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Der Wunderthäter in Boehle

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Textdaten
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Autor: R. E.
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Titel: Der Wunderthäter in Boehle
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 747–749
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Wunderheilung durch Pfarrer Wilhelm Hecking in Boele und damit verbundene massenhafte Reisen Kranker dorthin
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Der Wunderthäter in Boehle.

Ein Beitrag zur Geschichte des modernen Aberglaubens.

In Westphalen, etwa eine Stunde von Hagen entfernt, liegt das Dörfchen Boehle, eine katholische Ortschaft inmitten einer vorwiegend protestantischen Bevölkerung. Von den Höhen der umliegenden Berge schauen die Ruinen von Hohenburg und Vollmarstein, die Monumente von „Stein“ und „Vincke“ hernieder; ein fruchtbarer Boden liefert dem Landmann reichen Ertrag, und ringsumher ertönt das Klappern der Hämmer, „wo der Märker Eisen reckt“. Boehle selbst zeichnet sich durch nichts vor ähnlichen Dörfern aus; kein alterthümliches Gebäude erweckt in uns romantische Gedanken, keine hervorragende Naturschönheit hält uns gefesselt. Dennoch hat dieses kleine Dörfchen seit Jahren im Geruche der Heiligkeit gestanden; von den benachbarten Städten Hagen, Herdecke, Schwerdte etc. pilgerten seit langer Zeit am Frohnleichnamstage große Processionen zur Boehler Kirche, freilich winzig und unbedeutend gegenüber den Wallfahrten, die seit länger denn Jahresfrist zum wunderthätigen Pfarrer in Boehle angestellt werden.

Pfarrer Hecking.

Diese Kranken-Karawanen zeigen sich fast täglich; die Frühzüge der Bergisch-Märkischen Eisenbahn bieten mitunter ein wahrhaft widerwärtiges Bild, und an den Bahnhöfen der Stationen Herdecke, Westhofen, Cabel und Hagen sieht man eine Musterkarte menschlichen Gebrechens und Elends. Irrsinnige Männer und Weiber, Epileptische, Schwindsüchtige im letzten Stadium ihrer Krankheit, Krebsleidende, Gichtbrüchige und Verwachsene werden in die Wartesäle geschleppt; der Zudrang wurde an den Bahnhöfen zu Herdecke und Westhofen so groß, daß die Bahn-Direction zur Aufnahme der Kranken neben den Stationsgebäuden besondere Localitäten errichten mußte. Von diesen Orten aus wird durch Omnibusse, Droschken und Leiterwagen die Beförderung der Leidenden nach Boehle vermittelt, und sehr oft ist der Zusammenfluß von Hülfesuchenden so stark, daß die Verkehrsmittel nicht ausreichen und manche Kranke genöthigt sind, auf der Streu in Bauernhäusern zu übernachten. Häufig sind fünf- bis sechshundert Personen an einem Tage in der Boehler Kirche, um sich durch Gebet und Händeauflegen des alten Pfarrers Hecking Genesung zu verschaffen.

Das stärkste Contingent lieferte anfänglich das Münsterland, die Heimath jenes Volksstammes, der bekanntlich dem Aberglauben wie kein zweiter in Deutschland ergeben ist, während jetzt die Holländer, Ostfriesen und die Bewohner des Niederrheins hauptsächlich die Wanderschaft zu dem neuen „Schäfer von Nieder-Empt“ unternehmen. Die Witzblätter „Kladderadatsch“, „Funken“ und „Wespen“ ließen es an Spott und Satire nicht fehlen; die Gesellschaft „Ulk“ in dem benachbarten Haspe arrangirte zur Nachfeier der Hasper Kirmeß einen imposanten Festzug, um in Boehle den verhärteten Katzenjammer wegbeten zu lassen, aber bis heute florirt noch ungehindert der Curirschwindel des alten Pfarrers. Und wären es nur Leute aus den niedrigsten Volksschichten, arme Menschen mit vernachlässigter Jugendbildung und Erziehung, die dort Hülfe suchen! Bilden diese auch gemeinschaftlich mit Bauersleuten die Mehrzahl der Wundergläubigen, so knieen doch vor dem Boehler Altar auch Personen aus den ersten Ständen, Grafen und Freiherren, Männer und Frauen aus den reichsten Familien; Protestanten und Juden bitten neben den Kindern der alleinseligmachenden Kirche um den Segen des Wunderthäters. –

