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Der deutsche Künstler-Verein in Rom

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Textdaten
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Autor: Blaschnik
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Titel: Der deutsche Künstler-Verein in Rom
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 160
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[160] Der deutsche Künstler-Verein in Rom. Auch die letzten Weihnachten hatte der deutsche Künstler-Verein seine festlich geschmückten, schönen Räume im Palazzo Poli, dessen imposanter Façade die klaren Wasser der berühmten Fontane di Trevi entströmen, der deutschen Fremdenwelt zur Theilnahme an der Festfreude des „Christbaumes“ geöffnet. Viele, sehr viele waren erschienen, nicht nur deutsche Landsleute, auch Fremde von jenseits des Oceans, denen deutsche Cultur und Sitte im Lichterglanze des Weihnachtsbaumes in den Wildnissen Amerika’s anheimelnd entgegengestrahlt hatte. Jung und Alt umstand freudigen Blicks den zwanzig Fuß hohen, prächtig geschmückten Christbaum, einen dunkelgrünen würzig duftenden Lorbeerbaum, der den Stall mit Krippe, „da Christ’ ein Kindlein lag“, anmuthig überschattete; dazu ertönten die feierlichen Klänge eines Bach’schen Präludiums, mit Orgel und Instrumentmusik ausgeführt. Die Kinder erhielten allerlei Geschenke an Spielsachen und Zuckerwerk, jede Dame einen Blumenstrauß, und Confitüren wurden auf Tellern allen Anwesenden angeboten. Der greise König Ludwig von Baiern fehlte niemals, wenn er in Rom war, an diesem Abend im deutschen Künstler-Verein. Von sechs bis acht Uhr Abends ist der Zutritt gestattet, bis dahin erlöschen allmählich die Lichter des Baumes und diejenigen Mitglieder, welche nicht durch Familienbande außerhalb gefesselt sind, vereinigen sich dann zum gemeinsamen Festmahle.

Erwähnen wir noch, daß fast den ganzen Winter hindurch jeden Sonnabend ein Gesellschafts-Abend, wozu Damen eingeladen sind, eingerichtet ist, an welchem Musikaufführungen von Dilettanten und Fachkünstlern, Gesangproductionen oder abwechselnd heitere, costümirte Vorstellungen stattfinden, und sich Tanzvergnügungen anschließen, bis endlich im Carneval der große Festball den Glanz- und Höhepunkt aller Unterhaltungen bildet: so ersieht man daraus, daß das deutsche gemüthliche Leben in diesen Räumen eine Heimath hat.

Dieses Institut des deutschen Künstler-Vereins in Rom ist ein sehr wohlthätiges für den fremd hierher kommenden jungen deutschen Künstler; es ist ihm eine freundliche[WS 1] Oase in der fremden Oede, mit einem Wort ein Stück Deutschland inmitten der alten Weltstadt. Die Benutzung einer viertausend Bände reichen Bibliothek steht den Mitgliedern offen, ebenso eine reiche, werthvolle Kupferstichsammlung. Im Lesezimmer finden wir aufliegend von Zeitungen: die Augsburger Allgemeine, die Kölner und National-Zeitung, die Leipziger Illustrirte, die Gartenlaube, die Fliegenden Blätter, den Kladderadatsch, das Lützow’sche Kunstblatt, die Literarischen Blätter, die Gewerbehalle und den Osservatore di Roma; daneben findet sich das Brockhaus’sche Conversationslexikon zum Nachschlagen aufgestellt. Der deutsche Vereins-Custode sorgt für preiswürdige Speisen und Getränke und der Eßsaal ist im Winter angenehm geheizt.

Bedenklich für den Verein hätte das Jahr 1866 mit seinen großen politischen Ereignissen werden können, die Sympathien und Antipathien dafür gruppirten sich in zwei Lagern, je nach den nord- oder süddeutschen Anschauungen, und der politische Hader schlug bald zur hellen Flamme aus und warf den Verein auseinander. Die Existenz des Vereins, da Viele fortblieben und absagten, war in Frage gestellt, es konnte nicht mehr auf „Borg“ fortgewirthschaftet werden, denn der Cassirer, der in frühern verhängnißvollen Momenten leihweise in den eigenen Beutel gegriffen hatte, lieh nichts mehr und erhob seine gerechten Ansprüche. Die Lage war sehr kritisch!

Zunächst sollte, um größere Ersparnisse zu erzielen, das Vereinslocal, an welches man noch drei Jahre contractlich gebunden war (die jährliche Miethe beträgt vierhundertundfünfzig Scudi) geräumt und anderweitig vermietet werden; in zwei irgendwo zu miethenden Zimmern sollten die Bibliothek und die andern Sammlungen untergebracht, der Custode sollte entlassen und so auf die ersten Anfänge zurückgegangen werden.

Aus diesem Verfall hätte sich der Verein wohl schwerlich mehr erhoben. Für den patriotisch fühlenden Vorstand war diese Erkenntniß sehr betrübend und beschämend. Am Monte Pincio erhaben über Rom, im stolzesten aller Paläste, der Villa Medici, thront die französische Kunst, kaiserlich vornehm! Das kleine Dänemark unterhält in Rom einen skandinavischen Verein, mit einem jährlichen Zuschuß von tausend Scudi; und die Deutschen sollten nicht haben, wo sie sicher ausruhen konnten!

Es war die alte, ekelerregende deutsche Misere! Eine Generalversammlung, einberufen, was unter diesen schwierigen Umständen zu thun sei, ergab kein Resultat, ja die beschlußfähige Anzahl der Mitglieder war gar nicht erschienen. Die Zeit drängte, denn das Deficit wuchs mit jedem Tage riesiger empor. In dieser Klemme beschloß der Vereinsvorstand, aus den Herren Mayer, Dreßler, Blaschnik, Hassenpflug, Bretschneider bestehend, sich in einer Eingabe mit siebenunddreißig Unterschriften, die Mehrzahl der treugebliebenen Vereinsgenossen, zumeist Norddeutschen, an den König Wilhelm von Preußen zu wenden, dem von nun an das Geschick die Leitung des größten Theils von Deutschland in die Hände gelegt hatte. Der Vorstand hat, da durch die politischen Ereignisse in Deutschland der hiesige deutsche Künstler-Verein mit erschüttert sei, um einen jährlichen Zuschuß von fünfhundert Thalern und um das bleibende Protectorat Seiner Majestät königlichen Gesandtschaft in Rom, um nöthigen Falls des Schutzes derselben sicher zu sein. Und der Vorstand hatte nicht umsonst gebeten, beide ausgesprochenen Wünsche wurden erfüllt; ja, sie wurden noch insofern übertroffen, als der König Wilhelm für die ersten beiden Jahre, anstatt fünfhundert, siebenhundertfünfzig Thaler bewilligte. Die Fortexistenz des deutschen Künstler-Vereins war hierdurch gesichert. Noch im Spätherbst des Jahres 1866 schloß sich daran die Stiftung eines preußischen Edelmannes, welcher sich verpflichtete, solange er lebe, jährlich vom deutschen Künstler-Verein in Rom für tausend Thaler Kunstgegenstände, Gemälde oder Sculpturen, zu erwerben, was nun schon seit drei Jahren seinen Fortgang genommen hat. Ebenso muß noch erwähnt werden das Vermächtniß einer hier verstorbenen preußischen adeligen Dame, die letztwillig ein Capital von siebentausend Scudi aussetzte, wovon die jährlichen Zinsen zur Unterstützung evangelischer deutscher Künstler verwendet werden.

Rom. Blaschnik. 

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: freudliche