Der kleine Lauscher
Der kleine Lauscher.
Himmel, durch so eine Ritze im Zaun,
Da kann man ja schöne Geschichten schaun!
Was könnt’ ich nicht alles zusammenschreiben
Ueber der Menschen Thun und Treiben!
Ach Gott und ich wüßte noch hundertmal mehr,
Wenn ich nicht gar so ein Kleinchen wär’!
Es ist zum Weinen: doch dann und wann
Hab’ ich die Ritze und reich’ nicht heran!
Seht selbst: wo bliebe denn heut’ mein Kopf,
Hätt’ ich nicht Bauer und Blumentopf?
Die Menschen – die Menschen! Ich sag’ es ja!
Mit rotem Kopfe sitzen sie da,
Reden nicht, singen nicht – ’s ist kurios,
Und das Mädel hat lauter Blumen im Schoß!
Was sollen denn nur die Blumen dabei?
Sie sind auch gar zu schüchtern, die zwei!
Man kann sich wirklich zu Schanden grämen:
Wenn die beiden doch endlich mal weiterkämen!
Potztausend, was seh ich? – Da bin ich gespannt!
Er nennt ihren Namen – er faßt ihre Hand?
Ueber und über erglüht ihr Gesicht,
Aber sich wehren – das thut sie nicht!
Und wie er nun selig die Hand ihr drückt,
Und wie er nun näher und näher rückt –
Es scheint, nun ward er sich wirklich schlüssig,
Da bin ich am Ende ganz überflüssig!
Nun wird es verdächtig – der erste Kuß – ?
Runter, mein Junge! Für heute Schluß!
Denn mag der erste ein Wagnis sein:
Die folgenden küssen sie von allein!
Fritz Döring.