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Der Kampf um die untere Donau

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Titel: Der Kampf um die untere Donau
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aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 242–244
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Kampf um die untere Donau.

Wenn Maler und Bildhauer Recht haben, wenn Flüsse und Ströme bärtige Götter und holdselige Göttinnen mit warm empfindendem Herzen sind, dann muß sich die Donau ganz heimlich als ein deutscher Strom fühlen, wenn sie es auch nicht offen eingestehen darf, da sie die Länder aller Völkerfamilien Europas bespült, da sie an den Germanen, Magyaren, Slaven und Romanen vorüber in den düsteren ungastlichen Pontus rollt und da sie aus diesem Grunde ein europäischer, ja der europäischeste [243] Fluß, eigentlich der allein europäische Strom ist. Und dennoch muß sie sich zurücksehnen nach den tannendunkeln Schluchten des Schwarzwaldes, wo ihre Wiege stand, nach den malerischen Höhenzügen, die sie begleiteten, nach den alterthümlichen deutschen Städten, die sich in ihren Wellen spiegeln, sie muß sich zurücksehnen nach den sauberen Weilern, schmucken Dörfern und stattlichen Klöstern, die, auf der Stelle uralter Befestigungen stehend, weit in's Land schauen. Oder könnte sie die schöne Kaiserstadt mit dem Stephansdome und den milden Höhen im Hintergrunde vergessen? Schon wenn sie die Leithaberge im Nacken hat, besonders aber wenn sie an Ofen-Pesth vorüber ist, hört die Herrlichkeit plötzlich auf. Dann muß sie sich zwischen niedrigen Sandufern, von rauschendem Schilf umsäumt, durch kahle, trostlose Steppen winden und mit trägen, matten Armen bewaldete sumpfige Inseln umschlingen.

Wer kann es der schönen, blauen Donau verdenken, daß sie dabei launig und wetterwendisch wird! Noch gestern glaubte der Schiffer die Fahrrinne zu kennen, und heute ist Alles verändert und der Fluß hat in seinem Bette allerlei tolle Streiche angerichtet. An der Grenze von Ungarn gegen die Balkanländer treten die Gebirge, welche die Donau so lange geflohen hatten, dräuend von beiden Seiten an sie heran, zwängen den herrlichen Strom, der sich bis zu 1000, ja bis zu 1500 Meter ausbreiten durfte, in ein 60 bis 100 Meter schmales Bett, jagen den unwilligen, strudelnden, zornigen Fluß 130 Kilometer lang über Felsbänke und Riffe und lassen ihn in schäumenden Wasserfällen tosen und rauschen.

Ist er endlich den Bedrängnissen von links und rechts entronnen, welche die Geographen „das Eiserne Thor“ nennen, dann thut sich vor ihm ein fruchtbares Land auf, welches sich von dem Balkan bis zu den transsylvanischen Alpen dehnt. Aber seine Kraft ist erschöpft. Er hat sich ausgetobt. Nun breitet er sich behaglich, vielarmig in schilf- und rohrreichen Niederungen aus, um endlich die gewaltigen Wassermassen, welche ihm die Alpen, die Karpathen und der Balkan zugesendet haben, in drei Armen, die wieder Sprossen entsenden, müde und schläfrig in das Schwarze Meer zu drängen. Die nördlichste ist die Kilia-Mündung. Ihr Bett nimmt zwei Drittel der gesammten Wassermasse des Stromes auf. Die mittlere heißt Sulina-Mündung. Sie entsendet kaum ein Zwölftel der Wassermenge in das Meer, aber sie ist seit beinahe fünfundzwanzig Jahren die allein von Schiffen befahrene. Der südlichste wird die St. Georgs-Mündung genannt. Sie ist wie die Kilia-Mündung versandet, und auch der mittleren droht fortwährend die Gefahr der Versandung.

Die von den Mündungsarmen eingeschlossenen Inseln, die einen Umfang von mehr als 2000 Quadratkilometer haben, sind mit drei Meter hohem Grase bewachsen und ein Paradies für Wasservögel, Wölfe und Büffel. Ein Fluß, der in seinem Mittellaufe manchmal sein Bett ändert, der am Eisernen Thore nur von kleinen Schiffen befahren werden kann, weshalb vor der Stromenge alle Waaren umgeladen werden müssen, ein Fluß endlich, dessen Mündungsarme entweder versandet sind oder nur mit Mühe für Schiffe fahrbar erhalten werden können: ein solcher Fluß kann nur dann eine bedeutende Handelsstraße werden, wenn die Menschen ihm hier den Fahrweg sicher vorzeichnen, dort sein Bett eindämmen, an einer andern Stelle die Felsen und Riffe sprengen und an der Mündung sein Bett reinigen und austiefen. Wer diese Hindernisse nicht kennt, der glaubt, daß ein so großer gewaltiger Strom, der mit seinem Flußadernetz halb Europa bedeckt, eine natürliche Fahrstraße von Süddeutschland bis in die Balkanländer, bis nach Südrußland, Constantinopel und bis zu den Küsten von Kleinasien bildet.

