Der Schwedengarten von Oberhütten
Beim Städtchen Königstein in der sächsischen Schweiz öffnet sich ein „Grund“, den ich für den schönsten der gesammten sächsischen Schweiz erkläre, zwar kein „kühler Grund“, doch ein Grund, in welchem am „klaren muntern Bächlein“ der Biela Hunderte von Mühlenrädern gehen und uns das Herz mit heller Wanderlust erfüllen. Anfangs mehr anmuthig als imposant, nimmt er an seinem obern Ende einen hochromantischen Charakter an. Groteskere Felsbildungen hat das ganze Sandsteingebirge der Elbe nicht aufzuweisen, auch die vielgefeierte Bastei sammt Umgebung nicht. Man sieht dort Gestalten, die ein launiger Berggeist aufgethürmt zu haben scheint, leider hat man auch sie mit allerhand flunkernden Namen behangen, Herculessäule, Johanniswacht, Burg Zion und so fort, und rundum erquickt der herrlichste Hochwald mit seinen Harzdüften unsere Lungen. So recht ein Lustrevier für ozondürstende Städter! Das hat man auch bereits erkannt, ein paar Villen und eine Kaltwasser- und eine klimatische Curanstalt, die man mitten in die fichtenumkränzte Stille gebaut hat, geben davon Kunde. Der kleine Badeort heißt die Schweizermühle, und wer so glücklich ist, daß es ihm nichts verschlägt, von allen anderen Verkehrsmitteln, von Postwagen, Eisenbahn, Dampfschiff und Telegraphen, stundenweit entfernt zu sein und seine Beziehungen zur Außenwelt blos durch einen täglich zweimal erscheinenden Fußbriefboten gepflegt zu sehen, – der wird in der köstlichen Luft und an den frischen, klaren Quellen der Biela ein paar Wochen lang ein beneidenswerthes Dasein führen.
Waldeshauch und Amselschlag, Wiesenduft und Wasserrauschen, alles das hat man in der Schweizermühle frisch aus erster Hand, und wer außerdem für Kühlungen bis an’s Herz hinan Begeisterung verspürt, der kann in kalten Einreibungen, in Douchen und Einwickelungen con amore schwelgen. Ein mit dem Etablissement verbundenes Gasthaus mit anerkennenswerther leiblicher Verpflegung läßt eine Sommerfrische in diesen entlegenen Regionen auch für sinnenlustigere Gemüther als kein Martyrium erscheinen, wenn es auch noch durch einzelne kleine Ursprünglichkeiten, als da sind Heumatratzen, Blümchenkaffee, dünne Biere, lederne Beefsteaks und naive Kellnerinnen, daran erinnert, daß man sich mitten im Hinterwalde befindet, da, wo bis vor Kurzem, wie der alte Waidmannsausdruck lautet, Füchse und Dachse dem gnädigen Herrn Auerhahn [409] gute Nacht boten. Daß man hinsichtlich seines „Fortkommens“ durchaus auf das gute Glück angewiesen ist – denn auf die anderthalb Wagen in Pirna und das halbe Geschirr in Königstein läßt sich während der Sommersaison begreiflicher Weise nicht bauen – giebt der Existenz im Bielagrunde noch einen besonderen Reiz – man dünkt sich wie auf einer Insel mitten im Ocean, an welche die Brandung des Lebens nicht anschlägt.
Vor einer Reihe von Jahren kam ein Herr aus dem hohen Norden, ein Schwede, nach der Schweizermühle, um die Heilkräfte des kalten Wassers an seinem Leibe zu erproben. Die Gegend muthete ihn so eigenthümlich an, vielleicht mahnte sie ihn an die landschaftliche Scenerie seiner Heimath, daß er sich dicht hinter dem Curhause eine eigene Sommerwohnstatt errichtete. Zugleich erwarb er ein umfängliches Terrain von Wiese, Wald und Felsen und legte darauf einen allerliebsten kleinen Park und eine Gärtnerei speciellster Art an. Er widmete nämlich seine Liebhaberei einzig und allein den Nadelholzbäumen. Bald hatte er Coniferen (Zapfenbäume) aus allen Himmelsstrichen in seinen Baumschulen und Glashäusern vereinigt und schon damals den sogenannten „Schwedengarten“ zu einer Merk- und Sehenswürdigkeit des Grundes erhoben, von der man auch über die Grenzen der sächsischen Schweiz hinaus zu sprechen begann.
