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Der Negerkönig

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Titel: Der Negerkönig
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 472-474
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[472] Der Negerkönig. Auch Afrika wird seinen Antheil an der zukünftigen Geschichte der Erdenkinder übernehmen. Die Sklaven, die es bisher auf den Weltmarkt lieferte, werden zu Hause bleiben oder wieder zurückkehren und zu Hause den Bewohnern anderer Erdtheile das Palmöl des Friedens aus ihren königlichen Bäumen pressen und dafür die Industrie, Kunst und Bildung der Weißen eintauschen. Man hat es nun seit länger als einem halben Jahrhundert von allen Seiten in Angriff genommen und bis tief in’s [473] Innere erforscht, wo z. B. Deutsche, Barth und Overweg, mitten in Wüsten die herrlichsten Paradiese mit gutmüthigen, ziemlich gebildeten Menschen entdeckt haben, und von allen Seiten durch Häfen, Handel, Missionäre, Kolonien, Gemeinden und Dörfer der Weltbildung und dem Welthandel Straßen gegründet, auf welchen die Cultur hineinfährt und Cultur mit Procenten wieder zurückkehrt.

Die Verfasserin von „Onkel Tom's Hütte“ prophezeit der schwarzen Race sogar eine Zukunft, die über weiße Bildung und Humanität hinausgehen werde. An Talent und Lust, an natürlicher Herzensgüte und jugendlicher Lern- und Thatenlust fehlt es, so weit die Erfahrungen reichen, den meisten Negerstämmen nicht. Mit der Hitze ist's auch nicht so arg, und die Natur hat bis unter den Aequator hin bereits für umgekehrtes Heizmaterial gesorgt, nämlich für ewigen Schnee auf gigantischen Bergen, von denen man, wo es zu heiß ist, Eis herunterholen wird, um die Zimmer ebenso zu kühlen, wie wir sie heizen. –

Zur Erkenntniß des Innern Afrika's hat die unlängst im Drucke erschienene Reise des Engländers Francis Galton viel beigetragen. Er drang vom Süden, dem Cap der guten Hoffnung, in's Innere auf der westlichen Seite vor, zunächst durch das Land Damara mit seinen vielen christlichen Dörfern und Kolonien, um welche auch Deutsche großes Verdienst haben, und dann weiter hinein an großen schönen Flüssen, Gebirgen und durch wundervolle Palmenwälder bis zum 18. Grade südlicher Breite, wo ihn deutsche Kornfelder mit ihren goldenen Wogen empfingen und deren König und Volk. Das Volk nennt sich „Ovampo's“ und deren König Nangoro. Beide wollen wir jetzt näher kennen lernen und auch bei Königs mit zu Balle gehen. Wir lassen Francis Galton selbst erzählen.

