Der Todesgang des armenischen Volkes/Erster Teil/Erstes Kapitel/Zweiter Teil/Erster Abschnitt
Das Wilajet Trapezunt gehört nicht zu den ursprünglich armenischen Provinzen. Die Gesamtbevölkerung des Wilajets Trapezunt betrug nach Cuinet rund 1 047 700. Davon entfallen ein Viertel auf die christliche Bevölkerung, auf die Griechen allein wenigstens 200 000. Die muhammedanische Bevölkerung besteht aus Türken, Lasen, Tscherkessen und türkischen Nomadenstämmen. In den Küstenstädten überwiegt das griechische Element. Während sich in den übrigen ostanatolischen Wilajets Erzerum, Wan, Bitlis, Kharput, Siwas die armenische Bevölkerung zwischen 165 000 und 215 000 Seelen pro Wilajet bewegte, und auch im Wilajet Diarbekir noch 105 000 erreichte, zählte sie im Wilajet Trapezunt nur 53 500, davon 2500 Katholiken und 1000 Protestanten. Die armenische Bevölkerung verteilt sich folgendermaßen: 10 000 lebten in der Stadt Trapezunt und Umgebung, 12 700 in andern Küstenorten, wie Ordu, Kerasunt und den Dörfern in ihrer Nachbarschaft. Auf das Sandschak Samsun und seine Küstenstädte Samsun, Therme, Unia kamen 30 800.
Der Wali von Trapezunt ebenso wie der Militärkommandant waren den Armeniern freundlich gesinnt. Auch die muhammedanische und griechische Bevölkerung lebte in gutem Frieden mit ihnen. Als unter Leitung des jungtürkischen Klubs in Trapezunt Banden (Tschettehs) gebildet wurden, die sich Ausschreitungen gegen die Armenier zu schulden kommen ließen, wollte der türkische Militärkommandant die Banden wieder auflösen. Auch der Minister des Innern Taalat Bey telegraphierte nach Trapezunt, man solle die Armenier schützen und kein Blut vergießen.
Als die Entwaffnung der Armenier begann und Haussuchungen stattfanden, tat der armenische Aradschnort (Metropolit) Turian Schritte beim Wali, um offiziell festzustellen, daß die Armenier ihre Waffen abgeliefert hätten, und daß sich keine Bomben in ihrem Besitz befanden. Der Prälat Turian ist ein hochgebildeter Mann, der seine Bildung in Deutschland erworben und in Berlin Theologie und Philosophie studiert hat. Am 12. Juni wurde er ohne Grund verhaftet, nach Erzerum transportiert und dort eingekerkert. Unruhen irgendwelcher Art hatten in Trapezunt nicht stattgefunden. Irgendwelche Beschuldigungen sind, soviel man weiß, gegen die Bevölkerung nicht erhoben worden.
Das nun folgende ist der Wortlaut des Konsularberichts des amerikanischen Konsuls von Trapezunt Oskar S. Heizer, vom 28. Juli 1915. Der Inhalt wurde in allen Teilen aus katholischen und griechischen Quellen bestätigt.
