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Der Trompeter – 2 (Gemälde der Dresdener Gallerie)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Der Trompeter
Untertitel: Von Gerhard Terburg
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1848−1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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The Trumpeter.     Der Trompeter.

[280]
Der Trompeter.
Von Gerhard Terburg.

Es war noch nicht seit lange, daß Meister Gerhard Terburg in dem alten Münster eingetroffen war. An der Hauptstraße der ehrwürdigen Stadt hatte der berühmte Maler eine Wohnung bezogen, wie sie sicherlich die österreichischen und französischen Gesandten nicht glänzender besaßen. Noch weniger konnten sich diese meist ältlichen Herren an Schönheit der persönlichen Erscheinung mit Terburg messen, und nur einige der jüngeren, namentlich der französischen und kurbrandenburgischen Cavaliere durften sich neben dem kunstreichen Holländer zeigen, ohne von ihm verdunkelt zu werden.

Gerhard Terburg war erst seit einigen Monaten von der Roma zurückgekehrt. Er zeigte in seinem Anzuge von schwarzem Sammt die ausgezeichnete, geschmackvolle Feinheit, in welcher die Italiener von damals selbst die Franzosen weit übertrafen. Doch aber hatte Terburg statt des jähzornigen und hinterlistigen Herzens eines Italieners, dasjenige eines ehrlichen Niederländers wieder mit über die Alpen gebracht.

Der Maler war zu jener berühmten Zeit, 1648, als die Staatsmänner von ganz Europa jenes seltsame und ungeheuerliche Werk zu Stande gebracht haben, welches der westfälische Frieden heißt, etwa sechsunddreißig Jahre alt. Seine Gestalt war schlank und zierlich, sein Haar voll und lockig und die Miene war eben so fein und geistreich, als seine delicat gezeichneten und ausgeführten Gemälde. Diese Gemälde Terburg’s behaupteten schon damals einen hohen Ruf. Es waren noch nicht die anziehenden, vornehmen Conversationsstücke, welche Terburg später in Deventer zu malen anfing, sondern meistens Bildnisse, denen der Maler seine Berühmtheit verdankte. Aber diese Portraits waren meistens auch als Genrebilder feinsten Styls anzusehen, denn Terburg verstand, seine Figuren in den passendsten und interessantesten Umgebungen darzustellen, und diese Umgebungen waren mit seltener Meisterschaft gemalt. Nicht weniger spiegelten die Bildnisse Terburgs die dem Künstler eigene hohe Anmuth wieder; er vermochte im Portrait künstlerische Wahrheit statt einer genauen Abschrift der nicht selten unschönen Wirklichkeit zu geben, [281] ohne die eigentliche Aehnlichkeit des Bildes mit der dargestellten Person zu beeinträchtigen. Außerdem konnte es kaum vollendetere Cabinetsstücke als die Terburg’schen Portraits geben. Es war wirklich kein Wunder, daß die hohen Herren, welche um den Frieden tagten, sammt den Damen ihrer Familien mit wahrer Leidenschaft auf den Maler eindrangen, um sich portraitiren zu lassen. Terburg empfing, als es eine Art von Ehrensache wurde, von ihm gemalt zu sein, Preise für seine Arbeiten, wie sie ein niederländischer Maler bei seinen Lebzeiten vor ihm kaum bezogen haben dürfte, wodurch er im Stande blieb, sich mit bedeutendem Aufwande in den hohen Gesellschaften Münster und Osnabrücks zu behaupten.

Wie in Italien, so war Terburg auch hier in Münster bald der erklärte Liebling der Damenwelt. Obgleich die letztere ihm bei Weitem nicht so leidenschaftlich huldigte, wie später die hohen Damen Madrids es thaten, wo der Künstler in Folge seiner Liebesabenteuer flüchten mußte: so entstanden doch genügende Ursachen, daß Terburg von verliebten Nebenbuhlern angefeindet wurde.

