Der Wasserfall von Geroldsau
In alten grauen Heidenzeiten,
Da lebt’ in Freud’ und Herrlichkeiten
Ein Heer von Feyen ohne Zahl
In Badens wunderschönem Thal.
Und schmückten sich damit zum Tanz;
Dann schwangen sie den muntern Reigen
Nachts unter dunkeln Tannenzweigen.
Da fielen, wie ein brausend Meer,
Eroberten das Land am Rhein,
Germania’s Sohn mußt’ Sclave seyn.
Sie raubten ihm sein Vaterland,
Zerrissen jedes heil’ge Band.
War auch mit Ketten es beladen,
Dem Römerfeldherrn Varus bald,
Er wählte sich’s zum Aufenthalt.
Gekrönt vom Sieg, voll Sinnenlust,
Er badete im warmen Quell,
Der aus dem Felsen sprudelt hell,
Er jug das Wild in Baden’s Wäldern
Und nahm die Frucht von seinen Feldern,
Viel Tempel hier und Heiligthume.
Da sah er Nachts mit einem Male
Im Geroldsauer Wiesenthale
Der Feyen leichten Jugendreihn
Ellene war die schönste Fee,
Wie Rosengluth und Lilienschnee;
Er sah, er liebte sie zur Stunde,
Sein Herrscherwort erstarb im Munde,
Die Brust voll Sehnsucht und Verlangen,
Und bat in süßer Minnebrunst:
„O schenk mir, Holde, deine Gunst!
Nimm diesen Ring, der Treue Zeichen,
Als daß ich breche meinen Schwur,
Dir zu gehören einzig nur;
Ich schwör’ es dir beim Gott Merkur!“ –
Sein Liebesschmerz, sein heißes Sehnen
Sie reicht gerührt die feine Hand
Ihm als der Liebe Unterpfand.
Wie lauscht sie gern der Worte Kosen,
Die süß von seinen Lippen floßen!
Das Paar im zärtlichsten Verein. –
Drei Monden waren so verschwommen,
Da war des Römers Gluth verglommen;
Er wurde lau, er wurde kalt,
Stets seltener zur Fee kam er,
Stets kühler, endlich – gar nicht mehr.
In neuer Freuden Ueberfluß
Vergaß er bald Ellenens Kuß.
Im Eichenhain, im Mondesstrahl,
Und rauschte nur ein Blättchen leis,
So wähnte sie, der Liebste sey’s.
Wie manche goldne Sommernacht
Bis endlich ihr kein Zweifel blieb,
Daß er vergessen Schwur und Lieb,
Und auch die letzte Hoffnung aus
Ihr losch in der Verzweiflung Graus.
Den starren Felsen an ihr Herz,
Und ruft: „O würde mein Gebein
Gleich diesem Felsen hier zu Stein!“ –
Und wie sie bat, ist ihr geschehn:
Sie wird versteinert auf der Stell’
Und ihrer Brust entspringt ein Quell.
Das sind der Liebe herbe Thränen,
Des Herzens ungestilltes Sehnen!
Am Ruheplatz, so heißt der Ort,
Ergießt sich in den klaren Bach
Und stürzt mit ihm vom Felsendach,
Daß laut erbraußt im Widerhall