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Der Tag von Düppel

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Titel: Der Tag von Düppel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 380–383;373
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Tag von Düppel.
Nach den Mittheilungen eines preußischen Officiers.

Bereits seit dem 12. Februar lagen die Preußen vor Düppel, aber unbegreiflicher Weise war das zu einer Belagerung so stark befestigter Werke unentbehrliche schwere Geschütz noch immer nicht eingetroffen. Endlich nach einem Zeitverluste von mehr als einem Monate, in der Nacht vom 29. zum 30. März, hatte man allmählich soviel Belagerungsmaterial zusammen, um ernstlich an’s Werk gehen und zur Eröffnung der ersten Angriffs-Parallele schreiten zu können. Welcher Combination von Ursachen diese unerklärliche Zögerung in dem Herbeischaffen des nöthigen Artillerieparks beigemessen werden muß – das wollen wir jetzt, wo die Ereignisse den Bismarck-Rechberg’schen Plänen über den Kopf gewachsen sind, und in die alten Bahnen des Londoner Protokolls einzulenken zur anerkannten Unmöglichkeit geworden, dahingestellt sein lassen. Wir sehen in dem Düppeler Siege nicht blos die Einlösung der verpfändeten preußischen Waffenehre, die mit dem stromweise vergossenen Volksblute doch etwas zu theuer wieder errungen wäre, wir erblicken in ihm vielmehr eine Hauptgarantie, daß den berechtigten Forderungen der Nation Erfüllung und dem lange genug schmählich preisgegebenen wackern Bruderstamme endlich zu seinem Rechte verholfen werden soll.

Düppeler Schanze Nr. 2 nach dem Sturme am 18. April 1864.
Am 18. April nach der Natur gezeichnet von Otto Günther.

Das gezogene preußische Geschütz, das inzwischen zur Bewunderung und zum Schrecken von ganz Europa geworden ist, begann nun sein verheerendes Spiel und brachte die dänische Artillerie in den verschiedenen Schanzen trotz ihres numerischen Uebergewichts bald zum völligen Unterliegen. Wir wissen jetzt, daß schon nach den ersten Tagen der Beschießung der Düppeler Befestigungen die dänischen Officiere die Ueberzeugung gewannen, daß gegen die Zerstörungswerkzeuge der Preußen die Position auf die Dauer sich nicht werde halten können. Wie sollte man sich auch gegen Hohlgeschosse vertheidigen, die, aus einer Entfernung von 11/4 Stunde dahersausend, genau das Ziel trafen, und auch noch in viel weiterer Entfernung eben so sicher und wirkungsvoll eingeschlagen [381] haben würden? Und immer zahlreicher wurden die Batterien der Preußen sowohl auf Broackerland an der Seite des Wenning-Bundes wie im Norden der Düppelstellung, wo sich die Belagerer nach der Einnahme von Düppel, dessen Gehöfte und zahlreiche Häuser die Dänen nach und nach gänzlich in Asche legten, von Rackebüll bis nach Sandberg am Alsensunde einnisteten, Schanzen bauten und Batterie nach Batterie auffuhren, aus denen die nördlicheren Forts auf Düppel eben so gut bestrichen wurden, wie der Alsensund mit den jenseits erbauten zahlreichen Schanzen, welche die Dänen zur Vertheidigung des tiefen Sundes und der Insel von Sonderburg abwärts bis Rönhof an allen günstigen Orten errichtet hatten.

Ungeachtet der kaum erwarteten Wirkungen des preußischen Artilleriefeuers bot die Belagerung Düppels doch so große Schwierigkeiten dar, daß besonnene Feldherren unmöglich an raschen Sturm denken konnten, wollten sie bei einem solchen immerhin zweifelhaften Unternehmen nicht Tausende von Menschenleben auf’s Spiel setzen. Der Däne ist an sich ein tapferer Soldat, dabei fanatisch und voller Tücke, was er in manchem Gefecht vor Düppel nur zu sehr bewiesen hat. Preußische Krieger, welche solchen Kämpfen beiwohnten und glücklich mit dem Leben davonkamen, wissen haarsträubende Dinge von der nicht eben chevaleresken Kampfweise der Dänen zu erzählen, die dann zuweilen auch Anlaß gab zu Gemetzeln, wie sie in ehrlicher Kriegführung sonst nicht vorkommen. Die Neigung, Pardon zu geben, die dem deutschen Soldaten von Natur angeboren ist, verlor sich nach und nach und machte dem Gelüste, Revanche für hinterlistig erschossene Cameraden zu nehmen, Platz.