Wer aber diese Hindernisse kennt, der fragt sich erstaunt: weshalb ist denn der Strom nicht regulirt worden? Größere, schwerere Arbeiten wurden in ärmeren Ländern, unter ungünstigeren Himmelsstrichen ausgeführt und sind für die Bewohner eine Quelle wirthschaftlichen Segens geworden. Bedenkt man aber, welche Völker an dem Mittel- und Unterlaufe des Stromes wohnen, dann löst sich das Räthsel leicht. Da ist jene Musterkarte von Völkern, Stämmen, Nationen und Natiönchen angesessen, welche Oesterreich-Ungarn mit einem politischen Bande umschlingt. Unter einem entnervenden absolut-clericalen Regimente ist ihnen alle Energie, alle kräftige Initiative abhanden gekommen. Was sie noch an Leihenschaft und Feuer besitzen, das verpuffen sie in bitterem, innerem Hader und Streit. Der Mittel- und Unterlauf des zum Segenspenden geschaffenen Stroms ist seit Jahrtausenden der Schauplatz blutiger, grausamer Kriege, der Tummelplatz halbcivilisirter Völker.

Noch trauriger gestalteten sich die Verhaltnisse an der Mündung, als Rußland im Namen der Humanität, der Civilisation und des Christenthums Anfangs dieses Jahrhunderts wieder einmal einen Krieg gegen die nicht minder civilisirte Türkei führte und das Donaudelta in seinen Besitz brachte. Da versandeten die Arme gänzlich, die Schifffahrt stockte. Zunächst wurde Oesterreich in seinen Unternehmungen gehemmt, aber auch England, Frankreich, Italien litten darunter. Denn die Schiffe dieser Nationen hätten gern die heimischen Erzeugnisse aus dem Schwarzen Meere in die Donau-Mündungen hinein- und den Strom hinaufgeführt. Die Westmächte hatten daher das größte Interesse an der Schiffbarkeit der Donau-Mündungen und der Freiheit der Schifffahrt in dem Donaudelta, während Oesterreich und Deutschland, welche ihre Waaren den Strom hinabsenden, sich mehr Vortheil von der Regulirung des Mittellaufes und der Entfernung der Hindernisse am Eisernen Thor versprechen mußten.

Da kam der Krimkrieg und versetzte dem Czarenreiche einen so furchtbaren Stoß, daß es erst vierzehn Jahre später wieder ein energisches Lebenszeichen von sich gab. Im Pariser Frieden (1856) widmete man der Schifffahrt auf der Donau eine ganz besondere Aufmerksamkeit. Die Interessen der europäischen Staaten brachten es mit sich, daß man zwei Commissionen ernannte. Die eine, die europäische Donauschifffahrts-Commission, welche aus Delegirten von Frankreich, England, Oesterreich, Preußen, Rußland, Sardinien und der Türkei bestand, sollte sich mit der Herstellung der Schiffbarkeit und der Freiheit des Verkehrs der Donau-Mündungen bis Isaktscha beschäftigen; der anderen, der Permanenten Commission der Donau-Uferstaaten, welche sich aus Abgeordneten von Oesterreich, Baiern, Württemberg, der Türkei, sowie aus Commissarien für die Moldau, Walachei und Serbien zusammensetzte, war die Beseitigung der Schifffahrts-Hindernisse von Isaktscha aufwärts und die Ausarbeitung von Schifffahrts- und Strompolizei-Vorschriften übertragen. Es ist nach dem, was wir oben über die natürlichen Interessen der Mächte gesagt haben, leicht verständlich, weshalb in derselben nur die Uferstaaten vertreten waren, und wenn man sich erinnert, daß damals die Moldau, die Walachei und Serbien noch abhängig von der Türkei waren, ebenso leicht begreiflich, daß diese Staaten nicht die Rechte der anderen Uferstaaten besaßen. – Um Rußland jeden ungebührlichen Einfluß zu entziehen, drängte man es von den Donau-Mündungen zurück und schlug den Strich, welchen das nordische Reich räumen mußte, zur Moldau, sodaß das Donaudelta wieder in türkische Hände gelangte.