„Am Sonnabend den 26. Juni wurde der Befehl, die Deportation der Armenier betreffend, in den Straßen angeschlagen. Am Donnerstag den 1. Juli wurden alle Straßen von Gendarmen mit aufgepflanzten Bajonetten bewacht, und das Werk der Austreibung der Armenier aus ihren Häusern begann. Gruppen von Männern, Frauen und Kindern mit Lasten und Bündeln auf dem Rücken wurden in einer kleinen Querstraße in der Nähe des Konsulats gesammelt, und, sobald etwa 100 zusammengekommen waren, wurden sie von Gendarmen mit aufgepflanztem Bajonett am Konsulat vorüber in Hitze und Staub auf der Straße nach Erzerum hingetrieben. Außerhalb der Stadt ließ man sie halten, bis etwa 2000 beisammen waren; dann schickte man sie weiter. Drei solcher Gruppen, zusammen etwa 6000, wurden während der ersten drei Tage von hier verschickt, und kleinere Gruppen aus Trapezunt und der Umgegend, die später deportiert wurden, beliefen sich auf weitere etwa 4000. Das Weinen und Klagen der Frauen und Kinder war herzzerreißend. Einige dieser Armen stammten aus reichen und vornehmen Kreisen. Sie waren Reichtum und Wohlstand gewöhnt. Da waren Geistliche, Kaufleute, Bankiers, Juristen, Mechaniker, Handwerker, Männer aus allen Lebenskreisen. Der Generalgouverneur sagte mir, sie dürften Anordnungen für Fuhrwerke treffen, aber niemand schien irgend etwas vorzubereiten. Doch weiß ich von einem Kaufmann, der 15 türk. Pfd. (270 Mk.) für einen Wagen bezahlte, der ihn und seine Frau nach Erzerum bringen sollte; doch als sie an dem Sammelplatz ankamen, etwa 10 Minuten von der Stadt entfernt, wurde ihnen von den Gendarmen befohlen, den Wagen zu verlassen, der nach der Stadt zurückgeschickt wurde. Die ganze muhammedanische Bevölkerung wußte von Anfang an, daß diese Leute ihnen zur Beute fallen würden, und sie wurden behandelt wie Verbrecher. In Trapezunt wurde, vom 25. Juni, dem Datum der Proklamation, an, keinem Armenier gestattet, etwas zu verkaufen, und bei Strafe wurde jedem verboten, etwas von ihnen zu kaufen. Wie sollten sie da die Mittel für die Reise beschaffen? 6 oder 8 Monate lang war in Trapezunt keinerlei Geschäft betrieben worden, und die Menschen hatten ihr Kapital verzehrt. Warum hat man sie verhindern wollen, Teppiche oder irgend etwas zu verkaufen, um das für die Reise nötige Geld zu beschaffen? Viele Leute, die Besitztümer hatten, die sie hätten verkaufen können, wenn sie die Erlaubnis gehabt hätten, mußten zu Fuß gehen, mittellos und nur mit dem versehen, was sie in ihren Häusern zusammenraffen und auf dem Rücken tragen konnten. Sie wurden, wenn sie in Folge von Erschöpfung zurückbleiben mußten, mit dem Bajonett erstochen und in den Fluß geworfen. Ihre Leichen wurden an Trapezunt vorüber ins Meer getrieben, oder hingen im seichten Flusse an den Felsen, wo sie 10 bis 12 Tage blieben und verwestem, zum Entsetzen der Reisenden, die diesen Weg nehmen mußten. Ich habe mit Augenzeugen gesprochen, die bestätigten, daß man viele nackte Leichen an Baumstümpfen im Fluß gesehen habe, 15 Tage nach dem Geschehnis, und daß der Geruch fürchterlich gewesen sei.
Am 17. Juli, als ich mit dem deutschen Konsul ausgeritten war, trafen wir 3 Türken, die ein Grab im Sande gruben für einen nackten Leichnam, den wir dicht dabei im Flusse sahen. Die Leiche sah aus, als habe sie 10 Tage oder länger im Wasser gelegen. Die Türken sagten, sie hätten soeben weiter oben im Flußlauf andere 4 begraben. Ein anderer Türke sagte uns, daß, kurz bevor wir erschienen, eine Leiche den Fluß hinab ins Meer getrieben sei.
Mit Dienstag dem 6. Juli waren alle armenischen Häuser in Trapezunt, etwa 1000, geleert und ihre Bewohner deportiert worden. Es wurde nicht festgestellt, ob jemand der Teilnahme an irgend einer gegen die Regierung gerichteten Bewegung schuldig war. Wenn jemand Armenier war, so genügte das, um als Verbrecher behandelt und deportiert zu werden. Zu Anfang hieß es, es sollten alle außer den Kranken gehen, welch letztere in das städtische Krankenhaus gebracht wurden, bis sie wohl genug seien. Später wurden die alten Männer und Frauen, schwangere Frauen und Kinder, solche die bei der Regierung beschäftigt waren, und die katholischen Armenier ausgenommen. Schließlich wurde entschieden, daß auch alte Männer und Frauen und auch die Katholiken gehen müßten, und sie alle wurden dem letzten Transport nachgeschickt. Eine Anzahl Leichterschiffe wurde nacheinander mit Leuten beladen und nach Samsun geschickt. Der Glaube ist allgemein, daß sie ertränkt wurden. Während der ersten Tage der allgemeinen Deportation wurde ein großes Kajik-Boot mit Männern[1] beladen, die man für Mitglieder der armenischen Komitees hielt, und nach Samsun gesandt. Zwei Tage später kam ein bekannter russischer Untertan, namens Wartan, der mit jenem Boot abgefahren war, über Land nach Trapezunt zurück, am Kopfe stark verwundet und so verwirrt, daß er sich nicht verständlich zu machen vermochte. Alles was er zu sagen vermochte, war: „Bum, Bum!“ – Er wurde von den Behörden festgenommen und ins Krankenhaus gebracht, wo er am nächsten Tage starb. Ein Türke berichtete, daß jenes Boot nicht weit von Trapezunt einem anderen mit Gendarmen besetzten begegnet wäre, welche daran gegangen wären, alle Männer zu töten und sie über Bord zu werfen. Sie glaubten, alle getötet zu haben, aber dieser Russe, der groß und stark war, war nur verwundet worden und schwamm unbemerkt ans Land. Eine Anzahl solcher Kajik-Boote, mit Männern beladen, verließ Trapezunt. Meist kehrten sie nach einigen Stunden leer zurück.
