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Der Stierenbach

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Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Der Stierenbach
Untertitel:
aus: Deutsche Sagen, Band 1, S. 212–213
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1816
Verlag: Nicolai
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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[212]
142.
Der Stierenbach.
Scheuchzer iter alp. p. 12. u. Kupfertafel 11.
Alpenrosen. 1813. S. 28. 29.

Mitten durch das Thal der Surenalp ergießt sich der Stierenbach, der aus dem Surenersee entspringt und einer gemeinen Sage nach, die sowohl die Leute in Uri, als in Engelsberg erzählen, durch folgende Geschichte den Namen erhalten haben soll. Vor mehrern hundert Jahren lebte hier ein Alpenhirt, der in seiner Heerde ein Lamm hatte, worauf er besonders viel hielt und dem er so zugethan war, daß er darauf verfiel, es taufen zu lassen und ihm einen Christennamen beizulegen. Was geschieht? Der Himmel, um diesen Frevel zu rächen, wandelte das Lamm in ein scheußliches Gespenst, welches bei Tag und Nacht auf der fruchtbaren Alpe umherging, alle Gräser und [213] Kräuter abweidete und den Strich so verheerte, daß die Engelsberger fürder kein Vieh mehr darauf halten konnten. Zu denen von Uri kam aber ungefähr ein fahrender Sehüler und rieth, wie sie das Unthier zu vertreiben hätten. Nämlich sie sollten neun Jahr lang ein Stier-Kalb mit purer Milch auffüttern, das erste Jahr von einer einzigen Kuh, das zweite von der Milch zweier, das dritte dreier Kühe und so fort; nach Ablauf der neun Jahre den solchergestalt mit Milch auferzogenen Ochsen durch eine reine Jungfrau auf die Alpe führen lassen. Die Urer hofften auf guten Lohn von den Engelsbergern und nährten einen solchen Stier auf der Alpe Waldnacht, wo man noch heut zu Tag seinen Stall weist, genannt den Stiergaden. Wie nun der Stier zu seinen Jahren gekommen war, leitete ihn eine unbefleckte Jungfrau über den Felsengrat und ließ ihn da laufen. Der Stier, als er sich frei sah, ging sogleich auf das Gespenst los und fing einen Kampf mit ihm an. Der Streit war so hart und wüthig, daß der Stier zwar das Ungeheuer zuletzt überwand, aber der Schweiß von seinem Leib heruntertroff. Da stürzte er zu einem vorbeifließenden Bach und trank so viel Wasser, daß er auf der Stelle des Todes war. Davon hat der Bach seitdem den Namen Stierenbach und außerdem zeigen die Einwohner noch jetzo die Felsen und Steine vor, in denen sich die Hinterklauen des Stiers, während des heftigen Kampfes, eingedrückt haben.