Der Umzug der Pfingstochsen
[340] Der Umzug des Pfingstochsen. (Zu dem Bilde S. 337.) Jedermann kennt die sprichwörtliche Redensart „geputzt wie ein Pfingstochse“. Sie gründet sich auf eine eigentümliche Pfingstsitte, die in einem bescheidenen Rest noch heute in manchen Gegenden Mecklenburgs geübt wird. Der erste Fleischer des Ortes läßt am Donnerstag oder Freitag vor dem Fest einen kräftigen Ochsen von seinen Leuten mit mächtigen Kränzen schmücken, dann durch den Altgesellen vor die Häuser seiner Kunden führen, die dem begleitenden jüngsten Burschen Bänder zur weiteren Verzierung des Festtieres sowie ein Trinkgeld für die Zustellung des Fleisches während des Jahres einhändigen. Auf das Fest wird dann der Ochse geschlachtet.
Ursprünglich handelte es sich, wie wir aus Borchardts „Sprichwörtlichen Redensarten im deutschen Volksmunde“ (2. völlig umgearbeitete Auflage, herausgegeben von G. Wustmann. Leipzig, Brockhaus) entnehmen, bei dem „Pfingstochsen“ um einen allgemeinen landwirtschaftlichen Brauch. Wenn gegen Pfingsten die Gemeindeweide aufgethan werden sollte, bekränzte man den schönsten Ochsen und führte ihn im Zuge als ersten auf das junge Wiesenland. Noch heute bekränzen zu Pfingsten die Bauern in verschiedenen Gegenden Deutschlands ihr Herdenvieh, ein Zeichen für die Bedeutung, die der Anfang des Sommers gerade für die Herde hat. Auch in Siebenbürgen wird der alte Brauch noch jetzt beobachtet. Mit einer merkwürdigen zeitlichen Verschiebung tritt uns eine verwandte Sitte in Paris entgegen. Dort wird in den letzten Tagen der Fastnacht ein aufgeputzter Mastochse von Fleischergesellen durch die Straßen geführt, und darum kommt der Franzose daher, aufgeputzt nicht wie ein „Pfingst-“, sondern wie ein „Faschingsochse“.