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Der deutsche Schulverein in Oesterreich

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Textdaten
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Titel: Der deutsche Schulverein in Oesterreich
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 742–743
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Der deutsche Schulverein in Oesterreich.


Eine objective Würdigung der überaus verwickelten Parteiverhältnisse in Oesterreich ist für uns im Reiche sehr schwer. So mag es auch kommen, daß der zähe Kampf, den unsere Stammesgenossen in Oesterreich gegen die gewaltsam hereinbrechende Hochfluth des Slaventhums seit mehr als einem halben Jahre zu bestehen haben, bisher nicht jene Beachtung bei uns fand, welche verwandte Bestrebungen für Erhaltung der Eigenart anderer germanischer Völker zu finden pflegen.

Die entferntere Vorgeschichte dieses Kampfes in Oesterreich ist zu bekannt, als daß wir hier auf dieselbe zurückkommen könnten. Unmittelbar vorbereitet und eingeleitet wurde der jetzige Kampf durch die den slavischen Bestrebungen mehr als wohlwollende Haltung, welche das vor Jahresfrist an’s Ruder getretene Ministerium bekundete. Sofort erschienen die czechischen Abgeordneten auf ihren lange verwaisten Parlamentssitzen. Hand in Hand mit den polnischen, feudalen und clericalen Fractionen begannen sie, immer auf dem Boden der Verfassung stehend, den Kampf gegen die Verfassung, indem sie dieselbe, und zwar stets nur von Fall zu Fall, ihren national-reactionären Absichten entsprechend umzudeuten oder zu modificiren suchten. Aus der bisher beliebten Negirung der Verfassung entwickelte sich naturgemäß ein planmäßig eingeleiteter und betriebener Kampf gegen alles Deutsche, dessen Vertreter sich der Mehrzahl nach gezwungen sahen; sich in der Defensive auf den leider lange genug perhorrescirten deutsch-nationalen Standpunkt zu stellen. Zunächst entbrannte im Frühling dieses Jahres der Kampf auf das Heftigste aus Anlaß der von der Regierung ausgegebenen Sprachenzwangs-Verordnung. Nach derselben sollte Jedermann das Recht zustehen, sich einer beliebigen im Lande gesprochenen Sprache im Verkehr mit den öffentlichen Behörden zu bedienen und die Erledigung in derselben Sprache zu fordern.

Wenn man bedenkt, daß beispielsweise im nördlichen und westlichen Böhmen, in Nordsteiermark und Nordtirol meilenweite Distrikte nur von Deutschen bewohnt werden, dennoch in denselben von Jedermann eine czechische, slovenische oder italienische Amtshandlung provocirt werden kann, so liegt es auf der Hand, daß diese Verordnung einer förmlichen Austreibung aller deutschen Richter und Beamten gleichkommt. Denn daß die Czechen, dank ihrer untergeordneten Culturverhältnisse, gezwungen sind, sich frühzeitig des deutschen Idioms zu bemächtigen, dagegen der Deutsche jede andere Cultursprache eher als das für ihn ziemlich werthlose Czechische zu erlernen bestrebt ist, bedarf wohl keiner weiteren Rechtfertigung. Es ist daher begreiflich, daß diese Sprachenverordnung einen wahren Sturm von Protesten aus allen deutschen Bezirken und Gemeinden Oesterreichs entfesselte. Wir sagen absichtlich aus den „deutschen“ und nicht aus den „verfassungsmäßigen“ Bezirken; denn daß irgend eine polnische oder ruthenische Gemeinde aus Galizien – und Galizien hat die Jahre über mit recht ergiebigem Nutzen zur Verfassung gehalten – sich diesen Protesten angeschlossen hätte, ist uns nicht bekannt.

Die Regierung, sehen wir von etlichen Beschwichtigungsartikeln und Erklärungen ab, that nichts, was einer Rücknahme der Verordnung gleich [743] sah. Ist es da ein Wunder, daß der für seine Stammesart warmfühlende Deutsche Oesterreichs, dieser treueste und loyalste Diener seiner Dynastie, dieser Grundpfeiler des österreichischen Staatsgebäudes, der nie sein Gut und Blut für dessen Erhaltung gespart, bangen Blickes in die Zukunft sieht?