Toz, ein Dorf, etwa 2 Stunden von Trapezunt, wird von gregorianischen und katholischen Armeniern und Türken bewohnt. Ein reicher und einflußreicher Armenier, Boghos Marimian, wurde, wie ein zuverlässiger Augenzeuge berichtet, mit seinen beiden Söhnen getötet. Sie wurden hintereinander aufgestellt und erschossen. 45 Männer und Frauen wurden eine kurze Strecke vom Dorfe entfernt in ein Tal geführt. Die Frauen wurden zuerst von den Gendarmerieoffizieren vergewaltigt und dann den Gendarmen zur Verfügung überlassen. Diesem Augenzeugen zufolge wurde ein Kind dadurch getötet, daß man ihm an einem Felsen den Schädel einschlug.
Auch der Plan, die Kinder zu retten, mußte aufgegeben werden. Man hatte sie in Trapezunt in Schulen und Waisenhäusern untergebracht, unter Aufsicht eines Komitees, das von dem griechischen Erzbischof organisiert und unterstützt wurde, dessen Präsident der Wali, Vizepräsident der Erzbischof und dessen Mitglieder 3 Christen und 3 Muhammedaner waren. Jetzt werden die Mädchen ausschließlich in muhammedanische Familien gegeben und dadurch auseinandergerissen. Das Ausheben der Waisenhäuser und die Verteilung der Kinder war eine große Enttäuschung für den griechischen Erzbischof, der für diesen Plan so eifrig gearbeitet und sich die Unterstützung des Wali gesichert hatte, aber dem Leiter des „Komitees für Einheit und Fortschritt“[2], der den Plan mißbilligte, gelang es, ihn sehr bald zu durchkreuzen. Viele Knaben scheinen fortgesandt worden zu sein, um unter die Farmer verteilt zu werden. Die hübschesten unter den älteren Mädchen, die in den Waisenhäusern als Pflegerinnen zurückbehalten worden waren, wurden in Häuser aufgenommen, die dem Vergnügen der Mitglieder der Klique dienen, die hier die Dinge zu regieren scheint. Aus guter Quelle habe ich gehört, daß ein Mitglied des „Komitees für Einheit und Fortschritt“ hier 10 der schönsten Mädchen in einem Haus im Zentrum der Stadt hat, für seinen und seiner Freunde Gebrauch. Einige kleinere Mädchen sind in anständigen muhammedanischen Familien untergebracht worden. Einige frühere Schülerinnen der amerikanischen Mission sind jetzt in muhammedanischen Familien in der Nähe der Mission untergebracht worden, aber natürlich hat die Mehrzahl nicht dieses Glück gehabt.