Die Gartenlaube bringt heute das Portrait dieses wunderlichen Heiligen. Pfarrer Wilhelm Hecking ist zu Nieder-Wenigern in Westphalen geboren und jetzt siebenzig Jahre alt. Seit vierunddreißig Jahren bekleidet er die Stelle des katholischen Pfarrers in Boehle, nachdem er zuvor in Altena an der Lenne Caplan gewesen. Sein Ruf als Wunderdoctor datirt seit etwa zehn Jahren; man brachte damals einen vom Veitstanze befallenen Knaben aus Voerde zu ihm, und die Nachricht verbreitete sich, daß das Kind durch Händeauflegen und Gebet Genesung gefunden habe. Es ist eine von den Aerzten selbst anerkannte Thatsache, daß heftige Gemüths-Eindrücke oftmals bei sogenannten Nerven-Krankheiten, bei Hysterie und ähnlichen Uebeln Heilung herbeiführen, und so mag denn auch wohl die Erzählung von der Wiederherstellung des Voerder Kindes auf Wahrheit beruhen.

In den nächsten Jahren blühte indessen die Kunst des Pfarrers Hecking wie ein Veilchen im Verborgenen; je dann und wann wurde freilich ein Nervenkranker zum Boehler Pfarrer gebracht, aber Boehle konnte noch keineswegs die Concurrenz mit dem westphälischen Oertchen Breckerfeld aushalten, wo ein altes Weib durch Speckausbraten seit Jahren den Grund aller menschlichen Leiden errieth und durch Thee aus mancherlei Wurzeln und Kräutern angeblich noch Hülfe schaffte, wenn alle Kunst der Aerzte nicht mehr fruchten wollte. Hätte sich jene Genossin des seligen Schuster Lampe zu Goslar rechtzeitig, wie der Boehler Pfarrer, auf’s Beten und Segnen gelegt, so könnten jetzt die Breckerfelder Wirthe ebenso vergnügte Gesichter machen wie die Besitzer der Gasthäuser in dem neuen Zion bei Hagen. Die alte Speckbraterin hat indessen ihre Zeit nicht begriffen, und schwerlich wird sie je den Tag erleben, an welchem sie über fünfhundert Thaler von Kranken entgegen nimmt, wie das der Boehler Pfarrer wiederholt gethan. Keineswegs wollen wir jedoch behaupten, daß der Pfarrer Hecking aus Gewinnsucht die Krankenheilung unternommen habe; wir haben die genauesten Erkundigungen über ihn eingezogen, [748] selbst einen Tag in Boehle verlebt und die Ueberzeugung gewonnen, daß nicht Geldgier die Triebfeder des alten Mannes ist. Der Boehler Seelenhirt und Gebetsdoctor ist keineswegs ein wohlhabender Mann; eine fast grenzenlose Gutmüthigkeit hat ihn oft in schwere Fatalitäten gebracht, und es fehlte nicht viel daran, so wäre er durch Gefälligkeits-Accepte von Wechseln einmal vollständig um Hab und Gut gekommen.