Obige Gedankengänge bildeten den ungefähren Inhalt einer Unterhaltung, welche eine kleine Tischgesellschaft an einem schönen Maienabend dieses Jahres in Wien führte. Man müßte sich gestehen, daß die Zeit erfolgloser Proteste und unwürdiger Klagen vorüber sei, daß nur die That, wenn auch die mühevolle, hier einzig dem Deutschen zieme. Man war sich klar bewußt, daß in dem bevorstehenden Kampfe nur ein Sieg durch innere Macht feste Dauer verspreche, also ein Sieg, der auf dem Boden und mit dem Herzen und Geiste des Volkes gewonnen sei; wollte man aber das Volk für diesen Kampf befähigen, so müßte man eine neue Generation dazu erziehen, und für sie ist die Schule das Rüsthaus. Völkern ist der Ausspruch gestattet: „wir können warten“, wenn sie sich die Zukunft sichern. Und so ward in demselben Geiste auch hier im kleinen Kreise, lautlos, ohne viel ängstliches Erwägen, aber mit dem Gelöbniß im Herzen, für die Kraft des deutschen Volksstammes jederzeit das Beste daran zu setzen, der „Deutsche Schulverein“ gegründet.

Es klang wie eine ernste Mahnung zu thatkräftig nationaler Arbeit, als von Kraus unter allseitiger Billigung rückhaltslos bekannte: „Insbesondere ist es ein großer Irrthum unserer Deutschen in Oesterreich, daß sie sich rücksichtlich ihrer sprachlichen Propaganda eine von selbst wirkende Kraft gegenüber den anderen Nationen Oesterreichs beimessen. Diesen Irrthum zu zerstören, wird ein nicht geringes Verdienst unseres Schulvereins sein. Auf die Dauer geht es doch nicht an, sich bei dem geläufigen Schlagworte zu beruhigen, daß unsere Sprache sich gerade gut genug für die Rolle des allgemeinen Culturferments eigne, und uns kann das offene Geständniß nur frommen, daß die Kraft, fremde Elemente unserer Eigenart zu assimiliren, thatsächlich eine höchst geringe sei.“

Nunmehr besorgt ein aus 25 Männern aus den verschiedensten Berufskreisen zusammengesetzter Ausschuß die laufenden Geschäfte des Schulvereins. An der Spitze desselben steht der seiner Thatkraft wie seiner fachmännischen Kenntnisse wegen hochgeschätzte Landtagsabgeordnete und Rechtsanwalt Dr. Moritz Weitlof. Ihm zur Seite, als Stellvertreter, fungirt Prof. Dr. Victor von Kraus. Die Geschäfte des ersten Schriftführers besorgt Engelbert Pernersdorfer, dem das bleibende Verdienst gebührt, die erste Anregung zur Gründung des Vereins gegeben zu haben. Der Ausschuß veröffentlicht von Woche zu Woche durch die Presse kurze Berichte über den Stand des Unternehmens. Schon sind nach vielen Seiten Unterhandlungen wegen Errichtung und Dotirung deutscher Volksschulen an bedrohten Punkten im Zuge. Wir hoffen, daß das Wuthgeschrei der slavischen Presse über den neuen Gegner, den sie – Gott sei es gedankt – zu fürchten anfangen, den Ausschuß in seiner mühevollen Arbeit nicht irre machen wird. Man möge das österreichische Staatsinteresse hervorheben, wie man wolle, man wird den Deutschen trotz aller Angriffe von czechischer Seite ihre deutsche Gesinnung nicht aus dem Herzen reißen können. Der Deutsche in Oesterreich weiß doch, daß das, was er durch seine Schule für die Ausbreitung seines Volksstammes thut, in letzter Linie dem Glanze und der Wohlfahrt der Gesammtmonarchie zu Gute kommt.

Als eine höchst erfreuliche Thatsache müssen wir noch verzeichnen, daß seit zwei Monaten kein Tag vergeht, an welchem nicht fünf bis zehn öffentliche Körperschaften (als Bezirksvertretungen, Stadt- und Landgemeinden, Turner- und Feuerwehrvereine, Sparkassen etc.) dem Vereine mit namhaften Spenden beitreten. In diesem Augenblick ist statutarisch die Organisation des Vereins insofern eine centralistische, als Wien der alleinige Sitz desselben ist. Auch dies soll in Kürze zum Besten des Ganzen dahin geändert werden, daß zahlreiche Unterverbände in den einzelnen Bezirken durch Uebernahme der in’s Massenhafte anwachsenden Arbeiten des Centralhauptverbandes in Wien diesem hülfreich zur Seite stehen werden.