Die 1000 armenischen Häuser werden, eins nach dem andern, von der Polizei geleert. Möbel, Bettzeug und alles Wertvolle wird in großen Gebäuden in der Stadt aufbewahrt. Es wird kein Versuch gemacht, die Sachen zu ordnen, und der Gedanke, das Eigentum in „Ballen“ aufzubewahren, „unter dem Schutze der Regierung, um es den Eigentümern bei ihrer Heimkehr zurückzuerstatten“, ist einfach lächerlich. Die Besitztümer werden aufgeschichtet, ohne jeglichen Versuch, sie zu registrieren oder ein System in die Speicherung zu bringen. Ein Haufen türkischer Frauen und Kinder folgen den Polizeibeamten auf Schritt und Tritt wie eine Schar Geier und ergreifen alles, dessen sie habhaft werden können. Werden die wertvolleren Sachen von der Polizei aus einem Haus getragen, so stürzt die Meute hinein und holt, was noch da ist. Ich sehe diesen Vorgang jeden Tag mit eigenen Augen. Ich glaube, es wird mehrere Wochen in Anspruch nehmen, die Häuser alle zu leeren, und dann werden die armenischen Läden und Kaufhäuser ausgeräumt werden. Die Kommission, die die Sache in der Hand hat, spricht jetzt davon, die große Sammlung von Haushaltungsgegenständen und anderem Eigentum zu verkaufen, „um die Schulden der Armenier zu bezahlen“. Der deutsche Konsul sagte mir, er glaube nicht, daß die Armenier nach Trapezunt zurückkehren dürften, nicht einmal nach Beendigung des Krieges.
Ich sprach eben mit einem jungen Mann, der seiner Militärpflicht im „Inscha’at-Taburi“ (Armierungstruppen) genügt und auf den Straßen nach Gümüschhane arbeitete.
Er erzählte mir, daß vor 14 Tagen alle Armenier, ca. 180, von den übrigen Arbeitern getrennt worden seien. Er hörte den Knall der Büchsen und war nachher einer von denen, die geschickt wurden, um die Leichen zu begraben. Er konstatierte, daß sie alle nackend waren; man hatte sie ihrer Kleider beraubt.
Eine Anzahl von Frauen- und Kinderleichen sind von den Wellen an den sandigen Strand angespült worden, unterhalb der Mauern des italienischen Klosters hier in Trapezunt. Sie wurden von hiesigen griechischen Frauen am Strand begraben, wo man sie gefunden hatte“.
Soweit der amerikanische Konsularbericht[3].
1)
Die letzte Phase der Verfolgungsgeschichte spielte sich im Kaukasus ab, als nach dem Frieden von Brest-Litowsk die russische Armee sich zurückzog und den Kaukasus der Invasion der türkischen Truppen preisgab. Über die Vorgänge im Kaukasus vgl. „Deutschland und Armenien 1914–1918“. Sammlung diplomatischer Aktenstücke, hersg. und eingel. von Dr. Johannes Lepsius. Der Tempelverlag in Potsdam 1919. Einl. S. XLV und die Aktenstücke d. Js. 1918, S. 365 ff.
2) Über Nazareth Tschauch und die Entstehung der Unruhen in Zeitun vgl. Lepsius, Dtschl. und Arm. S. IX ff. und die Berichte von Konsul Roeßler, Aleppo, Aktenstücke Nr. 11 und 25.
3) Die Gesamtzahl der Deserteure, die, aus Christen und Muhammedanern bestehend, schon vor dem Kriege seit 1913 sich in die Berge geflüchtet hatten, betrug zu der Zeit nach Mitteilung von Herrn Konsul Roeßler etwa 150. Der Verlust der Toten und Verwundeten bei dem Angriff auf das Kloster wird von ihm auf „eine Anzahl Toter und Verwundeter“ angegeben.
4) Die Zahl von 20 000 Seelen umfaßt auch die Dörfer in der Umgegend von Zeitun.
5) Über die Vorgänge in Dörtjol sind nähere Berichte in dem deutschen Konsularbericht aus Adana vom 13. März 1915 gegeben. Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 19.
6) Über die Vorgänge in Urfa siehe die Berichte des deutschen Konsuls Herrn Roeßler von Aleppo, Lepsius, Dtschl. und. Arm. Nr. 193, 202 und 226 Anl. 1. Am 19. und 20. August fanden Massakers statt, bei denen etwa 200 Armenier getötet wurden. Am 29. September setzten sich die Armenier, um der drohenden Deportation zu entgehen, in Verteidigungszustand in ihrem Stadtviertel. Vom 4. bis zum 15. Oktober währte die Belagerung des Viertels durch türkische Truppen, wobei diese 50 Tote und 120 bis 130 Verwundete hatten. Die männliche armenische Bevölkerung der Stadt wurde, nachdem der Widerstand gebrochen war, zum größten Teil getötet, die Frauen und Kinder deportiert. Die Stadt zählte vor der Deportation etwa 20 000 Armenier.