Dabei war der Schwede ein Original. Menschenscheu – man erzählte sich eine romantische Geschichte von der Untreue seiner Gattin, welche ihn aus seiner Heimath getrieben und zum Einsiedler gemacht hatte – schloß er sich hermetisch ab von jeglicher Gesellschaft. Regelmäßig am ersten April siedelte er mit zwei Dienern, einer alten Wirthschafterin und mehreren großen Hunden nach seiner Sommerresidenz im Bielagrunde über, um ebenso regelmäßig am ersten October wieder sein Winterquartier in Dresden zu beziehen. Bis Nachmittags drei Uhr pflegte er zu schlafen, und seine Domestiken hatten strengen Befehl, währenddem alle Störungen vom Hause abzuwehren. Dafür streifte er oft die ganze Nacht hindurch auf seinem Grundstück und im Felslabyrinth der Gegend umher. Den Besuchern der Schweizermühle, und namentlich ihren Curgästen, gestattete er zwar den Eintritt in seinen Garten, allein in äußerst launenhafter Weise. Manchmal gefiel es ihm, den Park Tage lang völlig zu verschließen, immer aber hatte man gewärtig zu sein, wenn Herrn Bergwal – so hieß der Sonderling – seine menschenfeindliche Stimmung anwandelte, auf ein Glockensignal urplötzlich den Garten räumen zu müssen. Damen waren dem Schweden ein Gegenstand besonderen Hasses; nur in seltenen Ausnahmefällen gönnte er ihnen die Besichtigung seiner Anlagen.
So trieb er sein wundersames Wesen, bis er im Jahre 1864 auf seiner Besitzung im Bielagrunde starb. Sein Erbe war ein in Schweden lebender Bruder. Derselbe hatte keine Lust, sein Sommerzelt im fernen Sachsenlande aufzuschlagen; er veräußerte darum die Besitzung, Haus, Park, Gärtnerei, Wiesen, Wald und Felsen, zusammen ein Areal von mehr als hundert Scheffeln Landes, an einen in Dresden privatisirenden Preußen, der sich in Rußland ein beträchtliches Vermögen erworben hatte, den ehemaligen Bankdirector Lässig – vielleicht den einzigen Menschen, zu welchem das verstorbene Original allmählich in nähere Beziehungen gekommen war, da sich Beide in der gleichen Passion für Gartenbaukunst und speciell in dem Interesse für Coniferen begegneten. Als ein tüchtiger Botaniker ist es Herr Lässig gewesen, welcher die Baumschulen von Oberhütten – so steht die Localität officiell in den Grundbüchern verzeichnet – zu dem Unicum entwickelt hat, welches sie heute sind: von allen Sachkundigen als einzig anerkannt auf dem weiten Erdenrunde. Mit dem liebenswürdigen Manne durch seine Anlagen zu wandern, ihn mit der Bescheidenheit, die jedes wahre Verdienst zu begleiten pflegt, seine Schöpfungen erläutern zu hören, ist ein Genuß und gleichzeitig ein Cursus in einem der interessantesten Zweige der Botanik, wie ihn kein Pflanzengarten der Welt in derselben Vollständigkeit darbieten kann.
Schon die Villa, welche Herr Lässig an Stelle des früheren Schwedenhauses erbaut hat, ist außen und innen ein Muster geschmackvoller Einfachheit. Mit ihren lichten Mauern und dem zierlichen Treppen- und Glockenthurme bringt sie eine heitere Abwechselung in den ernsten Fichtenwald ringsum, und wem es beschieden ist, vom Balcon des Hauses in die augentröstliche Fülle von Grün zu schauen, die es von allen Seiten umrahmt, während die den südlichen Horizont begrenzende Felsenwand bläulich herüber dämmert über die zahllosen Wipfel und das melodische Geplätscher verschiedener Fontänen uns in süßes Träumen einlullt – dem entschlüpft wohl ein leiser Seufzer, daß er sich nicht selbst den glücklichen Besitzer der entzückenden Waldeinsamkeit nennen darf.