Am hellen Tage gewährte die Beschießung der Schanzen, mit dem unbeschreiblichen Dröhnen der Luft und dem Zittern des Erdbodens, für den entfernter stehenden Zuschauer ein interessantes und aufregendes Schauspiel, das jedoch wenig Abwechselung gab. Nur wenn dann und wann eine der langsam aufsteigenden Bomben, deren Lauf sich bequem verfolgen ließ, vor ihrem Einschlagen in der Luft crepirte, gestaltete sich das Schauspiel eigenthümlich fesselnd. Denn nun entwickelte sich aus dem zerberstenden Projectil ein Knäuel wirbelnden weißen Rauches, der sich in großer Schnelligkeit um seine eigene Achse drehte, längere Zeit noch vom Winde weiter getragen ward und endlich langsam zerflatterte. Dagegen war das Bombardement in der Nacht von einer so großartigen, [382] furchtbaren Schönheit, daß es sich kaum beschreiben läßt. Hohlgeschosse aus den Hinterladungsgeschützen der gezogenen preußischen 24pfünder sausten dann unsichtbar wie Dämonen über die Parallelen und die in denselben arbeitenden Soldaten mit solchem Geräusch dahin, daß sich oft der Eine und Andere bückte, als besorge er das Herabfallen einer schweren Masse aus der Höhe. Dann wieder rollten, von leuchtendem Rauch umkreist, die Bomben durch die Luft, während die in großer Menge geworfenen Granaten, ungleich steiler und in Parabelform aufsteigend, durch ihre schnelle Umdrehung einen kometenartigen Feuerschweif hinter sich herzogen. Nimmt man dazu das fortwährende leise Beben der Erde, das verhallende Hurrah der Belagerer und das Auflodern der flammenden Baracken unterhalb der Schanzen, wie die hell zum Himmel lohende Gluth des brennenden Sonderburg, so wird man zugeben müssen, daß sich ein schauerlich-großartigeres Nachtbild kaum denken läßt.

Eine schon angeordnete Landung mit starker Truppenmacht auf Alsen mußte, wahrscheinlich zum Glücke, des hohen Seeganges wegen wieder aufgegeben werden, dagegen ward der Sturm auf die Schanzen bereits auf den 14. April festgesetzt, doch fand man die Entfernung von der zweiten Parallele bis zu den Schanzen, also 6–700 Fuß, mit Recht noch für zu bedeutend und unternahm in der Nacht vom 14. zum 15. den Bau einer dritten Parallele auf 500 Fuß Abstand. Dieselbe wurde bis zum 18. wesentlich erweitert und ihre Böschung mit Ausfallstufen versehen, um bequem überschritten werden zu können. Nachdem diese Vorbereitung getroffen war, gab Prinz Friedrich Carl von Preußen für den 18. April Morgens zehn Uhr den Befehl zum Sturme.

Allen den verschiedenen Abtheilungs-Commandeurs wurde der Befehl im Geheimen und mündlich mitgetheilt, um vor der dänischen Spionage sicher zu sein. Zur Einleitung dieses Haupt- und Schlußactes begann die Artillerie vom Morgen des 17. an mit der größten Heftigkeit zu spielen und überschüttete die feindliche Stellung auch die ganze Nacht zum 18. hindurch bis Morgens zehn Uhr mit ihren Geschossen. Stündlich mußte jetzt der Feind auf einen Sturm gefaßt sein und hatte demselben auch mit Tagesanbruch entgegengesehen und seine Dispositionen danach getroffen. Als um diese Stunde das Erwartete indessen nicht erfolgte, zog er seine Verstärkungen zurück und ließ nur die regelmäßige Besatzung in der Stellung, die zum Theil noch beim Beginn des Sturmes in den Communicationsgräben war, um dort gedeckter zu sein, und so vielfach völlig überrascht wurde.

Da kein Truppentheil freiwillig dem andern die Ehre des ersten Angriffs gönnen wollte, so hatte das Loos entscheiden müssen; daher finden wir die Sturmcolonnen zusammengesetzt aus Compagnien aller Regimenter. In der Nacht hatten die Brigaden bereits die angewiesenen Stellungen eingenommen, hatten sich auf den Boden niedergestreckt und horchten in Erwartung des großen Augenblickes auf den rollenden Donner der Artillerie. In der breiten dritten Parallele, 500 Fuß vor den Schanzen, lagen die Sturmcolonnen selbst mit ihrer Geräthschaft, vor Begierde brennend, die feindlichen Schanzen zu nehmen.