„Ungefähr gegen Mittag ward mir gemeldet, Se. Majestät Nangoro sei auf dem Wege zu mir. Ich ließ also hübsch zusammenräumen und putzte mich selbst stattlich heraus. Bald sah ich denn auch eine ziemliche Menge Schwarzer feierlich herankommen. In ihrer Mitte watschelte sehr schwerfällig ein ungeheuer fetter, alter Bursche mit kurzem, schnaubendem Odem, dem die Bürde seiner (unsichtbaren) Krone und seiner Uniform, die aus nichts als Fett auf dem nackten Körper bestand, sehr schwer zu werden schien. Es war der König Allerhöchstselbst. Er wackelte heran mit einem ungemein majestätischen, festen Blick auf uns, sich in der Mitte seines Gefolges auf einen sehr niedlichen Stock lehnend, der ihm wahrscheinlich auch als Scepter diente. Wir verbeugten uns Alle vor ihm, doch nahm er keine Notiz davon, so daß ich nicht wußte, was ohne die geringste Kenntniß der Ovampo-Hof-Etikette zu thun sei. Ich setzte mich also wieder und fuhr fort, an meinem Journal zu schreiben. Ungefähr nach fünf Minuten schrotete er sich dicht an mich heran, grunzte auf eine wohlwollende Weise, gab mir einen gnädigen Rippenstoß mit dem Scepter und setzte sich, schnarchend wie eine verdorbene Orgel, neben mir nieder. Chik, mein Dolmetscher zwischen der Damara- und Ovamposprache (ich verstand blos erstere) vermittelte nun unsere Unterredung. Der Hof stand dicht um ihn herum und lachte jedesmal unbändig, wenn Majestät etwas Scherzhaftes zu sagen geruhten, wie sie eben so tief ernste Mienen annahmen, sobald sie Worte der Weisheit sprach – Alles im schnellsten Wechsel und in der naivsten Weise. Ich breitete nun die Kleinodien aus, die ich dem Könige gleichsam als Eingangszoll auf unsere Personen und Sachen zugedacht, und bedauerte zugleich, daß ich ihm nichts Besseres bieten könne. Aber alle meine goldenen Herrlichkeiten fanden wenig Gnade vor seinen und seines Volkes Augen. Die Mode ist unter den Schwarzen eben so tyrannisch, wie bei uns Weißen. Meine Perlen waren nicht Mode bei den Ovampo's. Ich hätte jetzt gern 10 Pfund Sterling für die rechte Sorte gegeben. Ich war jetzt in der Lage eines Menschen etwa in einem Pariser Hotel, der seine Rechnung mit einem Kasten voll Negersandalen bezahlen will. Nangoro sah ziemlich ärgerlich aus, eben so sein Volk und Hof. Es gilt bei den Afrikanern als eine Beleidigung, in ihr Land zu kommen, ohne mit einem passenden Geschenke sich die Gnade des betreffenden Monarchen zu erkaufen. Der Ochse, der unter meinen Geschenken stand, gefiel ihm. Er knuffte mich mit wohlwollendem Unwillen in die Seite und fragte, ob ich nicht die Kuh als Lebensgefährtin des Ochsen zufügen wolle. Die Kuh gehörte einem meiner Begleiter und ich zögerte. Doch bestand er darauf und so ging unsere brave Milchlieferantin hinüber und ward ein Unterthan Nangoro's. Jetzt plauderte er mit uns ziemlich gemüthlich, besah unsere Flinten und ließ uns damit schießen. Endlich verließ er uns mit den Worten, daß wir in seinem Lande machen, kaufen und verkaufen könnten, was wir wollten. Große Massen von Unterthanen, die sich während dieser Audienz um uns versammelt hatten, umdrängten uns nun, um uns näher zu besehen. Sie lachten und scherzten ausgelassen, ohne uns indeß im Geringsten zu belästigen. Im Gegentheil sah ich in ihnen die naivste Art, sich ohne Polizei selbst zu regieren. Mancher, der uns zu nahe trat und zu laut war, bekam verschiedene Püffe und wurde so in die Grenzen des Anstandes zurückgewiesen. Die Meisten waren reichlich mit Perlen bekleidet, selten mit etwas Anderem. Manche hatten sich roth geschminkt und gepudert und trugen Schminke, Haare und Puder in kleinen runden Büchsen bei sich. Die Mädchen sahen ziemlich derb und wie gute Arbeiterinnen aus und zeigten sich ungemein lustig und zärtlich gegen einander. Sie standen überall herum in zärtlich verschränkten Gruppen, wie Canova's Grazien. Ihre Gesichter blickten offen und lustig, aber sehr stark wie mit Butter bestrichen und mit rother Salbe. Sie summten hübsche Lieder und tänzelten den ganzen Tag um uns herum und brachten meine schwarzen Diener ganz außer Fassung. Einer derselben handelte sehr stark mit ihnen und kaufte, mitten in Perlen sitzend, große Massen Korn und Bohnen dafür. Für ein Stückchen Eisen, 4 Fuß lang und 1/2 Zoll dick, brachten mir die Damen über 100 Pfund Korn, theils in Körbchen, theils handvollweise. Sie trugen ihr Haar vorn kurz geschnitten und hinten lang und lose wie einen Fächer.