Während der Friedensunterhandlungen hatte sich eine reiche Anzahl von Sängern, Schauspielern und Tänzern nach Münster gezogen, wo der Ton, wahrscheinlich wegen der französischen und italienischen Cavaliere, bedeutend frivoler war, als in Osnabrück, wo die kaiserlich österreichischen, die reichsständischen und schwedischen Gesandten ehrenfest tagten. Die Damen der fahrenden Gesellschaften in Münster waren es besonders, auf welche die fremden, lebensfrohen Herren Jagd machten, da die ehrsamen Bürger Münsters in der Regel die Thüren fest genug verschlossen hielten, um ihre girrenden Täubchen vor den fremden Habichten zu sichern.

Die ausgezeichnetste dieser fahrenden Gesellschaften war gewiß diejenige, welche der Gesandte des stolzen Venedig, der Nobile, Contarini Contareno, mitgeführt hatte. Es war dies eine Sänger- und Tänzer-Truppe. Der Stern derselben war die Primadonna und erste Tänzerin Signora Alessandra Faletti, ein sicilianisches Mädchen, welche, ungeachtet sie schon fünfundzwanzig Jahre zählte, dennoch eine bezaubernde Schönheit und Frische besaß. Sie war die erste, welche kurz nach Terburgs Ankunft zu ihm kam, um sich malen zu lassen. Ihre Speculation hatte die Italienerin nicht getäuscht; denn als sie ihr Bild bei einem Gemäldehändler nur wenige Tage hatte ausstellen lassen, schienen ihre gefährlichen Pariser Rivalinnen gar nicht mehr für die vornehme Welt vorhanden zu sein, und Jeder sprach nur von Signora Alessandra und Jeder wollte nur sie singen hören und sich an ihren graziösen Schwebekünsten ergötzen.

Alessandra hatte es besonders darauf angelegt, das Herz des Malers zu erobern. Wohl mochte die erste Ursache dieses Planes eben so schlaue Berechnung sein, als es der Auftrag zur Arbeit war, welchen sie Terburg gab. Dieser durfte nur seine Pinsel mit den schmelzreichen Farben füllen, und Mademoiselle Mimi, oder Colette glänzten den Kunstliebhabern aus goldnem Rahmen vielleicht eben so verlockend als Signora Alessandra entgegen. Lange ließ sich der ziemlich eigennützige Künstler bitten, bevor er der italienischen Sängerin das Versprechen gab, keine ihrer Nebenbuhlerinnen malen zu wollen; aber endlich versprach er es doch. Die schlaue Reizende hatte tiefen Eindruck auf Terburgs Herz gemacht, und das wollte viel sagen; denn dem Maler war es eben nichts Ungewöhnliches, sich von schönen Frauen angebetet zu sehen.

Die arme Alessandra aber, welche bis zu dieser Zeit so oft ungestraft mit dem Verlieben gespielt hatte, fühlte sehr bald, daß sie selbst arglos in die von ihr dem Maler gelegte Falle [282] gerathen war. Sie liebte den schönen Maler, welcher kaum halb ihre mächtig und ohne Rückhalt hervorbrechende Gluth erwiderte, und von diesem Augenblicke an war sie taub und empfindungslos gegen die Aufmerksamkeiten und Bewerbungen des glänzenden Kreises von Anbetern, welcher sie umlagerte.

Jedenfalls der bemerkenswertheste dieser Verliebten war der Liebling Mazarins und Lyonne’s, der Graf d’Avaux von der französischen Gesandtschaft. Der Graf war einige Jahre älter als Terburg, höher und von imposanteren Manieren als dieser, und kaum konnte der Herzog von Dunois und Longueville die Pracht verdunkeln, welche dieser Cavalier aufwandte. Alessandra hatte nie etwas Aehnliches gesehen, als die prachtvollen Perlenschnuren und ein Halsband von Diamanten, das ihr der Graf d’Avaux mit einem Briefe sandte, in welchem er ihr beschwor, er werde nur seiner Liebe zu ihr gehorchen, sich um sein adeliges Wappen mit der Herzogskrone drüber nicht kümmern, sondern sie, die Sängerin, zu seiner Gemahlin machen, wenn sie es über sich gewinnen könne, seinen Bitten Gehör zu geben. Signora Faletti aber sandte, ohne nur ein Wort zu erwidern, das Brautgeschenk wieder zurück.