Der Morgen des 18. bricht an, immer näher rückt die entscheidende Stunde. Mit ihr steigern sich die Gluth und die Aufregung der todesmuthigen Männer, die Pulse schlagen schneller, und während der Soldat sein treues Gewehr fester umklammert, hört er noch auf den tröstenden Zuspruch des Geistlichen, schweifen seine Gedanken noch einmal zurück nach der Heimath, nach den alten Eltern, nach der geliebten Braut, nach Weib und Kind. Da horch! vom Spitzberge her ertönt ein schmetterndes Hornsignal, im Augenblicke wiederholt es sich auf der ganzen Linie, und während das Feuer der Kanonen verstummt, brechen mit lautem Hurrah und unter der Musik von vier Regimentern die Sturmcolonnen im Laufschritt aus der Parallele hervor.

Ohne einen Schuß zu thun, legen die Schützenlinien die ersten dreihundert Schritt zurück, dann werfen sie sich zur Erde und beginnen ihr wohlgezieltes Feuer gegen Alles, was sich auf den Schanzen zeigt. Unter diesem Schutze gehen die Sturmcolonnen so schnell als möglich, miteinander wetteifernd, ohne eine Kugel im Laufe, gegen die ihnen bestimmten Werke los. Jeder nur darauf bedacht, der Erste auf der Schanze zu sein, um zuerst das preußische Panier dort aufzupflanzen. Der Feind, im ersten Augenblicke überrascht, besetzt in Eile seine Werke, das Knattern des Gewehrfeuers beginnt auf der ganzen Linie, und gleich darauf speien die schweren 84pfünder ihre Kartätschladungen gegen die Angreifer. Dunkle Flecke auf dem Erdboden bezeichnen die Stellen, wo die Tapfern fielen; diese Flecke mehren sich, je weiter die Stürmenden vorrücken. Vor Schanze 4 liegen allein schon 33 Mann, doch da weht auch bereits die erste preußische Fahne auf der Communication von 2 zu 3; nur sieben Minuten nach dem ersten Signal, und ein jubelndes Hurrah bezeichnet den Fall des ersten dänischen Werkes. Gleich darauf fällt die große Schanze 6, deren Geschütze sofort umgedreht und auf die fliehenden Feinde gerichtet werden, dann 1, 3, 5. Länger wehrt sich 4, doch fällt auch diese nach großen Verlusten, und endlich selbst die von dem unerschrockenen Lieutenant Ancker vertheidigte Schanze 2. So war nach kaum zwanzig Minuten langem heldenmüthigen Siegeslauf die eigentliche Aufgabe des Tages gelöst, denn nur die Einnahme der Schanzen 1 bis 6 war beabsichtigt und angeordnet.

In diesem Augenblicke naht Rolf Krake und beginnt sein Feuer gegen die mit Tirailleurs gefüllten Schluchten des linken Flügels. Umsonst – er kommt zu spät, die gezogenen Batterien ebenso wie die eigenen Geschütze der eroberten Schanze 1 unter Lieutenant Schmälder richten ihr Feuer auf das Ungeheuer, welches sich nach einstündigem Kampfe schwer beschädigt zurückzieht, um nicht wieder zu erscheinen. Mittlerweile greifen die Brigaden Canstein und Raven in den Kampf ein. Ihr erster Anlauf gegen die noch völlig erhaltenen und armirten Schanzen 7, 8, 9 und 10 mißlingt zwar, denn das mörderische Feuer dieser Schanzen beim Ausschwärmen aus Düppel und Rackebüll mäht ganze Reihen nieder; da fahren die preußischen Feldbatterien in Carriere auf, ihre sichertreffenden Geschosse bringen das feindliche Geschütz zum Schweigen, und mit Hurrah stürmen die Truppen zum zweiten Male vorwärts. Nichts kann ihnen widerstehen, Brigade Canstein nimmt Schanze 7, Raven 8 und 9; 10 muß capituliren.