An einem regnerischen Herbsttage unternahmen wir von der Station Cabel aus den Ausflug nach Boehle; in etwa fünfzehn Minuten hatten wir das Dorf und die kleine Kirche erreicht, wo Vormittags gegen achteinhalb Uhr und Nachmittags gegen zwei Uhr die Wundercuren in Scene gesetzt werden. Wir traten in die Kirche ein und begaben uns in die Nähe des Altars, wo eine bunte Menge, den heiligen Mann anstarrend, theils auf den Knieen lag, theils auf den Bänken Platz genommen hatte. Die Kirche selbst bot außer einem hübschen Altar wenig Bemerkenswerthes; keine Wachshände, Wachsherzen oder farbige Kerzen schmückten das Muttergottesbild, wie solches sich in Kevelaer und anderen Wallfahrtsorten findet – man merkte, daß hier baar bezahlt wurde und die Händler mit Wachspräparaten schwerlich ihre Rechnung fanden. An den Wänden und Säulen Kirchenfahnen, vor dem Hauptaltar Guirlanden von Stechpalmenblättern – das war der ganze Schmuck des Gotteshauses.

Wir betrachteten uns die Schaar der Hülfesuchenden näher; unmittelbar vor den Stufen des Altares hatten Damen in seidenen Kleidern und Federhüten Platz genommen, die blödsinnige Kinder an den Händen hielten; in ihrer nächsten Nachbarschaft saß ein hagerer, abgezehrter Mann hüstelnd und zitternd auf einem Bänklein; daneben Gichtkranke mit verbundenen Händen und Füßen, Leute mit Gesichtern von Geschwüren zerfressen, und das Mittelschiff füllten holländische Frauen und Mädchen mit kleidsamen Häubchen oder Goldplatten an beiden Seiten der Stirn, und endlich stämmige Bauern, die wie die gesegnete Mahlzeit aussahen. Wie uns später mitgetheilt wurde, pflegen solche kerngesunde Burschen für ihre bettlägerigen Angehörigen die Pilgerfahrt zu machen. Vor dem Altare selbst sahen wir nun den Helden unserer Erzählung in Stola und schwarzem Talare stehen; er hatte eben die Ansprache an die Versammelten begonnen, die er mit lebhaften Geberden begleitete. Höchlichst waren wir überrascht, eine Rede im breitesten westphälischen Plattdeutsch zu vernehmen.

Es war eine Rede in der ordinär-populärsten Manier, ein Ragout von Gemeinplätzen, was wir zu hören bekamen. „Git leiwe Lü“ (Ihr lieben Leute) war die stehende Anrede des Geistlichen, der mit vornübergebeugtem Haupte und erhobenem Zeigefinger sich zu seinen Zuhörern wandte. In erster Linie wurde die Versammlung mit einer Betrachtung über den jetzt so häufig vorkommenden Irrsinn regalirt; den Verstand, so behauptete Pfarrer Hecking, könne kein Mensch verlieren, und eigentlicher Wahnsinn komme bei Leuten, die in der Furcht Gottes lebten, gläubig und demüthig wären, niemals vor; solche Erscheinungen rührten einzig und allein von höllischen Geistern her, die in den Menschen Macht gewännen, wenn sie sich der irdischen Gesinnung und dem Hochmuthe hingäben. Medicin könne da allerdings nicht helfen; „die Wissenschaft blähe auf“ und Rettung biete sich nur in herzlichem Gebete und Fürbitte dar. Auch die Trauer über begangene Sünden sei oft der Grund zu gestörtem Geisteszustande; solche Trauer sei „dümmer als dumm“, wenn sie zur Verzweiflung ausarte, denn es stehe geschrieben, man solle fröhlich im Herrn sein, und die Reue lösche auch die größten Sünden aus. „Auch ich habe manches Unrecht begangen,“ rief der Pfarrer, „aber wenn ich die Sünden der ganzen Welt auf mir hätte und bereute meine Fehler aufrichtig, so wäre Gottes Gnade groß genug, mir in einem Augenblicke Alles zu vergeben!“ Diese Predigt war sichtlich darauf berechnet, den gesunkenen Lebensmuth der Patienten neu zu beleben, und man sah auch in der That in Augen und Mienen mancher Leidenden das Aufflackern frischer Lebenshoffnung. Auch von unheilbaren Krankheiten, wie man zuweilen Krebs und Schwindsucht bezeichne, wollte der Pfarrer nichts wissen; solche Meinung wurde unter die Rubrik „Dummes Zeug“ verwiesen und kurz und bündig erklärt, mit Gottes Hülfe sei jede Krankheit heilbar und werde geheilt, wenn man ernstlich im Gebete darum anhalte. Allesammt wären wir Gottes Kinder, und wie würde ein Vater seinem Kinde, „dat hä sülvst gemakt hädd“, etwas verweigern können, wenn es recht innig darum flehe, es sei denn, daß die Gewährung der Bitte zum Schaden gereiche. Daraus folge, daß jeder Kranke durch Gebet und Segen Heilung finde – wenn Gott es also wolle! Halte Gott natürlich ein Nichtgenesen für besser, so werde freilich der Patient sterben, was noch immer angenehmer sei, als etwa zwei- bis dreihundert Jahre im Fegefeuer zu brennen. Auf den „festen Glauben“ und das „inbrünstige Gebet“ komme es an; er wolle darüber einige kleine Geschichten erzählen.