An demselben Abende, spät nach dem Theater, trat der Graf zu großer Ueberraschung der Italienerin, welche ihre Wohnung und ihr Zimmer gut verschlossen glaubte, in ihr Gemach. Alessandra war fast im Nachtkleide. Ihr reiches, braunes, goldig schimmerndes Haar war aufgelöst und fiel der im Divan Sitzenden in großen Wellen über Schultern und Arme bis in den Schooß, wo ihre gefalteten Hände lagen. Die Füße waren auf eine gepolsterte Bank gesetzt, so daß sich die goldgestickten Spitzen ihrer kleinen Atlasschuhe unter der silbergrauen Wolke des seidenen Unterkleides neugierig hervorstahlen.

Die schöne Frau hatte sich mit dem Oberkörper leicht nach vorn gebeugt, und ihr träumerisches, schwarzes Auge heftete sich, indeß tiefe Blässe ihre antik geformten Züge überzog, unverwandt nach ihrem von Terburg gemalten Bildniß, vor welchem ein zierlicher Armleuchter brannte.

– Das bist Du! Du bist’s! hatte sie geflüstert. Das ist Deine Stirn, das muthwillige Blitzen Deines Auges und der schönste Strahl Deines Lächelns umzieht jenen Mund. Wie schön bist Du, Mädchen, auf der Leinwand, wie schön! Und doch wie erbärmlich ohnmächtig sind Deine Reize! Kannst Du ein Herz fesseln, wie ich es liebe? O, gewiß, Du kannst nicht, sonst hätte sich der Maler in sein eigenes Werk verliebt, bevor er noch den letzten Pinselstrich gethan hätte.

In diesem Augenblicke trat der Graf d’Avaux bei der Sängerin ein. Das Mädchen sprang entsetzt in die Höhe und rief laut nach ihrer Dienerin.

– Schöne Frau, bemühen Sie sich nicht! antwortete d’Avaux mit tiefer Verbeugung. Giulietta ist mitleidiger gewesen als Sie und hat mich hier eingelassen. Sie wird Ihrem Rufe nicht gehorchen, denn endlich, ja endlich muß ich ungestört diese Unterredung mit Ihnen haben, von welcher mein Leben abhängt . . .

Alessandra machte, noch immer der Sprache nicht wieder mächtig, eine heftige, fortweisende Bewegung.

– Sie wollen mir nicht antworten? Wie Sie wollen; aber anhören werden Sie mich von Anfang bis zu Ende. Ich sehe, Sie, meine Dame, haben die Idee, dies Haus und die Nachbarschaft zu allarmiren . . . Ich werde in diesem Punkte keine Rücksicht kennen . . . Sie sind in [283] dieser Minute in meiner Gewalt, und mögen Sie diesen Umstand nicht vergessen, wenn Sie mir antworten.

Alessandra schwieg unverbrüchlich. An der sich immer mehr verfinsternden Miene des Grafen d’Avaux sah man, wie sich seine aufgeregte Empfindung zur Leidenschaft steigerte. Aber noch ein Mal bezwang er die Worte, welche bereits auf seiner Zunge schwebten, gewaltsam und sagte:

– Sind Sie, Madame, nicht eine Thörin, so das Anerbieten mit Füßen zu treten, welches Ihnen das Glück macht? Und ich, bin ich nicht ein eben so vollkommener Thor, mich über Ihren Eigensinn zu ereifern? Signora, was verlangen Sie von dem Manne, dem Sie Ihre schöne Hand bewilligen? Jugend sicherlich nicht, denn, pardieu! Sie selbst werden keinen Anspruch darauf machen, jung zu sein. Alessandra, ich bitte Sie, erbittern Sie sich nicht vorsätzlich gegen mich! Ich denke, selbst die Jugend kann nicht kräftiger sein als der Mann, welcher vor Ihnen steht! Und wollen Sie Talent, Bildung? Ich darf weiter nichts bemerken! Oder Stellung in der großen Welt! Madame, ich weiß, es ist Ihnen nicht unbekannt, daß der Herzog von Dunois, obgleich ein Prinz von Geblüt, den Grafen d’Avaux hier eben so wenig in Schatten stellen kann, als er dies zu Paris vermöchte. So lange Mazarin nicht in Münster sein wird, ist der Graf d’Avaux der erste aller Repräsentanten der Staaten von Europa . . .

