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Der Newgate-Fleischmarkt in London

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Titel: Der Newgate-Fleischmarkt in London
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 40–42
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Der Newgate-Fleischmarkt in London.

Die Märkte in London! Lebensquellen für 3 Millionen Menschen, die alle mehr „nach der Nahrung“ sind, als die mit Hunger und Appetit gesegneten Sterblichen anderer Nationen – das will etwas sagen. Nachtmärkte mit den Blumen-, Frucht- und Gemüsemarkt haben wir schon früher geschildert, und auch der neue Viehmarkt ist den Lesern mit Wort und Bild in einem frühern Jahrgange gezeigt worden.

Gehen wir weiter auf diesem Gebiete, in den Mittelpunkt des alten Londons, auf classischen Boden, den höchsten Hügel der Hunderthügelstadt, bis wir dicht vor der Paulskirche auf der Nordseite stehen, wo’s immer „zieht“ und der Wind immer um den ungeheuern Koloß herum läuft. Der Kirche gegenüber im Norden, dicht dabei, läuft die Reihe classischer Putzläden, wo man Hüte und Hauben, 150 Arten von Mänteln und Mantillen, Bänder [41] und Spitzen, Kleiderstoffe fuder- und schiffsladungsweise, aber auch im Einzelnen kaufen kann. Die großen Schaufenster sind immer von drei-, vierfachen Reihen kauflustiger Damen belagert. Wer Schönheiten und Eitelkeiten und Tand studiren will, mag hier verweilen, sich aber warm halten, damit er sich nicht bei warmer Bewunderung der schönen Welt erkälte. Wir unsrerseits gehen durch eine ganz enge und ganz kurze Seitenstraße in eine lange und noch engere, den Mittelpunkt des ganzen englischen Buchhandels, genannt Pater Noster Row. Von diesem Brennpunkte geistiger Nahrung führen noch viel engere Schlüpfen von Gäßchen in den Mittelpunkt alles Fleisches dicht dahinter.

Ja, der Großfleischmarkt Londons drängt sich in furchtbarster Enge dicht an das Leipzig des englischen Buchhandels, die enge Pater Noster Row.

Die Ochsen-, Schweine- und Schöpsenkeulen für 3 Millionen Menschen reichen bis in die ungeheueren Lager von Büchern und Broschüren und Magazinen für 28 oder doppelt so viel Millionen Menschen, da wir hier auch an die Colonien und den auswärtigen Verbrauch englischer Literatur denken müssen.

„Hier ist ein Wunder, glaub’ es nur!“ Wie man in diese paar scheußlichen, engen Schlupfwinkel zwischen dem Newgate-Gefängniß, vor welchem die armen Sünder mitten auf der Straße noch heute gehangen werden, der Paulskirche und dem Denkmal Robert Peels (classische Zusammenstellung in echt englischem Geschmack!) alles Fleisch für London und die Literatur für England zusammendrängen und von hier aus täglich fix und fertig in jeden Mund werfen kann, das ist ein Wunder. Auf dem Newgate-Markte wird Alles sogar in wenigen Stunden abgemacht. Von 3–4 Uhr an Morgens füllt es sich, und um 9–10 Uhr ist das Fleisch für 3 Millionen Menschen in Tausende von Fleischläden verschwunden.

Es ist wie mit den Fischen, Blumen, Früchten und Gemüsen, deren Zufuhr und Absatz im Großen an die Kleinhändler auch immer in Nacht und Nebel abgemacht wird. Ohne daß ein Polizei-Präsident oder irgend ein Staatsbeamter oder irgend etwas von Behörde und Menschenbeglückungs-Büreau oder irgend ein Gesetz im Geringsten dabei ordnet und eingreift, bekommt jeder der 3 Millionen Bewohner Londons täglich früh, wenn oder eh’ er aufsteht, sein Fleisch, seine Fische, seine Gemüse und Früchte und tausenderlei andere Dinge, die er vielleicht brauchen oder wünschen könnte, frisch aus der Schlächterei, aus Meeren und Flüssen, aus Feldern und von Bäumen Hunderte von Meilen weit her vor die Thür geliefert, ins Haus getragen. Die destillirteste, reinste, verdichtetste und göttlichste Macht und Weisheit der weisesten hundert Polizei-Präsidenten Europa’s brachte nicht eine so vollkommene Maschinerie von Ordnung, Fülle, Sicherheit und Schnelligkeit zu Stande, als sich hier stets von selber macht, erhält und vervollkommnet. Wenn erst Staaten, die oft nicht so viel Menschen haben, als London (und was von 3, gilt auch von 30, von 300, von allen Millionen Menschen), so klug geworden sind, sich um den Verkehr nicht zu bekümmern, können’s deren Unterthanen noch bequemer, billiger und besser haben, als die 3 Millionen London’s, die sich so furchtbar dicht auf einen Fleck zusammendrängen.

