Zum Inhalt springen

Der Stierschlag August’s des Starken bei Reichenbach

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Johann Georg Theodor Grässe
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Stierschlag August’s des Starken bei Reichenbach
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 38–39
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[38]
632) Der Stierschlag August’s des Starken bei Reichenbach.
Nach mündlicher Ueberlieferung bearbeitet von Julius Schanz.

Als der sächsische Herkules, Kurfürst August der Starke, König von Polen, es nach der Sage nicht mehr für anziehend genug fand, vom Wiener Stephansthurm zwei Trompeter, auf jeder Hand einen, hinauszuhalten und sich von ihnen etwas blasen zu lassen, oder in Ungarn Hufeisen zu zerbrechen und in Krakau mit einem Schlag einen polnischen Ochsen zu köpfen, machte er seinen Hof und sich selber zum Echo des luxuriösen Pariser Hoflebens unter Ludwig dem Vierzehnten. Als er einst gen Reichenbach im Voigtlande reiste und die Leute just nichts Besseres zu seiner Unterhaltung wußten, erzählten sie ihm von einer in der Nähe hausenden Ritterswittib, die früher am Hofe für eine Schönheit gegolten, und der zu Ehren die Pulse des Königs auch einmal höher geschlagen hatten. Flugs setzte er sich auf seinen Schimmel, wickelte sich, um unerkannt zu bleiben, in einen dicken grauen Oberrock und trabte spornstreichs dem Wittwensitze der trauernden Schönheit zu, um ihr incognito einen Besuch abzustatten. Da er schon von fern die Thürme des Schlosses blinken sah, ritt er auf Rainen und Feldwegen geraden Weges fürbaß. Rechts und links weideten stattliche Heerden voigtländischen Rindviehs, dessen Vetterschaft dem einsamen Reiter schon manche saftige Keule hatte abgeben müssen. Ein kräftiger, rebellischer Stier mochte einen seiner Verderber wittern, und der Futterneid gegen das wohlgenährte Leibroß des Königs, das mit lüsternen Augen die saftigen Kräuter der Aue zu betrachten schien, erweckte plötzlich kriegslustige Wallungen in seinem Ochsenhirn: mit rollendem Auge rannte er auf den Reiter zu. Der König zog sein Schwert und spaltete ihm mit einem gewaltigen Streiche das Haupt vom Rumpfe, der blutend niederstürzte. Dem Rinderhirten verging Hören und Sehen ob dieser That. Endlich lief er wie vom Wahnsinn gehetzt nach dem Dorfe und bot alle streitbare Mannschaft zur Blutrache auf. Noch ehe August das Dorf [39] erreichte, stellte sich ihm eine Flegel- und Gabelbewaffnete Schaar mit drohender Geberde und zorniger Rede in den Weg: ungestüm forderten sie Ersatz und schwangen wild ihre Wehren. Der König ersah in dieser Bedrängniß keine Hilfe. Er riß seinen Rock auf und rief: „Ich bin der König!“ – und alle Flegel sanken in den Staub. – Ob der Held noch zu der schönen Wittwe gekommen, hat die Sage leider nicht aufbewahrt.