Zum Inhalt springen

Der fromme Lukas

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Friedrich Wilhelm Krummacher
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der fromme Lukas
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 604–606
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[604]
Der fromme Lukas.

In jener goldnen, sonnenlichten Zeit,
Wo noch die Englein freundlich uns umschwebten,
Nur Liebesklänge durch die Fluren bebten,
Wo sternenhell, in stiller Einsamkeit,

5
Die Tugend groß und hehr im Herzen blühte,

Und Gottes Geist die Menschenwelt durchglühte; –
Schon viele hundert Jahr’ sind hingefloh’n; –
Da lebte, an bekränzten Moosaltären
Den eingebornen Gottessohn,

10
Den Menschenheiland, brünstig zu verehren,

Der fromme Lukas. Buchenzweige woben
Zum Gotteshaus ihr schattenkühles Dach.
Fern hörte man des Neckars Welle toben,
Und zu dem lauten Wogenschlag

15
Scholl mächtig, mit dem Hall der goldnen Saiten,

Des Sängers Lied, wie heilig Glockenläuten.

Durchs ganze Land erscholl die süße Kunde,
Und wo ein Herz im wilden Drange schwoll,
Wo eine Brust war banger Zweifel voll,

20
Und keine Heilung fand die grause Wunde,

Da eilte man zu Lukas’ stiller Hütte;
Mit seinem Trostwort schwebte Himmelsruh’
Und Friede den zerrissenen Seelen zu;
Und fröhlich wallte aus des Haines Mitte,

25
Was traurig und mit Schuld beladen war.

So wogte man dahin von Jahr zu Jahr;
Schon wehen Silberlocken um sein Haupt,
Die Wange bleicht, die matten Schritte wanken,
Der Winter naht, die Eiche steht, entlaubt,

30
Schon fühlt er mehr und mehr den Leib erkranken,

Es sinnt der helle Geist in stiller Freudigkeit
Grab, Tod und Ewigkeit – erhabene Gedanken!

Der Morgen flammt aus duft’gem Nebelschleier
In königlicher Herrlichkeit hervor;

[605]
35
Ein heilig Lied steigt zum Azur empor

Und ernster rauscht die gottgeweihte Leier,
Und immer lichter glüht der heil’ge Funken
Der Andacht in des frommen Greises Brust;
Er kniet am Moosaltar, sich selber kaum bewußt,

40
In Gottes Lieb’ und Ehrfurcht hingesunken,

Da rauscht’s im Haine wunderbar,
Wie wenn sich Geister in den Aesten wiegen;
Der sel’ge Traum entflog, die Saiten schwiegen –
Ein bleicher Waller trat vor den Altar,

45
In dürftigem Gewand, gelehnt am Wanderstabe,

Und bat um eine milde Gabe.

„Gott segne dich!“ Mit diesem trauten Wort
Führt Lukas zu der stillen Buchenhütte
An seiner Hand den armen Pilger fort,

50
Denn kaum noch trugen ihn die müden Schritte;

Er trocknet sein Gewand und beut
Ihm süße Labung dar für die erschöpften Glieder,
Und als er ihm ein Bett von weichem Moos gestreut,
Da schließen sich die schweren Augenlieder,

55
Und heller Glanz umweht, wie Sternenlicht,

Des Pilgers bleiches Angesicht.

Doch Lukas eilt mit leisem Schritte
Ins stille Kämmerchen hinein
Und fleht in liebevoller Bitte:

60
„Erlös’ ihn, Herr! von seiner Pein,

Und wolle Trost und Frieden ihm verleih’n!“
Er sprichts und hofft auf Gottes Segen;
Da fliegt in hehrer Lichtgestalt
Der Pilger ihm verklärt entgegen;

65
Ein schneeiges Gewand umwallt

Den hohen Leib’ und wunderbar
Erglänzt das milde Augenpaar.

„Erhört ist dein Gebet!“ – ruft ihm der Engel zu, –
„Auf! gehe freudig ein in Gottes ew’gen Frieden,

[606]
70
In’s Reich der Lieb’ und süßen Himmelsruh’!

Du hast getröstet und geliebt hienieden,
Drum sey ins ew’ge Liebesland beschieden!“ –

Er sprachs, und wundersüße Harmonie’n
Erschollen himmlisch in den Buchenzweigen;

75
Der Greis will sich vor ihm zur Erde neigen,

Doch freundlich richtet ihn
Der Engel wiederum empor,
Und küßt ihm die verklärten Blicke;
Die starre Hülle bleibt im stillen Thal zurücke,

80
Es öffnet sich das goldne Sternenthor;

Der Greis entschwebt, dem schönen Jüngling gleich,
Ins Paradies, ins lichte Himmelreich.

Ein grüner Hügel birgt die morsche Hülle,
Und aus des Haines heil’ger Stille

85
Hallt noch manch brünstig Flehn empor;

Denn wo voreinst das grüne Hüttchen stand,
Glänzt jetzt ein Kirchlein, Himmelreich genannt.

Hörst du der frommen Pilger Chor?:
Sieh, Vater, gnädiglich auf uns herab,

90
Birg unsern Leib ins kühle Grab,

Und unsern Geist heb’ in Dein Reich empor!“

F. W. Krummacher.

Beide vorigen Legenden ergänzen sich; während Kopisch den Tod Friedhildens zum Gegenstand seiner Dichtung macht, behandelt Krummacher den nicht weniger schönen Tod Grißo’s, der den christlichen Namen Lukas angenommen hatte, und bringt damit die fromme Sage vom Michaelsberg in Verbindung.

(Vergl. J. Baader’s „Sagen der Pfalz, des Neckarthals etc.“)