Der Park füllt nahezu die ganze Breite des Thales aus. Das will freilich nicht viel sagen, denn der Weg von einer Bergseite zur andern beträgt in gerader Linie keine fünf Minuten. Die Ausdehnung ist mithin nicht der Schwerpunkt der Anlage; dieser liegt vielmehr in ihrer Schönheit, in dem feinen Verständniß landschaftlicher Gartenkunst, mit dem man aus dem scheinbar sprödesten und starrsten Material, aus nichts als Nadelbäumen und Coniferenbüschen ein überaus wirkungsvolles und, was fast wie ein Widerspruch klingt, weiches und mildes Ensemble geschaffen hat. Zwischen den lichten Tinten der californischen Edeltanne und dem dunklen, beinahe schwarzen Laube der nordamerikanischen Thuja wie viele Schattirungen von Grün! Der Laie, der, wenn er von Nadelholz hört, zunächst immer an unsere eintönigen Fichten- und Föhrenwälder denkt, sieht alle seine forstlichen Vorstellungen über den Haufen geworfen.
Ebenso mannigfaltig sind Formen und Größenverhältnisse der Coniferen. Gleich beim Eingang fesselt ein merkwürdiges Gewächs unsern Blick. Wie ein Candelaber erhebt es sich mit seinen in Quirlen stehenden langen Aesten und den schuppenförmigen, glänzend grünen, spitzen Blättern über dem kleinen Pleasure-Ground des Parkes. Es ist eine chilenische Araucaria, eine der größten Zierden, welche sich das Etablissement aus der Neuen Welt über den Ocean herübergeholt hat. Einzelne besonders schöne Exemplare des Baumes läßt es sich wohl mit fünfzig und mehr Thalern bezahlen. Nicht weit davon, gleichfalls aus dem Rasen emporwachsend, erregt ein Baum mit graziös herabhängenden Zweigen und in Büscheln stehenden feinen, weichen hellgrünen Nadeln unsere Aufmerksamkeit – ein Kind des hohen Himalaya, die Deodara, die schönste von allen bis jetzt bekannten Cedern, während die Ecken der Anlage von Gruppen der zierlichen nordamerikanischen Hemlock- (Schierlings-) Tanne decorirt werden, deren von federartigen lebhaft gefärbten Nadeln besetzte Zweige in üppigen, überaus malerischen Gehängen bis auf den Erdboden herabfallen. Es sind dies schon stattliche Bäume von zehn Ellen Höhe, welche, erst zwanzigjährig, uns eine Vorstellung von der Schönheit geben, zu der sich diese Conifere entwickelt, wenn sie das Alter ihrer Reife erreicht hat. Der Riesenbaum par excellence ist bekanntlich die aus Californien in unsere deutsche Heimath übersiedelte Wellingtonia oder Mammuthfichte. Irren wir nicht ganz, so ist es der Schwedengarten von Oberhütten gewesen, welcher diesen Giganten aus dem fernen Westen zuerst bei uns eingebürgert hat. Ist er völlig erwachsen, was in wunderbar kurzer Zeit der Fall, so erscheinen unsere gewaltigste Tanne und Fichte neben ihm wie Kinder. Wer sich heute den Luxus einer Parkanlage gewähren kann, wird die Wellingtonia kaum noch entbehren wollen, um so weniger, als der Baum selbst ziemlich hohe Kältegrade ohne Schutz in freiem Lande verträgt.
Als den speciellen Stolz von Oberhütte bezeichnete mir der Gärtner, mit welchem ich zu wiederholten Malen die interessanten Baumschulen durchstreifte, eine Tanne aus dem Osten.