So waren nun sämmtliche Schanzen der ersten Linie in den Händen der Sieger, und die noch brauchbaren eroberten Geschütze waren umgedreht und schossen auf ihre eigenen Landsleute, welche in Eile gegen den Brückenkopf retirirten. Doch die Preußen, einmal im Feuer, drangen unaufhaltsam vorwärts. Die Officiere vorauf, die Mannschaft die erbeuteten Danebrogs schwingend, stürzen sich die Compagnien aller Regimenter in edlem Wetteifer immer von Neuem auf den Feind. Unter dem heftigen Feuer des Brückenkopfes und der Alsener Batterien wird die neuangelegte zweite Verschanzungsreihe übergerannt, werden Tausende von Gefangenen gemacht, werden die Reserven des Feindes in wilder Hast gegen den Brückenkopf geworfen, die 35er voran, die 8er, 18er, 60er und das 4. Garde-Regiment Königin Auguste dicht hinter ihnen. Beinahe 2000 Fuß durchjagt dieser fortgesetzte Sturmlauf. Hier dicht vor dem Brückenköpfe sammeln sich die Preußen zum letzten und schwersten Sturme. Einen Augenblick lang beschießen die Batterien die beiden Brückenschanzen, und dann brechen die Sturmcolonnen unaufhaltsam wieder los, immer die 35er voran, der Gefahren nicht achtend. Sie verschwinden in dem Graben, gleich darauf erklimmen sie die Brustwehr, ein wüthender Bajonnetkampf – und der Brückenkopf ist unser. Schon vorher hatten die Dänen ihre Pontons theils verbrannt, theils abgefahren; Alles, was nicht schon am andern Ufer, ist gefangen in unsern Händen. Zwar spielen die Alsener Batterien und das Gewehrfeuer aus Schloß Sonderburg noch und tödten manchen braven Krieger, zwar antworten unsere gezogenen Feldbatterien noch eine Weile – alsdann aber wird Alles still: nach dem furchtbaren Gemetzel, nach den kolossalen Anstrengungen schöpfen die siegestrunkenen Truppen ein paar Minuten Athem.

Um zehn Uhr hatte der Sturm begonnen, um halb ein Uhr gab es keinen Feind mehr im Sundewitt, der nicht lebend oder todt in den Händen der Preußen war, und während dieser ganzen Zeit lag die Elite der dänischen Flotte unthätig nur einige Tausend Schritte vom Kampfplatz, wagte nicht, sich zu rühren, und that nicht einen einzigen Schuß. Der Kampf war vorüber, die blutige Arbeit gethan. Das Auge, das eben noch todesmuthig geblitzt, es sieht herunter zur Erde und schaut mit Wehmuth auf das Werk der Vernichtung; die Hand, die eben noch den Tod gab, sie beugt sich hernieder nach dem verwundeten Cameraden, nach dem verwundeten Feinde, sie beut ihm den letzten Tropfen aus der Feldflasche, sie hebt ihn auf, und das Gewehr wird zur Bahre, und die blutbespritzten Männer beginnen das Amt der barmherzigen

[373]

Preußischer Krankenwagen bei Düppel.
Nach der Natur gezeichnet von Otto Günther.

[383] Samariter noch unter dem Feuer der Dänen und bergen Freund und Feind mit gleicher Aufopferung.

Furchtbar sind die Verluste des Feindes: 119 Geschütze, viele Danebrogs, Munition und Kriegsgeräthe wurden erbeutet, 106 Officiere und 5400 Mann wurden theils gefangen, theils getödtet, darunter General du Plat, die Obersten Lasson und Bernstorff, Oberstlieutenants Dreyer, Falkenskjold, Tersling, Scholten, die Majore Heyn, Schack, Sperling, Schau und Rosen. Aber auch die Verluste der Preußen sind bedeutend: 16 Officiere und über fünfhundert Soldaten theils todt, theils verwundet, unter den ersteren der General von Raven, Major von Beer und viele andere tüchtige Officiere.

Ein wahres Bild der Verwüstung boten die eroberten Schanzen dar. Die preußische Artillerie hatte fürchterlich vorgearbeitet: die Blockhäuser aus vierzölligen Balken waren völlig zertrümmert, und nur noch Holzstumpfe, Breter und Erdhaufen bezeichneten ihre Stelle. Die Böschungen waren zerrissen und die Scharten demontirt. Das Bild der gräßlichsten Verheerung aber bot die Schanze Nr. 2, von der wir unsern Lesern eine noch am Nachmittage des Sturmes aufgenommene in allen Einzelheiten getreue Skizze bieten. Es war dies bekanntlich eine der stärksten Schanzen dieser festen Dänenstellung, die nun wie die andern, hoffentlich für immer, in Trümmern liegt. Nur das gemauerte Pulvermagazin darin ist noch erhalten; in demselben hatte der tapfere Ancker seine Wohnung aufgeschlagen, und über seinem Tisch hing das Bild seiner jungen und schönen Frau, unter dem Tisch und rings im engen Raume verstreut aber lagen vertraulich neben offenen Pulvertonnen – ausgebrannte Cigarrenenden.

