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Der Werrabahn-Tunnel bei Eisenach

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Textdaten
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Titel: Der Werrabahn-Tunnel bei Eisenach
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 372–373
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Der Werrabahn-Tunnel bei Eisenach,

vor dessen nördliche Mündung uns die beigefügte Skizze führt, ist eines der interessantesten Bauwerke der Neuzeit in unsern thüringer Bergen und es vergeht kein Tag, wo nicht zahlreiche Besucher von Nah und Fern nach der Tunnelbaustelle wallfahrten. Es dürfte deshalb für den Leser der Gartenlaube von Interesse sein, diesen Gegenstand etwas näher beleuchtet zu sehen.

Der Tunnel von 24 Fuß rheinl. lichter Weite und Höhe, sollte nach der ursprünglichen Projection nur 1440 Fuß lang werden; es stellte sich jedoch mit Rücksicht auf die gleichmäßige Festigkeit des durchzuschlagenden Gesteins, welche eine Ausmauerung überflüssig macht, und zur Vermeidung der beträchtlich höheren Kosten, welche die Ausarbeitung der tiefen Voreinschnitte erfordert haben würde, als zweckmäßig heraus, den Tunnel selbst um 293 Fuß zu verlängern, so daß die Gesammtlänge desselben nunmehr 1733 Fuß beträgt. –

Die sehr bedeutenden Einschnittsarbeiten, welche im März und April 1856 in Angriff genommen worden, waren durch zweckmäßige Anlage der Schächte und kräftigen Betrieb (bei einer durchschnittlichen Arbeiterzahl von 800–1000 Mann), trotzdem bei einer Tiefe von wenigen Fuß schon das in dieser Gegend vorherrschende Gestein – das sogenannte Rothliegende – in fester Masse zu Tage trat, und die Hackgeräthe bald mit den Sprengmaterialien vertauscht werden mußten, dennoch schon im November desselben Jahres so weit vorgeschritten, daß mit dem Einbruch des Tunnels zunächst auf der nördlichen Seite begonnen werden konnte. – Gleichzeitig mit den eigentlichen Tunneleinbrüchen wurden am südlichen Abhange [373] des Berges in gewisser Entfernung von einander zwei Stollen (Förderschächte) senkrecht in die Tiefe getrieben, um, sobald man hier die Tunnelsohle erreicht hatte, nach beiden Richtungen hin den Tunnelmündungen entgegen zu arbeiten, und auf diese Weise möglichst schnell zum Ziele zu gelangen. – Am 20. December 1857 Nachts erfolgte unter allgemeinem Jubel und Freudenschüssen von Seiten der betheiligten Arbeiter der Durchbruch. Die bei dieser Gelegenheit für die Arbeiter bestimmte Prämie von 500 Thalern wurde theilweise zur Unterstützung der einige Tage vorher – am 10. December – im Tunnel Verunglückten und deren Hinterlassenen verwendet. –

So schwierig und gefahrvoll auch die Ausführung dieses Baues war, so steht doch die Zahl der bis jetzt während der Arbeit Verunglückten

Der Werrabahn-Tunnel bei Eisenach.

zu der Größe des Unternehmens in keinem Verhältniß. Der oben angeführte ist der einzige erhebliche Unglücksfall, welcher beim Tunnelbau vorgekommen, und wurde durch Unvorsichtigkeit eines Arbeiters beim Laden eines Schusses verursacht; zwei der in der nächsten Nähe beschäftigten Arbeiter wurden dabei tödtlich und vier mehr oder minder verwundet.

Ungeachtet der vorerwähnten größeren Längenausdehnung des Tunnels werden doch die im Kostennanschlage enthaltenen 180,000 Thaler nicht nur vollständig ausreichen, sondern es wird noch eine erhebliche Summe erübrigt werden, indem nach den bisherigen Erfahrungen der Betrag von 140,000 Thalern zur Vollendung genügen wird. – Von den für die Herstellung des Tunnels verausgabten Kosten kommt ein großer Theil auf die Beschaffung des massenhaften Pulverbedarfs nebst sonstigem Zubehör, so wie auf die Anschaffung und Unterhaltung der Bohrwerkzeuge. (Die im Tunnel beim Bohren und Sprengen beschäftigten Arbeiter, circa 400–500 Mann an der Zahl, verbrauchten durchschnittlich täglich 5 Centner Pulver.)

Man hegt mit Bestimmtheit die Hoffnung, daß der Tunnel bis Mitte Juni gänzlich vollendet und alsdann die Strecke von Eisenach bis zum Tunnel vollständig fahrbar sei. – Am 20. Mai befuhr die erste Lokomotive die von Eisenach aus bereits vollendete kurze Strecke der Werrabahn, und überwand mit Leichtigkeit die bedeutende Steigung, welche sich zur Länge wie 1:50 verhält.

Wer jemals jenen düstern Waldwinkel, an dessen Stelle sich die nördliche Tunnelmündung befindet, passirte, der wird jetzt überrascht vor einer freundlichen, belebten Landschaft stehen, welche der mächtige Zeitgeist, „Verkehr“ genannt, aus jener Waldeinsamkeit geschaffen hat.