„Von allen fremdländischen Coniferen, die Sie bei uns hier eingeführt sehen,“ erklärte er mir, „harmonirt keine mehr mit unserem Klima, als diese stolze Tochter des Kaukasus, die Nordmanniana. Betrachten Sie sich nur die Eleganz ihres breiten, pyramidalen Baues und ihre wunderschönen, dichtgedrängten, glänzenden Nadeln. Welches tiefe Grün da auf ihrer oberen Seite, während die untere mit ihren delicaten weißen Streifen dem matten Silber gleicht! Deshalb lassen wir uns die Cultur der Nordmanniana auch vorzugsweise angelegen sein und machen für sie nach Möglichkeit Propaganda als für einen nach allen Richtungen hin nicht genug zu empfehlenden Zierbaum. Wenn ich behaupte, daß Sie nirgends eine reichere Sammlung von Nordmannianen aller Größen und Altersstufen antreffen werden, als bei uns, so glaube ich mich keiner Uebertreibung schuldig zu machen. Von kleinen kaum halbfußhohen Samenpflanzen, die wir pro Stück mit vier bis sechs Groschen ablassen, bis zu ansehnlichen Bäumen von neun Fuß Höhe und vierundzwanzig Fuß Umfang, welche wir nicht unter fünfzig Thalern abgeben, finden Sie die prachtvolle Kaukasierin in zahlreichen Exemplaren bei uns [410] vertreten. Sie bildet ein recht wesentliches Element in unserem jährlichen Einnahmebudget, denn jeder Landschaftsgärtner, gleichviel ob er größere oder kleinere Areale zu schmücken hat, will von unseren Nordmannianen haben.“
Eine andere Merkwürdigkeit der Anlagen hat das himmlische Reich gespendet. Auf den ersten Blick hielt ich sie für unsere gewöhnliche Lärche, bei näherer Untersuchung gewahrte ich, daß die Nadeln ein gut Theil breiter und länger und von einem helleren Grün waren als bei dieser.
„Wenn Sie uns einmal im Herbste besuchen,“ sagte mein Begleiter, „müssen Sie den Baum sehen; alsdann glüht sein Laub in einem tiefen Goldgelb. Die Chinesen nennen ihn darum auch die ‚goldene Tanne‘. Die Botanik kennt ihn als die ‚Bastardlärche‘. Sie ist unbestritten die Königin aller Lärchenarten und in Europa noch höchst selten. Unsere größeren Exemplare berechnen wir mit zwanzig bis dreißig Thalern.“
Dies nur einige wenige Beispiele, um die reiche Mannigfaltigkeit von Formen und Farben der Oberhüttener Coniferensammlung zu charakterisiren. Die Gesammtzahl der daselbst cultivirten Fichtenarten beträgt gegen vierzig; von Tannen fand ich vierundzwanzig, von Araucarien vier, von Cedern acht, von Lärchen sechs, von Kiefern gar an fünfzig Gattungen in den verschiedensten Exemplaren und Altersstufen repräsentirt. Von Cypressen und deren Verwandten, diesen feierlichen und doch so graziösen Baumgestalten, unter denen das Auge zumeist auf der grotesken Figur der aus dem fernen Tasmanien stammenden Gliederfichte mit den langen seltsam gegabelten Zweigen und den lanzettförmigen tiefgrünen Blättchen haftet, sehen wir die stattliche Legion von einigen sechszig Gattungen ihre spitzen Wipfel emporrecken. In dasselbe Geschlecht der Cupressineen gehören die Lebensbäume – Thujen –, von denen Herr Lässig aus seinen Baumschulen mehr als dreißig Arten versendet. Auch die höchst wunderliche Schirmfichte fällt in diese Kategorie. Sie kommt aus dem an Bizarrerien so reichen Japan und muß als eines der eigenthümlichsten und auffallendsten Nadelhölzer erwähnt werden, welches je bei uns eingeführt worden ist. Ihr Wuchs ist von regelmäßig pyramidaler Form, und ihre wohl fünf Zoll langen, leuchtend grünen, lederharten Nadeln bauen sich an den Enden der zahlreichen Zweige zu einem förmlichen Schirme zusammen. Da der Baum in unserer Temperatur freudig gedeiht und selbst von höheren Kältegraden sich nicht anfechten zu lassen scheint – er ist erst neuerdings bei uns bekannt geworden – so steht ihm ohne Zweifel eine hervorragende Rolle in unseren Garten und Parkanlagen bevor. Allen Gärtnern und Gartenbesitzern sei daher die originelle Japanesin recht warm an’s Herz gelegt.