Der Graf hatte eine hohe Haltung angenommen und reichte der Sängerin in der Weise eines stolzen Siegers die Hand. Alessandra schlug seine Hand aus und erhob sich mit einer Art von edler Erbitterung.

– Eine maßlose Eitelkeit, Graf von d’Avaux, sagte sie, giebt Ihnen noch nicht das Recht, fremde Leute zu mißhandeln. Sie berufen sich auf Ihr Herrscherrecht hier in Münster, in das Zimmer einer Dame heimtückisch einzudringen, die Ihnen nie eine Idee von Bevorzugung gegeben hat, wodurch Sie diese Unverschämtheit rechtfertigen könnten. Wer denn sind Sie, lassen Sie sehen? Sicherlich der letzte Edelmann, welcher hier in Münster beim Friedensschluß beräth! Der letzte, sage ich nochmals; denn erbärmlicher als Sie gethan, benimmt sich kaum ein Page, viel weniger ein Mensch, der Cavalier sich nennt.

– Schweigen Sie! Schweigen Sie! rief d’Avaux betroffen, aber erbittert.

– Nein, nein! rief die Italienerin. Ich habe Ihnen zu antworten. Sie wären der vornehmste der hier versammelten Gesandten? Sie? Wissen Sie, Graf d’Avaux, es sind hier neunundsechzig der berühmtesten Staatsmänner unserer Zeit, welche auf einem großen Bilde vereinigt sein werden, auf einem Bilde von Gerhard Terburg, das noch lange berühmt sein wird, wenn die Namen der hier anwesenden Gesandten schon seit hundert Jahren vergessen wurden.

– Terburg? murmelte d’Avaux.

– Ja, Terburg malt dies Bild. Und damit Sie, stolzer, eingebildeter Mensch, eine Ahnung erhalten, wie wenig andere Leute die stolze Meinung theilen, die Sie über Ihre Vortrefflichkeit hegen: so erfahren Sie, daß der niederländische Maler weder Sie, noch den Herrn de Servien, weder den Grafen Lamberg, noch den Nobile Cantareno gewürdigt hat, auf seinem Bilde von dem Compromiß des Friedens von Münster eine Stelle einzunehmen.

D’Avaux ward sehr betreten. Er erinnerte sich rasch daran, daß Terburg, so oft er ihn auch ersucht hatte, ihn zu malen, stets Ausflüchte gefunden hatte, um ihn, den Grafen, mit leeren Worten hinzutrösten.

[284] – Und wodurch haben Sie Kenntniß davon erhalten, Madame, wen Terburg malen oder nicht malen wird? Ich bitte Sie!

– Wodurch? Durch Terburg selbst!

– Sie stehen also mit diesem schleichenden, gleisnerischen Holländer in einer Verbindung, die ich kaum ahnte . . . stammelte der Franzose.

Alessandra lächelte ironisch.

– Terburg? fragte sie. Terburg! Sind Sie denn der letzte, welcher erfährt, daß Terburg der erklärte Geliebte von Alessandra Faletti ist? Sie sind ungewöhnlich allwissend, mein Herr Graf.

Von dieser Kunde ward d’Avaux so betroffen, daß er vollkommen die Fassung verlor, um nur ein Wort zu erwidern.

– Terburg! flüsterte er und seine Hand suchte das Gefäß des Degens, indeß seine Zähne sich aufeinander preßten.

Der Graf d’Avaux griff nach der Thür, indeß er der triumphirenden Italienerin eine steife, stumme Verbeugung machte. Anstatt den Abschiedsgruß zu erwidern, wandte Alessandra dem Scheidenden den Rücken. Der Franzose ging und kam auf die Straße. Hier erst besann er sich und erinnerte sich daran, was er denn eigentlich gewollt habe.

