Der neue Berliner Müllschmelzofen
[516] Der neue Berliner Müll-Schmelzofen. (Mit Abbildung.)
In England aber hatte man bereits mit der Verbrennung des Kehrichts in passend konstruierten Oefen unter starkem Zuge begonnen. Man erzielte dabei nicht nur die Beseitigung der schädlichen organischen Bestandteile unter Produktion eines unschädlichen Asche- und Schlackenrückstandes, sondern erhielt noch einen Ueberschuß an Hitze, der sich zur Kesselheizung und zur Erzeugung von Dampfkraft und Elektricität verwenden ließ. Die Frage schien gelöst, und man versuchte diese Müll-Schmelzöfen auch in Deutschland einzuführen. In Hamburg glückte dies Experiment. Anders in Berlin. Der erste im Jahre 1895 probeweise auf dem alten Stralauer Wasserwerk im Anschluß an einen vorhandenen hohen Schornstein gebaute Kehricht-Verbrennungsofen bedeutete ein vollständiges Fiasko. Londoner und Berliner Müll erwiesen sich eben als zwei ganz verschiedene Dinge. Jener brennt leicht und fast ohne Zusätze, da er eine Menge unverbrannter Kohleteilchen besitzt; dieser wird durch seinen Gehalt an Brikettasche – ganz Berlin feuert in den Stubenöfen fast nur Briketts – nahezu unverbrennlich gemacht.
Inzwischen hatte die Gesellschaft „Müllschmelze“, Inhaberin eines Patents Wegener, Versuche mit einem nach diesem Patent auf der Gitschinerstraße erbauten Ofen angestellt und völlig befriedigende Resultate erzielt. Das, wie unsere Abbildung zeigt, in einer Retorte dem Ofen staubfrei zugeführte Müll wird hier durch eine Wärme von 800 Grad vorgetrocknet und in seinen brennbaren Bestandteilen vergast und gelangt nun unter Zuführung von Kohlenstaub bei 1800 bis 2000 Grad in dem großen Schachtofen zum Schmelzen. Der Rückstand, die unverbrennbare, geschmolzene Schlacke, etwa 10% der Einschüttung, fällt weißglühend in ein zu ebener Erde angebrachtes großes Wasserbecken. Die schematische Darstellung in der linken unteren Ecke unserer Abbildung gewährt dem Leser ein klares Bild der Konstruktion dieses Ofens.
Der Betrieb des Ofens ist am 8. März d. J. eröffnet, und der Ofen arbeitet bis jetzt geruch-, rauch- und staublos, völlig tadelfrei. Augenblicklich werden bei Tag- und Nachtbetrieb 1000 Centner Müll täglich geschmolzen. Die überschüssige Wärme, die am Eingang zum Fuchs, d. h. zum Kanal, der die Feuergase aus dem Feuerraum zum Schornstein leitet, noch 1250 Grad beträgt, ist leicht auszunutzen und würde bei Schmelzung des Berliner Gesamtmülls eine sehr erhebliche Anzahl von Pferdekräften ergeben. Die Schlacke hat man versucht zu zerstampfen und als Schmirgelmaterial zu verwenden. Sie soll nach den bisherigen Versuchen den Härtegrad des Feuersteins besitzen und würde in dem Falle z. B. Glas- und Schmirgelpapier völlig ersetzen können. Sie hat sich ferner vollständig säurefest erwiesen und müßte, allmählich abgekühlt, zur Herstellung feuer- und wetterbeständiger Steine, Glasflüsse u. dgl. sehr geeignet sein. Ferner läßt sich dieser Rückstand zur Aufschüttung von Wegen, Eisenbahndämmen und als Ersatz von Kies bei Betonpflasterungen verwenden. Dem Asphalt zugesetzt, soll er diesem die Glätte nehmen.W. Berdrow.