Da habe zum Beispiel einst in Cäsarea eine Kirche erbaut werden sollen, doch habe ein Berg im Wege gestanden, den der fromme Bischof aber sofort weggebetet habe. Der heilige Martinus habe drei Todte auferweckt, darunter einen heidnischen Jüngling, der im Begriffe gewesen sei, zum Christenthume überzutreten. Besagter Jüngling sei gestorben, während Sanct Martinus eine Reise unternommen habe; flugs habe ihn der heilige Martin auferweckt nach seiner Heimkehr, damit er doch als Christ hätte sterben können. Dieser Jüngling sei nun darüber examinirt worden, wie es im Jenseits aussehe, und habe gesagt, er sei an einem Orte gewesen, wo er zwar kein Leid, aber auch keine Freude empfunden hätte. Dort sei er hingekommen, so erläuterte der Pfarrer, weil er noch „ungetauft“ gewesen, und auch die kleinen Kinder, welche ohne Taufe sterben, kämen an diesen Platz. Also Glaube, felsenfester Glaube, der thue Noth! Man solle sich nur durch das Geschrei der Ungläubigen und ihren Spott nicht irre machen lassen (ungläubig werde ein Mensch nur, wenn er zuvor lasterhaft gewesen, sagt der Wunderpriester wörtlich) und sich an die Heilsmittel der Kirche halten. Namentlich helfe das Gebet ausgezeichnet bei Besessenen; er habe einmal in seiner Wohnung bei einer Person gebetet, die zwanzig Jahre vom Satanas besessen gewesen sei; da habe es einen Spectakel gegeben, als wolle das ganze Haus einfallen, und besonders habe jeder Tropfen Weihwasser wie flüssiges Feuer gewirkt. In solcher Weise wurde der Sermon eine starke halbe Stunde geführt; zu Ehren der anwesenden „leiven Hollanders“ wurden noch etliche holländische Worte eingeflickt und endlich der Segen über die Versammelten gesprochen. Mit dem Publicum wurde plattdeutsch, mit Gott lateinisch geredet und sodann verordnet, daß jeder Katholik bis zu seiner Genesung täglich sieben Vaterunser und die gleiche Anzahl „Gegrüßet seist Du Maria“ zu Ehren des heiligen Joseph beten solle. Bei Protestanten sollten sieben Vaterunser, bei Juden drei Psalmen täglich den gleichen Effect erzielen. Als die Ansprache vorüber war, marschirte Mann für Mann am Pfarrer vorüber, der Jedem unter Gebetsmurmeln die Hand auf die Stirn legte und dann und wann auch nach speciellen Leiden fragte. Von den Schätzen der Apotheke hatten drei Gnade vor den Augen des Pfarrers gefunden: Bullrich’sches Reinigungssalz, Schafgarbenthee und Hamburger Thee, ein in Westphalen gebräuchliches Purgirmittel. Diese Medicamente waren draußen in einer Bude, neben Rosenkränzen, Heiligenbildchen, Medaillen etc., käuflich zu haben. Der Weg aus dem Kirchlein in’s Freie führte durch die Sacristei, wo eine Blechbüchse aufgestellt war mit einem Placate in deutscher und holländischer Sprache, die Gaben seien für den Neubau einer Kirche und – eines Klosters bestimmt.

