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Der gespenstige Lautemann zu Zittau

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der gespenstige Lautemann zu Zittau
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 217–218
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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Bild
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Bearbeitungsstand
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[217]
823) Der gespenstige Lautemann zu Zittau.
Willkomm a. a. O. Bd. I. S. 260. sq.

Zu der Zeit, als noch die Johanniskirche zu Zittau stand, ließ sich zuweilen ein Franciscanermönch im Glockenstuhl des Thurmes sehen, griff an den Strick, als wolle er die sogenannte Bürger- oder Bierglocke, die Abends um 9 Uhr geläutet ward, ziehen, legte aber jedes Mal seine Kutte zuvor ab, als hindere ihn diese bei seinem Geschäfte. Diese Gelegenheit paßte nun einmal der wirkliche Lautemann ab: während er den Mönch mit dem Stricke beschäftigt sah, nahm er ihm seine abgelegte braune, etwas schadhaft gewordene Mönchskutte, knöpfte sie sich unter den Rock, und ging höhnisch lachend, als er sah, wie der halbnackte Mönch mit wahrer Seelenangst nach derselben suchte, nach Hause. Am nächsten Abend knöpfte er die Kutte wieder unter seinen Rock und ging wohlgemuth, nur etwas früher als sonst, nach der Kirche. Allein sein Muth fiel gewaltig, als er schon von Weitem die dürre Gestalt des Mönchs erblickte, wie sie die Hande rang und die leidenschaftlichsten Geberden machte. Froh, daß ihn der Weg nicht gerade an dem kuttenlosen Geiste vorüberführte, eilte er in den Thurm, läutete und schlich sich eben so wieder nach Hause, ohne daß ihn die Gestalt verfolgte. Es schien, als sei sie in bestimmte Grenzen gebannt, die sie nicht überschreiten dürfe. Seit diesem Abend sah der Lautemann den Mönch alle Tage immer dieselben flehenden, aber heftigen Gebehrden gegen ihn machen, allein so unwohl ihm bei diesem Anblicke wurde, die Rückgabe der Kutte wagte er nicht, aus Furcht, der geneckte Geist möge keinen Spaß verstehen und ihm vielleicht gar den Hals brechen. So blieb nun die geisterhafte Mönchskutte im Besitze des Lautemanns bis zu dessen Tode, der freilich schon ein Jahr nach dem freventlich verübten Raube erfolgte. Denn war [218] es nur Furcht vor dem täglich erscheinenden Gespenste, oder war es Seelenangst und Folge der Gewissensbisse, die ihn keine Ruhe mehr ließen, der Mann fing an zu siechen, wurde schwächer und schwächer und genau am Jahrestage des Kuttenraubes starb er mit dem letzten Glockenzuge. Sein Nachfolger konnte sein Amt ungestört verrichten, nur am Jahrestage des verübten Frevels erschien fortan der kuttenlose Mönch und flehte unter entsetzlichem Händeringen um Rückgabe des dürftigen Gewandes. Da man trotz alles Suchens die geraubte Kutte nicht auffinden konnte – der übermüthige Räuber hatte sie wahrscheinlich vernichtet – so verschaffte man sich eine andere und legte sie dem flehenden Geiste an den Ort, wo er regelmäßig erschien. Die Gestalt hob das Gewand auf und besah es sich von allen Seiten, da sie aber bemerkte, daß es nur ein untergeschobenes sei, legte sie dasselbe wieder hin und ging unter den kläglichsten Geberden von dannen, und so kehrte sie immer wieder, bis mit dem Bombardement der Stadt im 7jährigen Kriege der Thurm in Trümmer sank.