An harter Arbeit hat es dem damals gewählten Comité nicht gefehlt. Daß in den Reihen der Czechen dem Vereine recht energische und ungeberdige Gegner, die sofort nach der Polizei rufen, erstehen müßten, fiel zunächst nicht in die Wagschale. Mehr beschäftigte die Frage, wie die eigenen Stammesgenossen sich zur Sache verhalten würden; denn wer kennt als guter Deutscher nicht die große Schaar der Halben, der Opportunitätsmenschen, der sogenannten „Auchdeutschen“, deren A und O lautet: „Um Gottes willen nur nicht dem Herrn oder der Gemeinde vor den Kopf stoßen!“ dann die stillen, vorsichtigen, aber desto einflußreicheren Gegner, die jedem Unternehmen abhold sind, auf welchem nicht von vornherein ihre segnenden Hände geruht. Allein alle diese Schwierigkeiten wurden von den sieben Männern des Ausschusses in sechs bangen Wochen der aufreibendsten Thätigkeit glücklich überwunden. Die rasch vollendeten Statuten erhielten die behördliche Genehmigung. Ein kerniger Aufruf des vorbereitenden Comités wandte sich in Tausenden von Exemplaren an alle Deutschen Oesterreichs um thätige Theilnahme. Was man an materieller Beihülfe forderte und noch heute fordert, ist ja so höchst geringfügig. Entweder einen Jahresbeitrag von einem Gulden (zwei Mark) oder einen Beitrag ein- für allemal von zwanzig Gulden (vierzig Mark). Dem ersten Aufrufe folgte ein zweiter, der die Unterschriften von hundertzwanzig Männern der verschiedensten Berufsstände mit Namen vom besten Klange trug und in die entlegensten Gaue Oesterreichs versendet wurde.

Am 2. Juli fand in dem Festsaale der Wiener Universitätsaula die constituirende Generalversammlung des Schulvereins statt. Ein gesunder, zur That bereiter Enthusiasmus beherrschte die wogende Menge, die in den weiten Räumen kaum untergebracht werden konnte. Der wackere Obmann des vorbereitenden Comité, Dr. Steinwender, begrüßte die Versammlung mit einer kurzen kernigen Ansprache, die dem Ernste der augenblicklichen Lage entsprach, und entwickelte in großen Zügen Zweck und Ziele des Vereines. Den Bericht über die Vorarbeiten zur Gründung erstattete Professor Victor von Kraus, welchem wir entnehmen, daß schon in den ersten Wochen drei- bis viertausend Beitrittserklärungen erfolgt waren. Die ausgegebenen Anmeldelisten bewiesen, daß kein Stand hierbei unvertreten blieb. Sicherlich war sehr Vielen die wirkliche Gefahr, in welcher schon lange in dem nur allzuvielsprachigen Oesterreich-Ungarn gerade die deutsche Sprache steht, jetzt zum ersten Male vor Augen getreten, denn schonungslos wies der Berichterstatter an einzelnen Beispielen den steten Rückgang des Deutschthums, namentlich an den Sprachgrenzen, nach.

Sollten wir es nach dieser Darlegung noch für nöthig halten, die Aufmerksamkeit und, was die Hauptsache ist, die Opferwilligkeit unserer deutschen Leser für dieses Unternehmen mit Worten besonderer Empfehlung wachzurufen? Wir betonen, der Verein ist ein nicht-politischer und wird es stets bleiben. Mag sein Einfluß noch so groß werden, mag er, was wir nur wünschen, auf die Gestaltung der politischen Parteien unter den Deutsch-Oesterreichern noch so läuternd wirken, der Verein selbst wird in der Förderung der deutschen Schule seine einzige Aufgabe erblicken. Es kann demnach Jeder ohne Unterschied des Geschlechtes und Standes, des politischen und confessionellen Bekenntnisses Mitglied des Vereins werden. Vor Allem wenden wir uns an die im deutschen Reiche zerstreut lebenden Deutsch-Oestereicher, die es wohl als ihre Ehrenpflicht ansehen werden, ihren bedrängten Stammesbrüdern in der Heimath mit ihrem Scherflein beizuspringen.

Aber auch an die Reichsangehörigen ergeht die Mahnung, der Deutschen in Oesterreich nicht zu vergessen. Begingen wir jüngst die erste Decennalfeier der glorreichen Erhebung Deutschlands aus alter Schmach, indem wir in wehmüthiger Erinnerung die Grabeshügel unserer wackeren Krieger frisch bekränzten, so wollen wir uns auch daran erinnern, daß sich in jenen bangen Tagen die österreichischen Brüder nicht nur mit ihren Segenswünschen, sondern auch mit reichen Liebesgaben bei uns einfanden.

Möge denn zum Heile unseres Nachbarstaates der deutsche Schulverein wachsen und gedeihen!