Daß unser Wachholder gleichfalls ein Glied der düstern Cypressenfamilie bildet, ist wohl nicht allen meiner Leser bekannt. Ebenso ist es ihnen vielleicht neu, daß der bei uns so anspruchslose Strauch namentlich im Orient in einer sehr großen Abwechselung von Arten und Varietäten vorkommt, die sich zum Theil durch die malerische Schönheit ihres Baues auszeichnen. Die Oberhüttener Gärten werden uns auch für diesen Zweig der Botanik zum praktischen Handbuche. Ich zählte daselbst mehrere und dreißig Arten, von den Bermuda-Inseln, aus China, aus Griechenland, aus dem Kaukasus, aus Sicilien, aus Nepal, aus dem Himalaya, aus Spanien, aus Japan, aus Nordamerika, möchte aber zweien davon den Preis ertheilen: der orientalischen Juniperus excelsa stricta, einem Strauche von dichtgedrungenem Wuchse und feinen, eng aneinander gefügten in’s Blaugrüne schillernden Blättern, und einem spanischen Wachholder, der Juniperus thurifera, mit schlank aufsteigenden Aesten und meergrünen Blättern. Auch eine Varietät unseres gemeinen Wachholders, die mit hängenden Zweigen, läßt sich zu einer sehr effectvollen Gartengruppirung verwenden.
Als Schluß der Reihe sind die Eiben, Taxineen, zu nennen, mit wenigen Ausnahmen sämmtlich Kinder der Fremde. Der neueste Katalog des Etablissements zählt ihrer über dreißig einzelne Arten auf. Als Ganzes genommen bildet die Familie der Eiben die dunkelste Nuance der grünen Palette, obschon einige Gattungen selbst weißliche Nadeln tragen und eine andere eine constant goldgelbe Belaubung besitzt. Eine Eibe, der in China und Japan heimische Gingkobaum, verliert ihre Nadeln im Winter. Als eine der merkwürdigsten Arten der Familie wurde mir von meinem Führer die kirschenfrüchtige Eibe – Prunopitys – gezeigt, ein vor Kurzem erst aus Chili importirter Baum, dessen gelblichgrüne Früchte an Wohlgeschmack und Arom unsere besten Kirschensorten übertreffen sollen. Bis jetzt war freilich keiner der in Oberhütten gezogenen Stämme bis zur Fruchtbildung entwickelt.
Wenn im Allgemeinen das Riesige und Massenhafte als ein charakteristisches Merkmal des Coniferengeschlechtes hervorgehoben werden muß, so fehlt es doch auch nicht an niedlichen Miniaturausgaben von Nadelhölzern. So sah ich im Parke u. A. die allerliebste Pygmäenfichte, eine Zwergcopie unseres gewöhnlichen norddeutschen Forstbaumes; ferner eine winzige Diminutivweymouthskiefer mit lichtgrünen feinen kleinen Nadeln, und die bekannte Legföhre der Alpen. Auch von der Lawsoniana, jener für unsere Breitengrade unbedingt empfehlenswerthesten aller Cypressen, existirt eine elegante Zwergart, die für kleine Rasenplätze eine sehr anmuthige Decoration abgiebt; die kleinste sämmtlicher bis jetzt bekannten Miniaturconiferen aber ist eine dem asiatischen Osten angehörige Lebensbaumcypresse, die Chamaecyparis obtusa nana. Mit ihren flach aufeinander liegenden kleinen Aesten und Blättern gleicht sie viel mehr einem Moose als einem Baume. Eine Varietät derselben Zwergcypresse erschien mir mit seinen hellgoldgelben Nadeln an den fächerartig ausgebreiteten Zweigen als eine der absonderlichsten Pfleglinge von Oberhütten.