Wie ist’s möglich, daß sie aus diesen miserablen Winkeln und Schlüpfen des Newgate-Marktes mit gutem und frischem Fleisch sicher versorgt werden?

Die Arbeit fängt immer Nachts um die zwölfte Stunde an, wenn die letzten Omnibus und Lastwagen verschwunden sind und Raum gemacht haben, und dauert, bis die Omnibus und Lastwagen und Equipagen die Straßen wieder in Beschlag nehmen, d. h. von 8–9 Uhr Morgens. Während dieser Nachtzeit gehören die Straßen den Fleischerkarren, den Lastwagen voller Früchte, Gemüse und Blumen, den Fischlieferanten, den Milchhändlern, so daß die Leute, während sie ihr Nachtessen verdauen, immer schon wieder mit Frühstück und Mittagbrod und allen Delicatessen des Nach- und Nachttisches für den folgenden Tag versorgt werden. Das Fleisch kommt theils lebendig in zahllosen Heerden zu Wasser und zu Lande, zu Fuß und mit der Eisenbahn, theils geschlachtet und gut verpackt, sogar eingenäht, in London an und ist bis 5 Uhr Morgens dicht beisammen auf dem Newgate-Markte. Unzählige Wagenburgen von Fleischerkarren rollen während der Nacht durch die Straßen, leer nach, beladen vom Newgate-Markte.

Ich hatte mich mit meinem Fleischlieferanten verabredet, ihn um 5 Uhr Morgens zu treffen, damit er mir einmal den Newgate-Markt in seiner Geschäftsblüthe zeige. Unser Stelldichein war der Winkel des berühmten, alten City-Gefängnisses. Hier trafen wir uns pünktlich einer unendlichen Doppelreihe von einspännigen Karren gegenüber, deren weiche Kissen, Sitze und Mäntel und sonstige Kostbarkeiten den lauernden Dieben („lurchers“ und „snatchers“) gute Ernte zu bieten schienen. Ich äußerte mein Befremden über diese Sorglosigkeit, aber mein Führer ließ mir ein Licht aufgehen, indem er blos auf eine im Schatten der geräumigen Gefangnißmauer wachende und scharf umherspähende Figur zeigte. Ein einziger von den Fleischern privatim angestellter Mann machte hier die ganze Polizei und alle Einmischung von „Behörden“ überflüssig. Auch kommen die Polizeimänner blos zum Vorschein, wenn sie ganz besonders gerufen werden und wirklich nöthig sind.

Wir schoben uns in die kleine Hauptstraße des Marktes, wo ein unabsehbares Gewirr von Eisenbahn-Karren ihre Ladungen noch los zu werden suchten, während die Fleischer ihre Einkäufe und Ladungen schon durch wahre Nadelöhre von Raum hindurch zu quetschen und auf ihre Karren zu bringen sich abmühten.