– Stirb, einfältiger Bursche! rief sich d’Avaux zu. Du hattest diese Italienerin in Deiner Gewalt; Du konntest als Herr sprechen und Niemand in ganz Münster hätte sie aus Deiner Hand zu erretten vermocht . . .

Er schien wieder zurückgehen zu wollen, fand dasmal aber die Thüren bestens verschlossen.

– Aber nach diesem Terburg wollte ich gehen! knirschte der leidenschaftliche Franzose. Er gürtete seinen Degen fester und verfolgte die Richtung nach der Straße, wo Terburg wohnte. Hier klopfte er lange. Endlich hörte d’Avaux eine klare Stimme ein italienisches Liedchen singen. Der Sänger kam näher und bald hörte d’Avaux einen hellen Anruf.

– Ha! Mynheer! Ich denke, man pocht nicht so laut, wenn man nicht überzeugt ist, daß der Herr vom Hause sich daheim befindet! Was wünschen Sie von mir, denn ich denke, Sie wollen Gerhard Terburg und nicht etwa einen seiner Bedienten sehen.

– Ich bin Hippolyte, Graf d’Avaux! sagte der Franzose, welcher plötzlich fühlte, welche lächerliche Rolle er als verschmähter Liebhaber der Signora Alessandra dem begünstigten Künstler gegenüber zu übernehmen im Begriffe stand.

– D’Avaux! sagte Terburg und machte eine Verbeugung.

– Und Sie wissen nicht, weshalb ich Sie noch so spät zu sprechen wünsche? fuhr d’Avaux mit ziemlicher Arroganz fort.

– Ich, mein Herr Graf? Ihre Gedanken sind viel zu erhaben und genial, als daß ein bescheidener Maler Ideen davon haben sollte, was sich unter Ihrer edlen Schädeldecke umhertreibt! sagte der sarkastische Künstler mit ehrerbietigem Tone.

– Ah, gut, Monsieur! Ihr wollt mich lächerlich machen! Versichere Euch, das ist schlecht am Orte; tonnerre! Sie malen jetzt die Gesandten, siebenzig Männer auf einen Streich . . . . . Warum, zum Teufel! wollen Sie den Gesandten des allerchristlichen Königs von Frankreich, weshalb wollen Sie den Grafen von d’Avaux von Ihrem Bilde excludiren?

[285] – Ah! rief Terburg heiter. Einmal, mein Herr, verlangen Sie, ich soll Sie nicht lächerlich machen, und dann verlangen Sie in Gott weiß welchem Tone, ich soll Sie effectiv lächerlich machen und Ihr Bildniß neben dasjenige der berühmtesten Staatsmänner der Gegenwart malen. Sie sind ausgezeichnet, Herr Graf, das heißt in der Aufstellung von paradoxen Forderungen.

D’Avaux schäumte fast vor Wuth. Er griff nach dem Degen.

– Lassen Sie den Flederwisch stecken, mein Freund! rief Terburg mit erhobener Stimme, oder Sie werden einen Fechter sehen, der, Gott bezeuge mirs, Ihre adeligen Rippen nicht im Geringsten schonen wird.

– Gut, gut! murmelte d’Avaux. Aber, Herr Maler, ich werde mich zu revanchiren wissen! Das werde ich!

Und der Franzose ging eiligst ab. Im französischen Gesandtschaftshause angekommen, rief d’Avaux den Lieutenant der Mousquetaires, welche der Gesandtschaft von Paris aus als Escorte gefolgt waren. Es war eine Abtheilung von fünfzig auserlesenen Leuten, welche in der Vorstadt ihr Quartier und die Ställe für die Pferde hatten.

– Gallois! schrie d’Avaux wüthend.

Auf diesen Ruf kam nicht nur ein schöner, blonder Offizier, sondern auch der Herzog von Dunois auf der Flur.

– Mein Gott, d’Avaux, wozu dies gräßliche Geschrei?! fragte der Herzog.

– Ein Wort, Hoheit!