Wir haben es an anderer Stelle (Gartenl. Nr. 19) schon ausgesprochen: der Tag von Düppel bleibt ein unverlöschliches Ruhmesblatt in der Geschichte Preußens und Deutschlands; wir wagen jetzt auch zu hoffen, daß er die ersehnten Früchte tragen, daß die Tausende und Abertausende von Opfern, die ihm fallen mußten, der gerechten Sache, der Freiheit und dem Vaterlande, nicht einem volksfeindlichen Systeme und exklusiven Militär- und Junkertendenzen, zu Gute kommen werden.

Ja, wir hoffen es und wollen unsere Darstellung mit Erzählung einer und der andern Einzelscene schließen, die wir aus der Fülle von Thaten persönlichen Heldenmuths und begeisterter Opferfreudigkeit, welche die heißen Kampfstunden des 18. April gebaren, in bunter Reihe herausgreifen.

Schanze 6 leistete trotz ihrer Größe den schwächsten Widerstand und wurde im ersten Anlauf genommen, trotzdem die Sturmcolonnen bis zu ihr den weitesten Weg zu durchlaufen hatten. Lieutenant Nübler und Unterofficier Müller der 4. Artillerie-Brigade waren die Ersten auf der Brustwehr. Sie stürzten sich so plötzlich auf das im ausspringenden Winkel aufgestellte Geschütz, daß die feindlichen Kanoniere vertrieben wurden, ehe sie noch zum Schuß kamen. Eben so schnell wurde das Geschütz herumgedreht und schleuderte nun den bereits eingesetzten Kartätschschuß vernichtend in die Reihen der fliehenden Dänen.

Der Hauptmann Cranach vom 13. Infanterie-Regiment (Westphalen) warf sich an der Spitze seiner Truppen auf einen Theil des Brückenkopfes unter dem mörderischen Feuer des Feindes. In dem Augenblicke, als der tapfere Officier seinen Truppen zurief: „Kinder, hier sind wir die Ersten!“ trafen ihn zwei tödtliche Kugeln – aber über seine Leiche hinweg stürmte seine Compagnie den Brückenkopf.

Schanze 2 wurde, wie die Leser wissen, von dem rühmlich bekannten Premier-Lieutenant Ancker energisch vertheidigt. Als die 35er sie nach blutigen Verlusten mit dem Bajonnete nahmen, waren in ihr außer dem Commandeur nur noch 20 Mann am Leben. Diese erhielten, nachdem sie sich mit tiefem Grimme ergeben hatten, den Befehl, nach der dritten Parallele als Gefangene zurückzugehen. Im nämlichen Augenblicke aber bekamen sie von rückwärts her Unterstützung, und der Kampf entbrannte von Neuem um die Schanze, doch behaupteten die Preußen das Feld und nahmen nun, statt zwanzig, fünfzig Mann gefangen. Obgleich nun mit diesem Verfahren Premier-Lieutenant Ancker wider die üblichen Kriegsgebräuche verstieß, so ehrte man in ihm doch den tapfern Feind, und es wurde ihm wegen seiner Bravour der Degen gelassen. Als Ancker aber bat, noch einmal nach der Pulverkammer gehen zu dürfen, wo er etwas vergessen haben wollte, hielt ihm der preußische Officier den Degen vor und erwiderte: „Keinen Schritt, Herr Camerad, oder Sie sind des Todes!“ Grimmig erwiderte Ancker: „Nun, dann bezeugen Sie mir wenigstens, daß es meine Absicht war, mich mit der Schanze in die Luft zu sprengen!“ und verließ das Werk. In demselben Momente bemerkte einer der den Sturmcolonnen zugetheilten Artilleristen einen dänischen Soldaten, der hurtig der Pulverkammer zulief. Mit möglichster Geschwindigkeit eilt ihm der Kanonier nach und sieht, wie der Däne im Begriff steht mit Stein und Stahl Feuer anzuschlagen, um eine Lunte zu entzünden, welche er in der Hand hält. Trotz des warnenden Zurufs fährt der Däne in seiner Verrichtung fort, so daß das Faschinenmesser des Preußen ihn unschädlich machen mußte. Ueberhaupt verdient die Tapferkeit der dänischen Kanoniere das größte Lob. Als die Preußen die Schanzen stürmten, mußten sie erst alle noch nicht kampfunfähigen Geschützbedienungen niederstrecken, ehe sie sich der Werke bemächtigen konnten, denn bis auf den letzten Mann vertheidigten sich die Kanoniere, und unter den Gefangenen befanden sich fast gar keine Artilleristen.