Wie sie es anfingen, große Schöpsen und Ochsenhinterviertel über Köpfe und Schultern und Wagen hinweg wirklich davon und an Ort und Stelle zu bringen, ist mir heute noch ein Räthsel. Der Markt besteht aus wohl zwanzig kleinen, engen Gäßchen und Schlüpfen mit unzähligen Winkeln und unheimlichen Höhlen. Blos durch zwei Straßen können Wagen fahren. Letztere sind sieben Fuß breit, die beiden Straßen blos je zehn Fuß. Jeder Wagen enthält durchschnittlich 40 Centner Ochsen-, Schöpsen und Schweinehinterviertel („warum keine Vordertheile?“ Räthsel, das wohl niemand rathet, so daß wir’s hernach selber lösen wollen), die oft auf beiden Seiten über den Wagen hervorragen. Was bleibt da für Raum? Es bleibt nichts als dichter Qualm und Nebel, nebelumhüllter Lampenschein, sichtbarer Athem von Menschen und Thieren, Feuerwerk unter den Pferdehufen, die auf den nassen Steinen ausglitschen und kochen und dampfen vor Angst und Mangel an Luft und vor den Flüchen des Markt-Pedells, der sich mit den Pferdebändigern zankt. Aber sie behalten alle merkwürdig kaltes Blut und arbeiten sich wie Zauberer und Titanen mit Riesenkraft und Geschicklichkeit rasch gegenseitig in die Hände. Am meisten fielen mir ungeheuere Packete, in Sackleinewand genäht, auf, die vor einem noch geschlossenen Laden aufgehäuft wurden, sodann sonderbar ungeschickte Weidengeflechte, die so schwer hinplumpten, als wären sie mit Blei gefüllt. In letzteren stecken die Meisterstücke von Schöpsenhinterkeulen für die alten berühmten Hammel-Rippen-Restaurationen, in denen schon Shakespeare, Dichter und Notabilitäten der verschiedensten Jahrhunderte, ihre Hammelrippe eben so gut aßen, wie die Menschen von heute. Die classische Hammelrippe (eigentlich Hammelschnitt), wie sie in der City in Hunderten von Restaurationen täglich vielcentnerweise verzehrt wird, kann blos vom Hinterviertel geschnitten werden. Vordertheile kommen daher gar nicht nach London. Eben so ist’s mit den Schweinen und Ochsen von Aberdeen und sonstigen schottischen und fernen Gegenden, die immer blos Hinterviertel, dicht in luftdichte Sackleinewand genäht, auf den Londoner Großfleischmarkt schicken. Die Vorder- und sonstigen werthlosen Theile sind die Fracht nicht werth und nicht im Stande, das Ideal alles Fleisches, das die Londoner Geld- und Standes-Aristokratie alle Tage verwirklicht auf dem Tische sehen will, die „fein marmorirte“ Durchwachsenheit von Fett und Muskeln, leuchten zu lassen.

Es war früh, es war noch Nacht, aber die Tavernen, sonderbar enge hineingequetscht zwischen unendlichen Reihen von Fleischmassen und bald ganz verhangen und versteckt, glänzten in brillanter Gasbeleuchtung, die kometenschwanzartig durch die Schweine- und Ochsenviertel hindurch in die rauhe, nebelige Novemberluft hervorbrach. Im „Alten Kaffeetopf“, in der „Glocke“, in „Salutation and Cat“ überall Glanz und Leben und große Zinnkrüge Bier und saftquellende Stücke „Beef“ und aristokratischer Luxus ausgebreitet vor schmierigen, schmutzigen, riesigen Kerls in dicken Lederschürzen und blauer Leinwand. So massiv und massenhaft mögen die Freier der Penelope im Homer, die alten Nibelungenrecken geschmaußt haben. Hier ist Alles dicker Reichthum bis zum Pferdeknecht und Lastträger herab, die mit kaltblütiger Verächtlichkeit ihre Goldstücke hinwerfen, wenn sie bezahlen, und die Masse Silber, die sie herauskriegen, nur aus Gnade und Barmherzigkeit mit zu nehmen scheinen. Hier ist selbst das schmutzige Bret mit seinen großen Haken so gut wie Gold. Für die Erlaubniß, ein solches Bret, zwei Fuß breit und sieben lang, an eine Wand zu [42] nageln und Fleisch daran zu hängen, bezahlt ein Fleischer auf dem Newgate-Markte 40 Pfund Sterling– über dritthalbhundert Thaler – jährlich, und für den Laden gegenüber, eine Höhle von 12 Fuß Breite und 7 Fuß Tiefe, 170 Pfund Miethe. Und dies ist an einer wohlfeilen, versteckten Stelle. In der Nähe von Bonser, dem ersten Verkaufsmann in Newgate (so heißen sie, nicht „Fleischer“, da sie eben blos im Großen ein-und verkaufen), kostet dieselbe Räumlichkeit schon an 1500 bis 2000 Thaler.