Und d’Avaux erzählte sein Abenteuer zum großen Gelächter des edlen Herzogs, welcher sich mit den Worten entfernte:

– D’Avaux, das sind rein persönliche Angelegenheiten, und wir sind nichts weniger als gesonnen, Parteisache zur Sache von Frankreich zu machen. Bedürft Ihr übrigens eines Secundanten, Amice, so erinnert Euch gefälligst, daß wir, Servien und ich, kein schlechtes Handgelenk besitzen. Gute Nacht!

Aber d’Avaux ließ sich so leicht nicht irren. Er ging unten in die Wachtstube, wo ein helles Feuer im Kamin brannte, und sagte dem lächelnden Gallois:

– Jacques! Sie schicken auf der Stelle eine Ordonnanz nach Ihren Barraques, verlangen zehn Mann, und lassen auf meine und des Herzogs Verantwortung sogleich den Maler Gerhard Terburg verhaften. Er hat die königlich französische Gesandtschaft beleidigt und soll Genugthuung geben, wenn er nicht nach Paris transportirt werden und die Bastille kennen lernen will.

Gallois zog ein hörnernes Dintenfaß aus der Tasche, nahm ein ledernes Etui und brachte eine sorglich behütete, stumpfe Feder hervor. Nachdem er von dem Grafen nochmals erkundet hatte, was geschehen solle, zog er seine oben weit ausgebauschten, über die Beinkleider reichenden Strümpfe empor, schellte und putzte die Lichter am Wandleuchter sehr sorgfältig. Dann begann auf einem Feldtischchen die Arbeit des Schreibens, wobei der würdige Krieger eine seiner Thonpfeifen zerbrach und die andere, wie er sich ausdrückte, vernagelte. Doch hatte Gallois ein schon ziemliches Stück geschrieben, als ein Trompeter eintrat, gekleidet in die schöne Tracht der Reiter aus dem Franche-Comté. Der Mann, welcher im Palaste der Gesandtschaft Ordonnanz hatte, zeigte ein so schelmisches, südländisches Gesicht, daß man diesen Spaßmacher seiner Escadron [286] nur mit unwillkürlichem Vergnügen betrachten konnte. Der Bursch war höchstens dreiundzwanzig Jahre alt; seine schwarzen Augen zeigten den neckischen Schalk, auch wenn seine schmalen Lippen nicht so gutmüthig gelächelt hätten. Sein in langen Locken herabfallendes schwarzes Haar hätte eine Fürstin zieren können. Auf dem Kopfe trug er die Lagermütze, eine Art von Barett aus Fuchsfellen gemacht, mit großen Seitenklappen zum Niederschlagen bei schlimmen Regennächten. Jetzt standen diese Klappen, mit den Spitzen nach vorn gerichtet, unternehmend in die Höhe. Der Trompeter trug die Farben des französischen Königshauses und hatte einen schönen Waffenrock über sein ledernes Collet und eine breite, goldbefranste Schwertbinde. Die langen Stiefel der damaligen Reiterei waren so weit an den Schenkeln emporgestreift, daß sie das weite, dunkelrothe Beinkleid verbargen.

– Was befehlt Ihr, Lieutenant Gallois? fragte der Trompeter lächelnd.

– Bring’ diesen Brief nach dem Commandanten unserer Escadron und sag’ ihm: er habe hier zwar den Befehl, aber er werde gebeten, denselben nach geschehenem Durchlesen sofort zu verbrennen. Und er soll so wenig Aufsehen als möglich machen; doch muß er den Maler Terburg schaffen, er muß es . . .

In diesem Moment trat Niemand anders als Terburg selbst ins Gemach. Die beiden Soldaten sahen sich sehr betroffen an; Gallois aber faßte sich nicht so schnell als der schelmische Trompeter, welcher letztere sofort zum Grafen eilte, um ihm die unerwartete Nachricht zu überbringen. D’Avaux trat heraus und stand seinem verhaßten Nebenbuhler gegenüber.

Terburg winkte dem Grafen gebieterisch und d’Avaux verbeugte sich unwillkürlich, indeß er die Thür seines Cabinets öffnete und den Künstler eintreten ließ.