7) Dazu schrieb Prediger J. Spörri, Leiter der Station Wan des deutschen Hilfsbundes für Christliches Liebeswerk im Orient, am 7. 10. 1916 aus Zürich an den Verfassen
„Als am 20. 4. 15 die Feindseligkeiten vor meinen Augen ausgebrochen waren und in schauerlicher Weise auf uns geschossen wurde, war ich gedrungen, an den Wali zu schreiben. Ich erzählte den Anfang der Feindseligkeiten, teilte mit, daß wir dem Kugelregen ausgesetzt seien, ersuchte, da ich annehmen mußte, daß solches unmöglich nach dem Wollen des Walis sein könne, um weitere Vermeidung solcher Handlungen und bat, die Streitigkeiten friedlich zu ordnen. Mit meinem Schreiben ging ich zu Dr. Usher (es war das ein gefährlicher Weg, da unaufhörlich geschossen wurde), las ihm den Inhalt vor und veranlaßte ihn, von seiner Seite ein Gleiches zu tun. Der Brief vom 23. 4. von Djevdet Bey war die Antwort auf unser Schreiben. Übrigens hatte ich die Verteidiger gebeten, sie möchten sich von der Front unserer Station zurückziehen, da sie das Feuer auf uns zögen. Ich hatte die Genugtuung, daß mein Wunsch erfüllt wurde. Freilich war auch so von einem Aufhören des Feuers gegen uns nicht die Rede.“
8) Auch der Wali Rachmi Bei wurde schließlich, wenn auch erst ein Jahr nach der allgemeinen Deportation, durch den Befehl der Regierung von Konstantinopel gezwungen, den Befehl zur Deportation zu geben. Lediglich dem Einschreiten des Oberbefehlshabers General Liman von Sanders, der mit militärischem Widerstand drohte, ist es zu danken, daß die Deportation der Armenier von Smyrna nicht zur Ausführung kam. Vgl. Lepsius, Dtschl. und Arm. S. LIX und die Aktenstücke Nr. 306, 307, 308.
9)
Vgl. den fesselnden Bericht über die Flucht der Armenier von Suedije von Pastor Digran Andreasjan, der im Anhang von Lepsius, Dtschl. und Arm. abgedruckt, auch im Tempelverlag in Potsdam separat erschienen ist, „Suedije, eine Episode aus den Armenierverfolgungen des Jahres 1915.“ M. 0,50.
10) Durch Gesetz vom 1. August 1916 wurde ein Jahr darauf die alte Kirchenverfassung der gregorianischen Kirche zerstört und das Patriarchat von Konstantinopel in das Kloster Mar Jakub in Jerusalem verlegt. Erst nach dem Sturz der jungtürkischen Regierung und dem Zusammenbruch der Türkei wurde das Gesetz wieder aufgehoben.
11) Nach dem Zusammenbruch der Türkei ist das ursprüngliche Programm der Daschnagzagan natürlich gegenstandslos geworden. Auf den Glücksfall, daß die beiden Feinde der Armenier, die Türkei und Russland, gleichzeitig zusammenbrechen würden, so daß für ein völlig unabhängiges Groß-Armenien Raum wurde, konnte kein politisches Programm im voraus rechnen.
12) Wartkes wurde zusammen mit Sohrab auf dem Wege von Urfa nach Diarbekir durch die begleitenden Gendarmen auf Befehl der Regierung ermordet. Lepsius, Dtschl. und Arm. S. 109.
13) Die Polizei in Konstantinopel hat nachträglich zwei Bilderbücher mit Haufen von Gewehren, Bomben, Fahnen und dergl. veröffentlicht, die nur Unkundige über den Wert solcher Machwerke täuschen können. Eine Charakteristik dieser Publikation hat die Deutsch-Armenische Gesellschaft veröffentlicht.
14) Vgl. den Bericht des deutschen Botschafters Freiherrn von Wangenheim in Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 38. „Die Behauptung, es lägen Beweise vor, daß für den Tag des Thronbesteigungsfestes ein Putsch beabsichtigt gewesen sei, erklärte Talaat Bey für unzutreffend.“ Die Pforte selbst erklärte offiziell die Verschickung der Konstantinopler Intellektuellen nur für eine Vorbeugungsmaßregel.