Wir frühstückten im „Alten Kaffeetopf.“ Wieder heraustretend fanden wir den Markt in vollem Schwunge. Läden, Wände, Thüren, Breter, Häuser, – Alles war verschwunden, wenigstens unsichtbar geworden hinter Hammeln, Schweinen, Kälbern, Ochsen, zwanzig Arten von wilden Enten, Wasserhühnern, Hasen, Kaninchen und was weiß ich sonst noch für Gethier. Die beiden Schwingthüren der Tavernen waren zu bloßen Ritzen zwischen herabhängenden Schweinen geworden. Menschliche Ungeheuer in schmierigen Nachtmützen und mit Fudern von Fleisch auf Schultern und Rücken trabten und balancirten blindlings durcheinander, nach ihren Herren schreiend, damit diese ihnen Weg und Richtung zeigen sollten. Wandelnde Fleischmassen! Ihr Haar nichts als Fett, ihre Gesichtsrunzeln verklebt mit Talg, ihre Hände lebendige, rohe Beefsteaks, ihre Kleider selbst gemästet wie 7 Zoll hoch mit Fett bekleidete Schweineviertel. Die Fleischer, deren Karren draußen in unabsehbarem Gewirre harren, prüfen hier und da mit einem Finger eine Fleischmasse und schließen in demselben Augenblicke einen Kauf von 100 bis 200 Pfund Sterling ab. Die schon harrenden Träger fallen über die gekaufte Waare her, werfen Centnerlasten von Keulen auf ihre furchtbaren Rücken und taumeln damit blindlings und rücksichtslos gegen lebendiges Fleisch ab, während der Käufer seine knisternden, spröden Banknoten oder Hände voll Gold hinten in der Verkaufshöhle nachlässig hinwirft. Die meisten Fleischer schlachten nicht selbst, sondern kaufen ihren Bedarf immer auf diesem Großmarkte. Dieses Geschäft dauert höchstens drei Stunden. Was später und Abends folgt, ist Kinderei und Kleinhandel, der freilich zuweilen, namentlich Sonnabends, zum Größten und Ungeheuersten wird, was im Detail auf einem so kleinen Raume und in so kurzer Zeit geleistet werben kann.

Nachdem ich in dem Gewirr des Großgeschäfts bald von der schweren Hinterviertelkante eines Aberdeen-Ochsen geohrfeigt, bald von der scharfen eiskalten Pfote eines Schweines am Halstuche oder im Nacken gepackt, bald von den Hörnern eines Widders in’s Kreuz gestoßen und sonst auf tausenderlei Weise fettig gewischt und braun und blau, selbst blutig geschlagen worden war (einmal mitten in dieser wahnsinnigen Wildniß wüthender Leichname von Thieren, war schlechterdings nicht wieder herauszukommen), konnte man endlich wieder Athem schöpfen und seiner Wunden und Püffe bewußt werden. Einmal eingef– oder eingeweiht, beschloß ich, diese sonderbare Welt genauer und tiefer zu untersuchen. Auf Fürsprache meines Führers bekam ich Zutritt in die Werkstatt der Herren Benables und Dixon, die wöchentlich im Durchschnitt 500 (im Sommer) bis 1000 (im Winter) Hammel schlachten. Die Werkstatt bestand nach der Straße zu blos in einem großen Kasten, in welchem ein kaufmännisch aussehender Herr über dicken Büchern saß.

„Und wo ist das Schlachthaus?“ fragte ich verwundert. – „Hier,“ antwortete er, indem er auf eine Thür hinter seinem Kasten zeigte und sie hernach öffnete. Indem er aus seinem Kasten trat, um mich hinein zu lassen, stieg mir Qualm und Schlachtgeruch in dicken Wolken entgegen. Ich sehe endlich durch die geöffnete Thür in einer dunklen Höhle, nicht größer als eine gute Stube, acht menschliche Gestalten, alle mit bloßen Armen, alle thatsächlich vom Haar bis zu den Stiefelsohlen von Blute rauchend und triefend.

Diese acht Ungeheuer bilden zwei „Gänge“, wie mich der Buchführer zu dem Kasten herein belehrte. Jedes Schaf geht durch vier Paar Hände, um fix und fertig zum Verkauf zu werden.