„Nangoro giebt seinem Volke jede Nacht einen [474] Ball, zu welchem die Auserwählten seines Landes stets freien Zutritt haben. Auch uns schickte er durch seinen Minister Tippoo, unter dessen Schutz wir ganz besonders gestellt waren, eine Einladung, die wir natürlich freudig annahmen. Auf dem Wege nach den Zäunen, die Nangoro’s Residenz mehr ausmachen als umgeben, hatten wir ein kostbares Schauspiel. Von allen Seiten tanzten Lichter und Fackeln unter dem heitern, hellen Himmel auf der stillen, grasigen Erde durch Palmenbäume hindurch, alle nach der Residenz zu: Ballgäste, die unterwegs trockene Palmenzweige anzünden und damit reisen, wobei sie noch größtentheils liebenswürdige Weisen singen.

„Ich habe hernach berechnet, daß Nangoro’s Residenz (Pfahl- und Zaunwerke mit der wunderschönen Himmelsdecke als Dach) just unter dem 18. Grade südlicher Breite und etwa 3 Meilen vom 16. nach dem 17. östlicher Länge sich befindet.

„Als wir in das „Königliche Schloß“ eintraten, wies man uns rechts in den „Ballsaal,“ der schon ziemlich gefüllt war und worin man ebenso umherflirrte und flüsterte, wie bei uns zu Hause.

„In einem Winkel ließ sich ein Virtuos auf der Banjo (einem kleinen guitarrenartigen Saiten-Instrumente) vernehmen und vor ihm ein mächtiger Künstler auf dem Tom-Tom (Handtrommel). Diese Töne fuhren zunächst zwölf Herren in die Füße. Sie stellten sich in zwei Reihen (Rücken an Rücken) auf und schwenkten sich dann trippelnd und rasch mit scharfen, schlauen Augen einander beobachtend, um einander herum. Oft drehte sich bald Dieser, bald Jener rasch um sich selbst herum, um dem Nächsten von der andern Reihe, den er gerade erreichen konnte, einen furchtbaren, klatschenden Schlag auf den Körpertheil, wo der Rücken seinen ehrlichen Namen verliert, zu appliciren. Das Interesse und die Geschicklichkeit dieses Vergnügens bestand eben in dem Vermeiden und Appliciren dieses Schlages, der, wenn er traf, mit einer Gewalt „saß“, die nur auf solcher Haut ein Vergnügen sein konnte. Minister Tippoo bekam die wenigsten und vertheilte die meisten Schläge. Diesem Talente verdankte er auch seine hohe staatliche Stellung. Nangoro lachte, daß ihm das Fett auf allen Seiten wackelte, und die „Ladies“ beklatschten und bejauchzten diese künstlerische Leistung auf die ausgelassenste Weise, die von der Liberalität der Hof-Etikette zeugte.

„Nun folgte eine Promenaden-Tanz-Partie. Wir wurden alle in eine compacte Masse zusammengeschichtet und schritten dann taktweise nach „Tom-Tom“ und „Banjo“ im Saale rundum, den Boden mit jedem Tritte tüchtig stampfend. Tanznummer Drei war für die Buschmänner, die als Leibgarde Nangoro’s in einem benachbarten großen Kraal (Dorfe) wohnten. Diese Leistung war durchaus mimisch und bestand in täuschender Nachahmung von Thieren oder sonstiger individueller Eigenthümlichkeiten, scheinbar ganz nach deren Belieben. Eine große Tanz-Promenade aller Anwesenden beschloß den Ball. Von Nangoro’s Frauen sah ich blos 30 oder 40, die zum Theil sehr hübsch aussahen. Die übrigen mochten wohl alt und häßlich sein und deshalb sich nicht zeigen. Sie trugen kupferne Armbänder als Zeichen ihrer hohen Stellung und Würde. Die übrigen Frauen und Mädchen nahmen blos an den Tanz-Promenaden Theil, doch tanzten sie mit den Köpfen und Füßen gleichsam alle Tänze mit und schienen sich oft kaum halten zu können, so tapfer arbeiten sie nach den Takten der Musik mit den Füßen. Die großen Irrlichter und Fackeln der sich Zerstreuenden in die dunkel glänzende, würzige Nacht hinein machte wieder den lebhaftesten Eindruck auf uns, wozu unsere Stimmung, das Bewußtsein unserer Lage auf der Erdkugel, wo keine Spur europäischer Erscheinungen zu finden war, das ihrige beitrug.“