ich komme nun wieder in mein Land und bitte euch, vergebt mir die unschuldige Schuld; denn ich habe es ja nicht mit Willen gethan. Und der Bürgermeister erstaunte und erschrack, und rief voll Verwunderung: Ihr, gnädiger Herr wäret jener Schuhmachergesell Hans, des alten Martin Isbrand Sohn? Ihr geruhet Scherz mit mir zu treiben und mit Mährchen zu erzählen – denn wie sollte das zugehen? Es geht in der Welt vieles anders zu, als die Menschen denken, ant– [276] wortete Hans, wie das Sprichwort sagt Der Mensch denkts und Gott lenkts oder wie ein anderes Sprichwort spricht Kinder werden auch Leute. Glaubt mir, ich bin jener Hans der Schuhmachergesell, und vergebt mir. Und der Bürgermeister sprach wieder: Sollte es möglich seyn? Jst es denn so, wie ihr saget, so vergebe euch Gott im Himmel, wie ich euch längst vergeben habe! Und Hans sprach wieder: Es ist wahr und wahrhaftig so, und es begeben sich immer noch Wunder – und dann fiel er dem alten Mann um den Hals und küßte ihn freundlich, und gab ihm eine schöne Demamtschnur, und sprach: nehmt das zum Andenken und als einen Brautschatz für eure jüngste Tochter. Und so sagte er ihm Lebewohl.

Und nun war gleich sein zweiter Gang zum Meister Peters, dem guten alten Schuhmacher, bei welchem Hans seine Lehrjahre durch gedient hatte. Und es traf sich, daß das Gerücht von dem abentheuerlichen asiatischen Prinzen den alten Martin Isbrand auch nach Eisleben gelockt hatte. Und er saß eben in freundlicher Traulichkeit in seines Gevatters Peters Stübchen bei einem Kandel Bier, und sie plauderten über den wunderbaren Fremdling, der in ganz Eisleben die Köpfe umkehrte, und siehe! da trat der stattliche Ritter herein, seine drei Hündchen aber legten sich vor des Schuhmachers Thür hin. Und die beiden Männer erstaunten, als der glänzende und prächtige Herr hereintrat, und standen ehrfurchtsvoll hinter dem Tische auf und verneigten sich, die Mützen in der Hand, und wußten nicht, wie ihnen geschah und was der Fremde hier doch [277] wolle. Hans aber winkte und bat, sie mögten sich wieder setzen, und er hatte sich vorgenommen ein scherzhaftes Spiel mit ihnen zu spielen und sich allmälig in feiner wahren Gestalt zu erkennen zu geben; aber es ward ihm bei dem Spaße bald des Ernstes zu viel, und er mußte scherzhafteren Leuten den Scherz lassen. Denn als er die beiden alten lieben und treuen Gesichter sah, schwoll ihm sein Herz zu voll und dick von Liebe, und er konnte nicht spielen und scherzen, ja kein Wort konnte er nicht sagen. Und zuletzt konnte er sich nicht länger halten und mußte dem alten Martin um den Hals fallen und ihn tausendmal küssen und bitterlich weinen. Darauf umhalste und küßte er seinen alten Meister auch, und rief endlich: Kennt ihr euren Sohn nicht mehr? Vater, kennt ihr Hans Isbrand nicht mehr? Und der alte Martin schaute ihn lange wie blöde und erstaunt an, und betrachtete ihn dann genauer, und sagte: Ja, wie konnte ich meinen Hans Laufindiewelt unter einem solchen Rock suchen? und wie könntest du mein Hans seyn, Herr, wenn du auch so aussiehst? Denn das seh ich wohl, und mir ist gleich wunder1ich genug zu Muthe gewesen, als du hereintratest und mich dann an deine Brust drücktest; du siehst wahrhaftig wie der Hans aus, und wenn ich in deine freundlichen großen blauen Augen gucke, so glaube ich deiner seligen Mutter Augen zu sehen, und die starken Knochen hast du nach mir. Aber sage mir denn noch einmal: bist du denn wirklich mein Hans? Und Hans betheuerte es zum dritten und vierten Mal, und dann streifte er sich den Wams über die Lenden und Hüften auf und rief: Schau hier, [278] Vater Martin! hier die Narbe, welche des Hufeisen deines Grauschimmels mir als ein unauslöschliches Zeichen eingetreten hat – und dann umhalste er die Alten von nuem und küßte und herzete sie inbrünstiglich, bis er ihnen die Furcht und Blödigkeit wegküssete und die volle und ganze alte Liebe und Traulichkeit wiederkam. Und nun saßen die drei in Freuden ein paar Stunden mit einander, und Hans ließ vom besten Wein holen, der in Eisleben zu haben war, und sie tranken einander das frohe Willkommen zu, und Hans mußte den Alten nun alles erzählen, wie Gott ihn wunderbarlich und gnädiglich durch alle Abentheuer und Gefahren geführt und das Unglück in Glück verwandelt habe. Doch davon hat er ihnen später noch manchen schönen Abend mehr erzählt.