Die beiden „Gänge“ arbeiten in der Regel 12 Stunden des Tages und schlachten oder „bringen aus“ während dieser Zeit 160 Stück, sodaß auf jedes noch nicht Minuten kommen. Mein Auge war bald an die Dunkelheit gewöhnt, sodaß ich die kleine Mordhöhle deutlich übersah und mich zwang, ein paar Minuten auszuhalten, um mir ein Bild von dieser „Nachtseite“ menschlicher Industrie zu verschaffen. Die acht menschlichen Ungeheuer waren in voller Arbeit zwischen lebendigen, ganzen, Halden, sterbenden, todten, halb und ganz geschundenen Hammeln. An der einen Wand entlang standen mindestens 15, lebendige Thiere festgebannt hinter einen Verschlag, aus welchem ein schwitzender, von Blut getränkter Riese, ein Bild des Grauens in dem dunkeln Dampfe dieses Raumes, eins nach dem andern hervorzog, es auf einen großen, aber übergitterten Kasten warf und durchstach, während die andern sofort ihre Arbeit des Schinkens und Ausweidens begannen. Die lebendigen Schafe standen und starrten auf diese furchtbare Scene und gaben zuweilen Töne von sich, wie ich sie nie aus solchen Thierkehlen vernommen, zitternd-quiekend grunzende Töne, für mich das Grauenvollste und Erschütterndste des ganzen scheußlichen Bildes, das nur von den Ochsenschlächtern in ihren dunkeln Schuppen und unterirdischen Höhlen, den fabrikmäßigen Schlächtern der 250,000 Stück, die London neben zwei Millionen Schafen, 30,000 Kälbern und 40,000 Schweinen jährlich verzehrt, noch übertreffen wird.

Ich sah mit künstlicher Abhärtung auf diese Mord-Industrie und nahm an, daß sie nothwendig sei, also ohne alle Sentimentalität, aber nie war mir das Herz schwerer, als nach diesem Anblick, den ich unter den verhältnißmäßig heitern Scenen des draußen begonnenen Einzelverkaufs vergebens los zu werden suchte.

Die eigentlichen aristokratischen Großhändler hatten bereits geschlossen, so daß sie den zum Einzelverkauf herabsteigenden Freunden der Armen und „gebildeten Proletarier“ mehr Raum ließen.

Die ordentlichen und wohlhabenderen Armen kaufen sich hier (für die Hälfte der eigentlichen Fleischer-Preise) ihre Fünf- bis Zehnpfundstücke Fleisch für die Woche. Es wird Sonntags frei vor dem Kohlenfeuer gedreht. Während der Woche hauen sie sich jeden Tag ein Stückchen ab. Ein Papierchen voll „Erbsen-Pudding“ dazu aus dem Laden, einige Kartoffeln und ein großer Humpen Bier mit Gischtmütze (nie ohne dieses), vielleicht auch ein klatsch von grünen Blättern in Salzwasser gekocht – das ist das Mittagsmahl der Arbeiter und wohlhabenderen Armen.

Das Gedränge, Geschiebe und Geschrei dieses Detail-Geschäfts läßt sich leicht denken, da der Newgate Markt – in der Mitte von 3 Millionen Menschen, die alle zu den Carnivoren erster Classe gehören, sich auf dem theuersten Pflaster in einander und über einander schiebt und die Straßen und Gäßchenwinkel Tausende von Hausvätern, Müttern, Kindern, Körben und Kiepen aufnehmen und befriedigen müssen. Merkwürdig ist die Schnelligkeit, Grobheit und witzige Kürze, womit hier gehandelt wird. Kaum sieht ein sorgsamer Hausvater oder die wegen knapper Börse bedenkliche Mutter und Gattin ein Stück Vieh an, so ist’s auch schon vom Haken herunter und in ihren Korb. Will oder kann sie nicht so viel zahlen, als der feste Preis ist, fliegt es mit einer kurzen, schnöden Bemerkung schon einem andern Kunden zu.

So etwa kommen und verschwinden im Durchschnitt täglich 100 Kälber, 150 Schweine, 6000 Hammel und über 700 Ochsen, außer Geflügel, Kaninchen, Hasen etc., von diesem einzigen Fleischmarkte Londons.