– Ich fordere Rechenschaft von Ihnen, Herr Graf, sagte Terburg. Eine Dame hat mir den Auftrag ertheilt, Sie für das unverantwortliche Benehmen zur Rechenschaft zu ziehen . . .

– Ah, gut, mein Herr! Sie sprechen von Alessandra Faletti! Aber glauben Sie in der That, daß ein Edelmann im Sinne haben konnte, eine Dame zu beleidigen?

Der Franzose sprach mit einer so bemerklichen Frivolität, daß Terburg, welcher noch keine Gelegenheit hatte, sich über den chamäleontischen Charakter des Grafen zu unterrichten, ihn erstaunt anblickte.

– Was wollen Sie weiter! sagte d’Avaux fast gutmüthig lächelnd. Ich habe Sie wahrlich noch nie so genau als heute Abend betrachtet; aber jetzt sehe ich, daß Signora Alessandra keineswegs zu verdammen ist, wenn sie den niederländischen Maler dem französischen Grafen vorzieht. Morbleu! Sie müssen indeß wissen, daß mich keineswegs blos die „rosige“ Liebe zu der eisenköpfigen Italienerin getrieben hat. Ich wollte von ihr Auskunft haben über eine Ehrenkränkung, die Sie mir zufügten . . .

– Ich? fragte Terburg.

– Ja! Warum haben Sie absichtlich den Grafen d’Avaux von Ihrem Gesandtenbilde ausgeschlossen? Wie, mein Herr! Alessandra hatte geäußert, daß ich auf ihren Betrieb von Ihnen ausgemerzt wurde? Eh bien! Es geziemt mir wohl, in diesem Punkte bei der Signora nach der Ursache ihres feindlichen Treibens zu forschen. Sie wies mich so lange ab, bis ich, endlich die Geduld verlierend, mir mit goldnem Schlüssel ihre wohlverwahrten Thüren öffnete. Statt aber sich zu entschuldigen, warf sie mir höhnend meine Unbedeutendheit vor, welche Sie zu verewigen [287] im Begriffe stehen. Wie, mein Herr, glauben Sie, es ist eine Kleinigkeit, wenn sich in etwa hundert Jahren Jemand auf Ihrem Bilde vergebens nach dem Grafen d’Avaux umsieht?

Der Graf warf sich mit sehr vornehmer Miene in seinen großen Lehnstuhl und schnitt mit großer Beharrlichkeit an seinen rosenfarbenen Nägeln. Dieser Herr sprach von derselben Alessandra, die ihn noch vor wenigen Minuten auf’s Höchste entflammte, mit einer Gleichgültigkeit, als rede er von dem schneeweißen Windspiel, welches eben auf einen Tisch sprang und sich’s mitten zwischen den hochwichtigen Staatspapieren des Grafen sehr bequem machte, ohne daß dieser nur einen Blick zur Seite geworfen hätte. Kaum konnte sich Terburg überreden, der Graf spreche die Wahrheit, und doch sah dieser feine, geübte Physiognomiker nur zu gewiß, daß der wetterwendische Franzose aus vollem Herzen heraus redete.

– Sie haben also nicht die Absicht, ferner der Signora Faletti beschwerlich zu werden? fragte Terburg, welcher, eitel im höchsten Grade wie er es war, sehr durch die Aeußerung des Grafen besänftigt worden war, daß man in hundert Jahren seine Bilder als ein Stück Weltgeschichte betrachten werde.

– Die Signora wird mich hier in Münster ertragen müssen, erwiderte d’Avaux mit feiner Ironie, denn der König von Frankreich schickt mich hierher, und bei aller Hochachtung vor schönen Frauen muß ich doch bezweifeln, daß das Belieben einer Theaterprinzessin derartige Befehle aufheben kann. Aber ich hatte die Absicht und habe sie noch, Ihnen beschwerlich zu fallen, Herr Maler. He, Gallois, Gallois!

Der Officier trat ein.

– Habt Ihr noch die Ordre für den Oberst Maraux?

