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Der Tannhäuser

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Textdaten
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Autor: Heinrich Heine
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Titel: Der Tannhäuser
Untertitel:
aus: Neue Gedichte.
Seiten 111-128
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1844
Verlag: Hoffmann und Campe
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Sehe auch »Elementargeister«.
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[111]

 Der Tannhäuser.
 Eine Legende.
     (Geschrieben 1836.)



[113]
 I.

Ihr guten Christen laßt Euch nicht
Von Satans List umgarnen!
Ich sing’ Euch das Tannhäuserlied
Um eure Seelen zu warnen.

5
Der edle Tannhäuser, ein Ritter gut,

Wollt’ Lieb’ und Lust gewinnen,
Da zog er in den Venusberg,
Blieb sieben Jahre drinnen.

Frau Venus, meine schöne Frau,

10
Leb wohl, mein holdes Leben!

Ich will nicht länger bleiben bey dir,
Du sollst mir Urlaub geben.

[114]
„Tannhäuser, edler Ritter mein,

Hast heut mich nicht geküsset;

15
Küss’ mich geschwind, und sage mir:

Was du bei mir vermisset?

„Habe ich nicht den süßesten Wein
Tagtäglich dir kredenzet?
Und hab’ ich nicht mit Rosen dir

20
Tagtäglich das Haupt bekränzet?“


Frau Venus, meine schöne Frau,
Von süßem Wein und Küssen
Ist meine Seele geworden krank;
Ich schmachte nach Bitternissen.

25
Wir haben zuviel gescherzt und gelacht,

Ich sehne mich nach Thränen,
Und statt mit Rosen möcht’ ich mein Haupt
Mit spitzigen Dornen krönen.

[115]
„Tannhäuser, edler Ritter mein,
30
Du willst dich mit mir zanken;

Du hast geschworen viel tausendmal,
Niemals von mir zu wanken.

„Komm laß uns in die Kammer gehn,
Zu spielen der heimlichen Minne;

35
Mein schöner liljenweißer Leib

Erheitert deine Sinne.“

Frau Venus, meine schöne Frau,
Dein Reiz wird ewig blühen;
Wie viele einst für dich geglüht,

40
So werden noch viele glühen.


Doch denk ich der Götter und Helden die einst
Sich zärtlich daran geweidet,
Dein schöner liljenweißer Leib,
Er wird mir schier verleidet.

45
[116]
Dein schöner liljenweißer Leib

Erfüllt mich fast mit Entsetzen,
Gedenk’ ich, wie viele werden sich
Noch späterhin dran ergetzen!

„Tannhäuser, edler Ritter mein,

50
Das sollst du mir nicht sagen,

Ich wollte lieber du schlügest mich,
Wie du mich oft geschlagen.

„Ich wollte lieber du schlügest mich,
Als daß du Beleidigung sprächest,

55
Und mir, undankbar kalter Christ,

Den Stolz im Herzen brächest.

„Weil ich dich geliebet gar zu sehr,
Hör’ ich nun solche Worte –
Leb wohl, ich gebe Urlaub dir,

60
Ich öffne dir selber die Pforte.“




[117]
 II.

Zu Rom, zu Rom, in der heiligen Stadt,
Da singt es und klingelt und läutet;
Da zieht einher die Prozession,
Der Pabst in der Mitte schreitet.

5
Das ist der fromme Pabst Urban,

Er trägt die dreifache Krone,
Er trägt ein rothes Purpurgewand,
Die Schleppe tragen Barone.

„O heiliger Vater, Pabst Urban,

10
Ich laß dich nicht von der Stelle,

Du hörest zuvor meine Beichte an,
Du rettest mich von der Hölle!“

[118]
Das Volk es weicht im Kreis’ zurück,

Es schweigen die geistlichen Lieder: –

15
Wer ist der Pilger bleich und wüst,

Vor dem Papste kniet er nieder?

„O heiliger Vater, Pabst Urban,
Du kannst ja binden und lösen,
Errette mich von der Höllenqual

20
Und von der Macht des Bösen.


„Ich bin der edle Tannhäuser genannt,
Wollt Lieb und Lust gewinnen,
Da zog ich in den Venusberg,
Blieb sieben Jahre drinnen.

25
„Frau Venus ist eine schöne Frau,

Liebreizend und anmuthreiche;
Wie Sonnenschein und Blumenduft
Ist ihre Stimme, die weiche.

[119]
„Wie der Schmetterling flattert um eine Blum’,
30
Am zarten Kelch zu nippen,

So flattert meine Seele stets
Um ihre Rosenlippen.

„Ihr edles Gesicht umringeln wild
Die blühend schwarzen Locken;

35
Schau’n dich die großen Augen an,

Wird dir der Athem stocken.

„Schau’n dich die großen Augen an,
So bist du wie angekettet;
Ich habe nur mit großer Noth

40
Mich aus dem Berg gerettet.


„Ich hab’ mich gerettet aus dem Berg,
Doch stets verfolgen die Blicke
Der schönen Frau mich überall,
Sie winken: komm’ zurücke!

45
[120]
„Ein armes Gespenst bin ich am Tag,

Des Nachts mein Leben erwachet,
Dann träum’ ich von meiner schönen Frau,
Sie sitzt bei mir und lachet.

„Sie lacht so gesund, so glücklich, so toll,

50
Und mit so weißen Zähnen!

Wenn ich an dieses Lachen denk’,
So weine ich plötzliche Thränen.