15) Die letzte türkische Lesung lautete, daß alle 180 000 Muselmanen von den Armeniern massakriert worden seien. Vgl. Lepsius, Dtschl. und Arm. S. LXXIII f.
16) Vgl. dazu die Berichte des deutschen Konsuls Herrn Anders in Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 5, 6 und 10.
17) Das später erschienene Communiqué der türkischen Regierung über die Vorgänge in Urfa wird von dem deutschen Konsul Herrn Roeßler in Aleppo in seinem Bericht vom 16. November 1915 einer Kritik unterzogen. Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 202.
18) Vgl. Lepsius, Dtschl. und Arm. Einl Kap. V, 5: Die offizielle Motivierung. S. LXVI ff.
19) Vgl. die Urteile der deutschen Botschafter und Konsuln ebenda S. LXXVI ff.
20) Vgl. das Urteil des deutschen Botschafters Graf Wolff-Metternich in Lepsius, Dtschl. und. Arm. Nr. 287.
21) Vgl. die Urteile deutscher Konsuln in Lepsius, Dtschl. und Arm. S. LXXVI ff.
22) Wäre die Türkei siegreich aus dem Krieg hervorgegangen, so wäre allerdings nicht daran zu denken gewesen, daß der Raub des gesamten Nationalgutes des armenischen Volkes wieder rückgängig gemacht worden wäre. Auch jetzt wird es schwer sein, auch nur einen beträchtlichen Teil der beweglichen Habe den Dieben und Räubern, die daß Gut schon längst verschleudert haben werden, zu entreißen.
23) Vgl. den Bericht über die Verhandlungen im türkischen Senat vom Oktober und November 1915 in Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 223.
24) Vgl. zu diesem Kapitel den Abschnitt: Zwangsbekehrungen zum Islam, in der Einleitung von Lepsius, Dtschl. und Arm. und ebenda die Konsularberichte laut Sachregister unter Zwangsbekehrungen.
25) Vgl. den Bericht des deutschen Vizekonsuls Herrn Kuckhoff vom 4. Juli 1915 aus Samsun, Lepsius, Dtschl. und Arm. Nr. 116 Anlage.
26) Nur unter den syrischen Nestorianern gab es eine kleine hochkirchliche Mission, die am Sitz des nestorianischen Patriarchen in Kodschannes bei Djulamerg im oberen Zabtal und in Urmia auf persischem Gebiet eine Vertretung hatte und eine Art Nuntiatur des Erzbischofs von Canterbury bei dem nestorianischen Patriarchat bildete. Diese hochkirchlichen Herren haben niemals mit Armenien oder der armenischen Frage zu tun gehabt und sich ausschließlich auf die syrischen Nestorianer beschränkt.
27) Dies war Anfang 1916 geschrieben. Nach der Vernichtung ihres Volkstums in der Türkei würden es jetzt natürlich alle noch Überlebenden Armenier ablehnen, unter türkische Herrschaft zurückzukehren.
28) Vielleicht wird Herr Bratter nach der Veröffentlichung der diplomatischen Aktenstücke über den Vernichtungskampf der Türken gegen die christlichen Armenier durch die Urteile der deutschen Botschafter und Konsuln jetzt eines Besseren belehrt werden.
29) Den genannten Städten ist noch Aleppo hinzuzufügen, wo dank der rastlosen Bemühungen des deutschen Konsuls wenigstens die ortsansässige Bevölkerung von der Deportation verschont blieb. Die Armenier von Bagdad waren zunächst nach Mossul deportiert worden und sollten von dort weitergeschafft werden. Der Einspruch des Feldmarschalls Freiherrn von der Goltz, der den Weitertransport untersagte, wurde von der Regierung in Konstantinopel erst respektiert, als der Feldmarschall wegen dieser Sache telegraphisch um seine sofortige Abberufung bat. S. Lepsius, Dtschl. und Arm. Einl. S. LIX und Aktenstück Nr. 224.
30)
Über den Gesamtverlust an Ermordeten und Verhungerten, der auf eine Million geschätzt wird, vgl. Lepsius Dtschl. und Arm. Einleitung V, 4, S. LXIII, das Kapitel: Opfer.