Der Officier langte den Zettel aus seinen weiten Beinkleidertaschen hervor und gab ihn auf einen Wink des Grafen dem Maler. Dieser ward ziemlich betreten.

– Ja, ja, ich hätte Sie aufheben lassen, und Sie wären nicht fortgekommen, bevor Sie auch mich Ihrem Bilde einverleibt gehabt hätten. Und widerstreben Sie, so sind Sie, ich schwöre es Ihnen, noch in diesem Augenblicke nicht sicher, daß ich Sie gefangen nehmen und zu besagtem Zwecke einsperren lasse, mögen Sie und die Generalstaaten dann später sagen, was beliebt.

Terburg schwankte einen Augenblick in seinem Entschlusse. Am Ende aber behielt das allerdings für ihn Schmeichelhafte der Sache die Oberhand.

– Und ganz in den Vordergrund muß mein Bildniß kommen! näselte d’Avaux, dem Maler mit zerstreuter Miene eine Prise Tabak anbietend.

Beide sahen sich bei diesem Manöver in die Augen und Terburg konnte ein leises Lächeln nicht unterdrücken. Der Graf ward sehr ernst, dann schwenkte er sich auf der Zehenspitze rundum und brach in ein helles Gelächter aus.

D’Avaux reichte dem Maler die Hand.

– Sind wir Freunde? fragte der Franzose.

– Ja, aber Sie werden mich nicht durch Ihre Mousquetaires überfallen lassen.

– Gott bewahre mich vor diesem Frevel! Aber mein Portrait?

– Suchen Sie morgen selbst den Platz auf dem Bilde, wo Sie zu stehen wünschen, Excellenz.

– Ein Wort! rief d’Avaux sehr erheitert, in die dargebotene Hand des Malers heftig einschlagend.

[288] Aber noch Eins. Sie sehen, ich suche mir meinen äußerst dünnen Knebelbart hervorzuziehen, da ich vielleicht im andern Jahre zur Armee gehe. Der Bart müßte etwas üppiger gemalt werden . . .

Jetzt war die Reihe an Terburg zu lachen. Beide trennten sich als die besten Freunde.

Als Terburg ging, befanden sich Gallois und der Franche-Comtéer noch in dem Dienstzimmer.

– Ihr hattet mir eine vortreffliche Gefälligkeit zugedacht, Freunde! sagte der Niederländer. Erlaubt, daß ich meinerseits Euch meine Freundschaft beweise.

Gallois schmunzelte und der Trompeter fing eine lustige Melodie zu pfeifen an; denn Terburg legte den Herren zwei blanke Ducaten auf den kleinen Tisch. Als die Soldaten sich lebhaft bedankten, sagte Terburg heiter:

– O, Freunde, ich bin etwas eigennützig; ich gebe nie Geld umsonst. Ihr, Herr Officier, setzt Euch wohl eine Minute wieder an Euren Tisch, und Ihr, Herr Trompeter, könntet Euch mit gekreuzten Händen, das Gesicht zu mir gewandt, ungefähr so stellen, wie Ihr vorhin standet, als ich hier eintrat.

Nach einer halben Stunde hatte Terburg eine Skizze zu einem allerliebsten Genrebilde, obgleich der Maler in seiner Arbeit fortwährend durch den Grafen gestört wurde, welcher ihm unermüdlich seine Bemerkungen machte.

Alessandra aber empfing am folgenden Tage ein Billet mit dem Perlenhalsbande und den Diamanten. Er schrieb:

– Madame! Ich habe bei Terburg mein Portrait bestellt. Da zu vermuthen steht, daß die Bezahlung dafür in Ihre liebenswürdige Tasche wandern wird: so will ich dem von mir zu zahlenden Ehrensolde den Weg ersparen und sende denselben ohne Weiteres zu Ihnen. D’Avaux.

Daß die Faletti von diesem Augenblicke an einen unauslöschlichen Haß gegen den Franzosen empfand, versteht sich von selbst. D’Avaux aber nahm richtig einen Ehrenplatz auf dem Bilde der Gesandten ein, welches sich gegenwärtig im Besitze des Fürsten Demidoff in Petersburg befindet.