Hans, nachdem er sich mit ihnen eine Weile so gefreut, nahm die alten Männer mit zu seinem schönen Gemal, daß sie auch daran sich freuen mögten. Und der alte Peters, von Wein und Freude erlustigt und ermuthigt, sprang bei dem Anblick der schönen Prinzessin wie ein Kind im Kreisel herum und rief: Viktoria! Viktoria! Herr Hans, das muß ich sagen, die schönste Prinzessin unter der Sonne! und meiner Seel der feinste Fuß, der je in einen feinen Schuh gestiegen! Habe in meiner Jugend auf meiner Wanderschaft vieler großen Potentaten Länder und Städte gesehen , aber ein solches Wunder haben meine Augen nirgends erblickt.

Und die andern Tage mußten die Schwestern und Brüder auch alle hergebracht werden und sich freuen, daß ihr Hans ein so großer und stolzer Herr und Prinz ge– [279] worden war. Hans war aber von Herzen demüthig und freundlich gegen sie alle und gegen seinen alten Vater fromm um gehorsam wie in den früheren Tagen. Und er hat die Alten und die Jungen so reichlich beschenkt von dem, was Gott und sein starker Arm ihm beschert hatten, daß die Kinder von Isbrand und Peters schöne Häuser bauen und Äcker und Güter kaufen und in Fülle und Freude leben konnten.

Und Hans blieb in dem Lande Mansfeld und ward ein mächtiger Herr in den Gränzen von Sachsen, der sich viele Schlösser baute und Land und Leute kaufte und andere mit dem tapfern Degen gewann. Und sie nannten ihn den starken Ritter Hans mit den drei Löwen oder auch den starken Hans schlechtweg. Und er hat ein großes Geschlecht gestiftet und es sind viele große ünd mächtige Fürsten und Herren aus ihm und der hispanischen Prinzessin entsprossen; und sie nennen darunter auch die weiland von Henneberg und Schwarzburg. Noch stehen Kirchen und Schlösser, die er gebaut hat, und sein gewöhnliches Haus und seine Jagdflur war an der güldnen Au; da lag sein Schloß auf dem Waldberge nicht weit von dem Kiffhäuser. Sonderlich aber hat die Sage mit seinem Namen und seinen Thaten gespielt. Weil er die Teufel und Hexenmeister hat überwinden und durch seinen Arm und seine Gesellen mit Gottes Hülfe und Rath so ungeheure Dinge hat vollbringen können, haben viele Leute ihn selbst für einen Zauberer gehalten und sind nach seinem Tode viele Wundergeschichten und Mährchen, die ihm nicht angehörten, von ihm erzählt worden. Die Menschen sagen [280] von ihm, daß man ihn mit seinem ganzen Gesindel um die Mitternacht oft noch um die Trümmer seines alten Schlosses hinbrausen und lärmen höre, auch daß er nächtlich mit seinen drei Hündlein oft durch die Forsten und Büsche als Waldmann streife. Wehe dann allen, welche sie auf verbotenen Wegen finden! Auch wollen ihn viele oft auf einem fliegenden Löwen durch die Luft haben reiten sehen. Dies alles mag glauben, wem es gefällt; wir aber können nicht glauben, daß ein Mann, der in seinem ganzen Leben nie log, ein Zauberer seyn konnte.

Und dies war die wahre Geschichte von dem starken Hans.