„Ich liebe sie mit Allgewalt,
Nichts kann die Liebe hemmen!

55
Das ist wie ein wilder Wasserfall,

Du kannst seine Fluthen nicht dämmen;

„Er springt von Klippe zu Klippe herab,
Mit lautem Tosen und Schäumen,
Und bräch’ er tausendmal den Hals,

60
Er wird im Laufe nicht säumen.


[121]
„Wenn ich den ganzen Himmel besäß’,

Frau Venus schenkt’ ich ihn gerne;
Ich gäb’ ihr die Sonne, ich gäb’ ihr den Mond,
Ich gäbe ihr sämmtliche Sterne.

65
„Ich liebe sie mit Allgewalt,

Mit Flammen, die mich verzehren, –
Ist das der Hölle Feuer schon,
Die Gluthen, die ewig währen?

„O, heiliger Vater, Papst Urban,

70
Du kannst ja binden und lösen!

Errette mich von der Höllenqual
Und von der Macht des Bösen.“

Der Pabst hub jammernd die Händ’ empor,
Hub jammernd an zu sprechen:

75
„Tannhäuser, unglückselger Mann,

Der Zauber ist nicht zu brechen.

[122]
„Der Teufel, den man Venus nennt,

Er ist der Schlimmste von allen;
Erretten kann ich dich nimmermehr

80
Aus seinen schönen Krallen.


„Mit deiner Seele mußt du jetzt
Des Fleisches Lust bezahlen,
Du bist verworfen, du bist verdammt
Zu ewigen Höllenqualen.“


[123]
 III.

Der Ritter Tannhäuser er wandelt so rasch,
Die Füße, die wurden ihm wunde.
Er kam zurück in den Venusberg
Wohl um die Mitternachtstunde.

5
Frau Venus erwachte aus dem Schlaf,

Ist schnell aus dem Bette gesprungen;
Sie hat mit ihrem weißen Arm
Den geliebten Mann umschlungen.

Aus ihrer Nase rann das Blut,

10
Den Augen die Thränen entflossen;

Sie hat mit Thränen und Blut das Gesicht
Des geliebten Mannes begossen.

[124]
Der Ritter legte sich in’s Bett,

Er hat kein Wort gesprochen.

15
Frau Venus in die Küche ging,

Um ihm eine Suppe zu kochen.

Sie gab ihm Suppe, sie gab ihm Brod,
Sie wusch seine wunden Füße,
Sie kämmte ihm das struppige Haar,

20
Und lachte dabey so süße.


„Tannhäuser, edler Ritter mein,
Bist lange ausgeblieben,
Sag an, in welchen Landen du dich
So lange herumgetrieben?“

25
Frau Venus, meine schöne Frau,

Ich hab’ in Welschland verweilet;
Ich hatte Geschäfte in Rom und bin
Schnell wieder hierher geeilet.

[125]
Auf sieben Hügeln ist Rom gebaut,
30
Die Tiber thut dorten fließen;

Auch hab’ ich in Rom den Pabst gesehn,
Der Pabst er läßt dich grüßen.

Auf meinem Rückweg sah ich Florenz,
Bin auch durch Mailand gekommen,

35
Und bin alsdann mit raschem Muth

Die Schweiz hinaufgeklommen.

Und als ich über die Alpen zog
Da fing es an zu schneyen,
Die blauen Seen die lachten mich an,

40
Die Adler krächzen und schreien.


Und als ich auf dem Sankt-Gotthardt stand,
Da hört ich Deutschland schnarchen;
Es schlief da unten in sanfter Huth
Von sechs und dreißig Monarchen.

45
[126]
In Schwaben besah ich die Dichterschul’,

Gar liebe Geschöpfchen und Tröpfchen!
Auf kleinen Kackstühlchen saßen sie dort,
Fallhütchen auf den Köpfchen.

Zu Frankfurt kam ich am Schabbes an,

50
Und aß dort Schalet und Klöse;

Ihr habt die beste Religion,
Auch lieb’ ich das Gänsegekröse.

In Dresden sah ich einen Hund,
Der einst gehört zu den Bessern,

55
Doch fallen ihm jetzt die Zähne aus,

Er kann nur bellen und wässern.

Zu Weimar, dem Musenwittwensitz,
Da hört’ ich viel Klagen erheben,
Man weinte und jammerte: Goethe sey todt

60
Und Eckermann sey noch am Leben!


[127]
Zu Potsdam vernahm ich ein lautes Geschrey –

Was giebt es? rief ich verwundert.
„Das ist der Gans in Berlin, der liest
Dort über das letzte Jahrhundert.“

65
Zu Göttingen blüht die Wissenschaft,

Doch bringt sie keine Früchte.
Ich kam dort durch in stockfinstrer Nacht,
Sah nirgendswo ein Lichte.

Zu Celle im Zuchthaus sah ich nur

70
Hannoveraner – O Deutsche!

Uns fehlt ein Nationalzuchthaus
Und eine gemeinsame Peitsche!

Zu Hamburg frug ich: warum so sehr
Die Straßen stinken thäten?

75
Doch Juden und Christen versicherten mir,

Das käme von den Fleeten.

[128]
Zu Hamburg, in der guten Stadt,

Wohnt mancher schlechte Geselle;
Und als ich auf die Börse kam,

80
Ich glaubte ich wär’ noch in Celle.


Zu Hamburg sah ich Altona,
Ist auch eine schöne Gegend;
Ein andermal erzähl’ ich Dir
Was mir alldort bege’gent.