Zwischen den Schanzen und dem Brückenkopfe, wo die dänischen Reserven in den Kampf eingriffen, war dieser besonders mörderisch, namentlich da die stürmenden Preußen fast nur mit dem Bajonnet kämpften und durch die Perfidie der Dänen zur größten Erbitterung getrieben waren. Diese gaben nämlich auf fünf Schritte noch eine Salve, warfen dann ihre Gewehre fort, fielen auf die Kniee und riefen ihr „Pardun!“ Nahe an 400 Dänen liegen daher in einer einzigen Grube neben der Sonderburger Chaussee bestattet.

Nach entsetzlichem Blutbad ist Schanze Nr. 4 genommen. Im Nu haben die Artilleristen die Geschütze umgekehrt und eröffnen ein mörderisches Feuer gegen die Abziehenden. Da bemerkt der Premier-Lieutenant Stöphasius einen dänischen Unterofficier, der sich um einen Querwall herumschleicht und dort verschwindet. Nichts Gutes ahnend ruft er einen Pionier-Unterofficier zu sich heran und setzt mit diesem kurz entschlossen dem Dänen nach. Er findet ihn dicht vor der Pulverkammer, im Begriff sich in dieselbe zu begeben – ein brennendes Licht und ein Stück Lunte sind auf einem Tische bereit gelegt, vierundzwanzig offene Pulverfässer stehen daneben – schon greift der Däne nach der Lunte, da stürzt Stöphasius auf ihn los, reißt ihm die Lunte aus der Hand und verlöscht das Licht – in demselben Augenblicke, als die Kugel aus dem Carabiner des Pionier-Unterofficiers dem Dänen das Hirn zerschmettert. Tausenden hatte Stöphasius durch diese entschlossene That das Leben gerettet.

Nachdem die Brigaden Canstein und Raven die Schanzen 8, 9 und 10 genommen hatten und die Communicationen passirbar gemacht worden waren, rückte die vierpfündige Garde-Batterie unter dem Hauptmann von Ribbentrop so heftig dem weichenden Feinde nach, daß sie sich plötzlich von demselben theilweise umzingelt sah. Die Mannschaften und Officiere wehrten sich jedoch mit dem größten Heldenmuthe, und auf eine Aufforderung sich zu ergeben antwortete der brave Capitän durch einen kräftigen Säbelhieb und die Worte: „Eher lassen wir uns Alle in Stücke hauen – nicht wahr, Leute?“ Im nächsten Augenblick kam preußische Infanterie der Batterie zu Hülfe und vertrieb die Dänen, die nun, von der Batterie kräftig beschossen, in fluchtähnlicher Weise abziehen mußten.

Während des ganzen Sturmes spielten die Musiker vom vierten Regiment, unter Leitung des Kapellmeisters Pieseke, in der ersten Parallele den Sturmmarsch. Mehrmals wurden dieselben durch feindliche Granaten mit Erde überschüttet. Der muthige Kapellmeister aber stand im dichtesten Kugelregen oben auf der Brustwehr und dirigirte, ohne sich um die einschlagenden Geschosse zu kümmern.

Mit ganz besonderin Ruhm aber sei, zum Ende, aller Krankenträger-Compagnien ohne Ausnahme gedacht. Mitten im stärksten feindlichen Feuer wetteiferten diese „stillen Helden der Menschenliebe“, die Verwundeten nach den in einiger Entfernung aufgefahrenen, den Weitertransport nach den Verbandplätzen vermittelnden Krankenwagen zu tragen, von denen die erste Illustration unserer heutigen Nummer dem Leser ein genaues Bild giebt, so daß gar viele der wackern Männer zu den Opfern des blutigen Tages zählen.