Der Wunsch (Langbein)
Ein Neidhart und ein Geitziger gesellten
Lustwandelnd einst zum heil’gen Martin sich,
Und fingen an, um selbst für brav zu gelten,
Die ganze Welt zu mäkeln und zu schelten.
Sie sprachen nun auch viel zu ihrem Eigenlobe,
Und jeder rief: Ich bin ein Biedermann!
Der Heil’ge kannte sie, und sann
Auf eine scharfe Herzensprobe.
Als gute Christen, euch erkläret,
Und dadurch wohl verdient, daß ihr nicht unbegabt
Von mir zurück in eure Hütten kehret.
Wohlan, euch sey ein Wunsch gewähret! –
Was ihn gelüstet, zu verlangen.
Wer dieses Wunsches sich enthält,
Bleibt dennoch auch nicht übergangen.
Er soll das Glück, worauf die Wahl des Andern fällt,
Kampfrüstig hoben Geitz und Neid
Ihr Schlangenhaupt sogleich in beider Männer Herzen,
Und ihrer Bisse Folterschmerzen
Entflammten einen langen Streit.
Denn der Gedanke war für ihn schon Höllenpein,
Durch einen reichern Wundersegen
Den Sohn des Geitzes zu erfreun;
Und dieser ließ so wenig, als ein Stein,
Um nicht des Doppelglücks dadurch beraubt zu seyn.
So tief verstrickt in den Gewinden
Des Labyrinths der Selbstsucht, schien
Des Neidischen Verstand zuletzt vor Wuth zu schwinden,
Er schrie: „Du, Knauser, sollst durch mich nicht Schätze finden!
Denn horch, es ist mein Wunsch: Im Nu
Auf Einem Auge zu erblinden“. –
Urplötzlich fiel sein rechtes Auge zu,
In voller Blindheit Nacht den Geitzigen versinken.