Draußen sahen wir uns noch einmal die Gesellschaft an; der abgezehrte Mann hüstelte noch wie vorher, die blödsinnigen Kinder winselten und schrieen und die Gichtbrüchigen schleppten sich ächzend zu den Wagen. Die einzige lustige Figur war ein „fliegender Kurzwaarenhändler“, ein hausirender Sohn Israels, der mit fabelhafter Geschwätzigkeit seine Waaren anpries. „Nehmen Sie eine Brille, lieber Herr! Es kann sein, daß Sie das Gebet vom Herrn Pfarrer hilft; es kann auch sein, nicht. Eine Brille hilft immer vor die Augen und sieht auch schön aus! Wenn ich der Herr Pfarrer sein thäte, ich ließe mir, wie er es früher that, das Geld in die Hand drücken, statt in die Büchse legen, da geniren sich die Leut’ mit Kupfergeld, da kommt viel mehr ein! – Schönes Madamchen, Sie haben Zahnweh, Sie haben, mit Erlaubniß zu sagen, einen dicken Backen; kaufen Sie sich den ‚heiligen Joseph‘, ist ganz vorzüglich vor die Zähne, oder diese Dose Zahnpasta, die hilft noch gründlicher! Der heilige Joseph zweieinhalben Silbergroschen, die Zahnseife fünf Silbergroschen – wenn Sie Beides zusammen nehmen, geb’ ich’s für sechs Silbergroschen – Lieber Herr, Sie wünschen ’nen heiligen Aloysius? – – Aronchen, mein Söhnchen, die heiligen Aloysiusse sind alle – Aronchen, hole mir bei der Frau dahinten für zehn Silbergroschen Heilige!“ –

[749] Am Nachmittage wiederholte sich das gleiche Schauspiel; nur wurde, da der Zulauf geringer war, die Sache in der Sacristei abgemacht. Die Boehler Getränkehändler – die Kirche umgiebt ein Kranz von Wirthshäusern – hatten schon recht gut rechnen gelernt; für ein kleines Schoppenglas Milch mußte jeder „Holländer“ anderthalb Silbergroschen (neun Cents) bezahlen und andere Lebensmittel hatten ähnliche Preise.

Aus dem Ertrage der „milden Gaben“ hat der Boehler Pfarrer ein „Schwesternhaus“ erbaut, welches am 28. October dieses Jahres feierlich eingeweiht worden ist; wenn der Zuzug nicht nachläßt, wird auch der Bau des Klosters und der Kirche nicht lange auf sich warten lassen. Der alte Herr, davon sind wir fest überzeugt, glaubt an seine „Wunderthaten“; er selbst hat für sich große Mühe und wenig Nutzen davon, aber hinter ihm stehen einige ultramontane Geistliche von der dunkelsten Couleur – darunter ein früherer protestantischer Pfarrer – und benutzen den Greis und seine Curirsucht zu ihren Zwecken. Eine Frau ist im verflossenen Sommer in der Kirche gestorben, ein an der Gehirnentzündung erkranktes Kind, welches man zum Wunderthäter geschleppt, hat im Krankenhause zu Hagen den letzten Seufzer ausgehaucht und mancher arme, sieche Mensch muß an den Bahnhöfen das Geld zur Rückfahrt zusammenbetteln, aber der alte Pfarrer fährt mit seinen Gebetscuren fort, die preußischen Thaler und holländischen Gulden rasseln in die Büchse, die Boehler Wirthe lachen und der Menschenfreund erinnert sich mit Wehmuth der Schiller’schen Worte: „Gegen die Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens!“

R. E.