Ich brauche wohl nicht erst zu bemerken, daß der Park des Anwesens selbst nur die Quintessenz, blos die vorzugsweise decorativen Elemente aus dieser erstaunenswerthen Fülle von Nadelhölzern enthält. Die eigentlichen Baumschulen dehnen sich hinter demselben thalaufwärts in beträchtlicher Länge aus, während die vielen Sprößlinge aus milderen Klimaten in mehrere auf das Zweckmäßigste eingerichteten Kalthäusern beherbergt und herangezogen werden. Ein tüchtig geschulter Obergärtner, dessen ganzes Herz an seinen Coniferen hängt, steht dem Besitzer in der Leitung des weitläufigen Etablissements zur Seite, welches, wie ich mich persönlich zu überzeugen Gelegenheit fand, aus dem gesammten nördlichen Europa mit Aufträgen förmlich bestürmt wird, und ein besonderes Gebäude auf der andern Seite des Thales dient einzig und allein dazu, die oft sehr zeitraubende und schwierige Verpackung der in alle Welt hinaus ziehenden Zöglinge der Oberhüttener Anlagen zu bewirken. Wer den romantischen Bielagrund vom Städtchen Königstein hinauf wandert, der wird von Zeit zu Zeit beladenen Karren begegnen, auf welchen in Leinwand gehüllte seltsame Kegel emporragen: die wunderlich vermummten Gestalten sind Coniferen aus den Lässig’schen Baumschulen, die zum Weitertransport durch Eisenbahn oder Dampfschiff zur Elbe hinab gefahren werden.
Von Jahr zu Jahr wächst das Interesse für die Cultur der Nadelhölzer bei allen denen, welche vom Geschick in die beneidenswerthe Lage versetzt worden sind, sich den eigenen Grund und Boden durch die Kunst des Landschaftsgärtners verschönern zu können, weil ohne passende Verwendung von Nadelhölzern eine wirkungsvolle und zu jeder Jahreszeit augenerquickliche Abwechselung der Vegetation bei ausgedehnteren Anlagen kaum zu erreichen ist. Für sie Alle – und Gott sei Dank! der steigende Verkehr und der mit ihm wachsende allgemeine Wohlstand vermehren die Zahl dieser Glücklichen tagtäglich – wird „der Schwedengarten von Oberhütten“, der, mehr als tausend Fuß über dem Spiegel der Nordsee, auch dann eine Versendung seiner Pflanzen noch erlaubt, wenn in niedrigeren Lagen dies schon Wochen lang unmöglich gewesen ist, ein Gegenstand lebhaften Interesses sein. Wer von ihnen das Etablissement noch nicht aus persönlichem Augenschein kennt, der weiß es daher dem Verfasser dieser Zeilen vielleicht Dank, daß er ihm ein neues Reiseziel gezeigt hat, welches das Nützliche und Lehrreiche so bequem mit dem Schönen und Angenehmen verbindet.
Aber wem es auch versagt bleibt, im Schatten eigener Bäume auszuruhen von der Mühsal dieses Lebens – gern wird er doch ein paar Ferientage aufwenden, in einem der lauschigsten Bergwinkel Mitteldeutschlands die Unerschöpflichkeit und Anmuth der Natur auch in Gebilden zu bewundern, die er, in oberflächlicher Kenntniß, leicht geneigt war, für steif und eintönig zu halten. Er gehe denn hin nach Oberhütten und klopfe an bei Director Lässig: man wird ihm freundlich aufthun in dem merkwürdigen Etablissement, das durch die Akklimatisation der schönsten und werthvollsten Coniferen aus allen Zonen sicher auch für unsere heimathliche Forstwirthschaft noch reiche Früchte zeitigen wird.