Der Marsbrunnen und die Meerweiblein
In den Meerwiesen bei Walddürn befindet sich der Marsbrunnen, welcher, nachdem er zwei Stunden unter der Erde geflossen, bei Bretzingen wieder hervorbricht, und z. B. Spreu oder Späne, die man zu Walddürn hineingeworfen, bei Bretzingen wieder zu Tage bringt.[1]
In dem Brunnen hielten sich vor Zeiten Meerweiblein auf, oben wie schöne Jungfrauen, unten wie Fische gestaltet. Sie kamen Abends nach Walddürn in die Spinnstuben, spannen und plauderten mit den andern Mädchen, aber um 9 Uhr eilten sie stets pünktlich von dannen. Einmal verspäteten sie sich bis um Zehn; als sie dies wahrnahmen, sprangen sie erschrocken fort, indem sie den Leuten noch zuriefen, heute seyen sie das letzte Mal bei ihnen gewesen. Am andern Tage fand man das Wasser des Marsbrunnens ganz mit Blut gefärbt und die Meerweiblein sind niemals wieder gesehen[2] worden.
Vor mehren Jahren ist ein Bauer mit vier Ochsen und einem Pferde[3] in dem Brunnen versunken. Er befindet sich nebst seinem Vieh noch darin, und wenn man hineinruft: „Bauer, Bauer mit zwei Paar Ochsen und einem Gaul, Pütterle vor!“[4] so läßt er alsbald Schaumblasen auf die Oberfläche steigen.
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- ↑ Von der Aach im Hegau, welche sich in den Untersee mündet, sagt man ebenfalls, daß sie ein unterirdischer Arm der Donau sey.
- ↑ Es geht hieraus hervor, daß obige Sage aus zwei verschiedenen Bestandtheilen vereinigt ist, nämlich aus Meerweiblein mit halber Fischgestalt und aus Seejungfrauen von menschlicher Gestalt. Der Verspätung [628] in den Spinnstuben und beim Tanze begegnen wir in einigen verwandten Sagen, z. B. in der vom Schluchtsee, von den Seejungfrauen im Kappler Thal etc.
- ↑ [628] Dergleichen Zusammenstellungen der Hausthiere kommen auch in den Weisthümern vor, z. B. achthalbe Rosse, d. i. sieben Pferde und ein Maulesel, und sind ein volksthümlicher Zug.
- ↑ [628] Bläßchen empor!