Die europäische Commission ging mit Eifer an’s Werk. Frankreich und England sahen den Aufschwung voraus, den ihr Handel mit dem türkischen Reiche nehmen mußte, wenn die Erzeugnisse ihres Gewerbefleißes die Donaustraße hinauf ihren Einzug in die nördlichen Balkanländer hielten. Die Donau-Mündungen wurden untersucht. Man beschloß die Sulina-Mündung zu reguliren, obwohl sie, wie schon erwähnt, nicht die wasserreichste ist. Die Baggerungsarbeiten wurden mit der größten Eile und Umsicht in Angriff genommen, zwei Molen, der eine 1412, der andere 915 Meter lang, mit einem Kostenaufwand von beinahe zwei Millionen Mark gebaut, auch Uferdämme sowie Leuchttürme errichtet. Die Türkei beeilte sich, ihre Verbündeten auf die thatkräftigste Weise zu unterstützen. In kurzer Zeit waren die Arbeiten beendet. Sogleich kamen englische und französische Kaufleute und überschwemmten das Land mit ihren Waaren. Der Nachbar der Türkei, Oesterreich, mußte zusehen, wie er täglich mehr und mehr von den Märkten verdrängt wurde. Denn die Uferstaatencommission that gar nichts für die Beseitigung der Hindernisse von Isaktscha aufwärts. Sie erließ im Jahre 1858 eine Donauschifffahrtsacte, welche die Freiheit der Donauschifffahrt erklärte und alle bestehenden Privilegien aufhob. Von da ab hüllte sie sich in Schweigen. Im Jahre 1865, nach dem Erlasse des Acte public, welcher alle Werke zur Schiffbarmachung der Donau unter den Schutz des Vökerrechtes stellte, schlief sie ein und war aus ihrem Schlummer nicht mehr zu erwecken.

[244] Im Jahre 1863 legte Rumänien allen österreichischen Schiffen eine Abgabe auf, angeblich zur Anlage von Zufahrtsstraßen, Quais, Häfen und sicheren Landungsplätzen. Oesterreich nahm sie ruhig auf sich. Die Quais, Zufahrtsstraßen etc. wurden aber nicht gebaut. Oesterreich ist bekanntlich geduldig. In seiner Langmuth ging es sogar so weit, daß es sich 1875 in einem Handelsvertrage mit Rumänien die genannten Abgaben vertragsmäßig aufbürden ließ. Dieselben haben den Rumänen in sechs Jahren nicht weniger als 35 Millionen Franken eingebracht. Um Oesterreich für diesen Beitrag zu den Finanzen zu danken, baute Rumänien eine Eisenbahn, die nicht weit unterhalb des Eisernen Thores, bei Vercierova, beginnt und nach Bukarest führt. Uebergeben nun die österreichischen Schiffe nicht gleich in Vercierova ihre Waaren der rumänischen Bahn, sondern erst weiter unterhalb in Giurgewo, von wo die mit der Eisenbahn nach Bukarest zurückzulegende Strecke geringer ist, dann wird die Frachtgebühr um 30 Procent erhöht. Mit anderen Worten, Rumänien sucht Oesterreich zu zwingen, auf die billigere natürliche Verkehrsstraße zu verzichten, um die Einnahmen der rumänischen Bahnen zu vermehren.

Der Leser möge uns verzeihen, wenn wir, obgleich wir eine trockene, volkswirthschaftliche Skizze schreiben, doch auf das Privileg der Romanschreiber Anspruch machen und ihn jetzt einige Jahre zurück, in’s Jahr 1870 versetzen.

Der erste Theil des deutsch-französischen Krieges war vorbei. Am 31. October 1870 erklärte sich Rußland nicht länger durch die Beschränkungen gebunden, die ihm der Pariser Vertrag von 1856 im Schwarzen Meere auferlegt hatte. Es heimste den Lohn für seine „Rückendeckung“ ein. Am 13. März 1871 wurden auf der Londoner Conferenz dem Slavenreiche seine Forderungen zugestanden. Dabei gedachte man auch noch einmal der Donaufrage, der Donaustrecke von Isaktscha aufwärts und des bisher noch nicht regulirten Eisernen Thores. Oesterreich und die Türkei wurden mit der Ausführung der Arbeiten betraut. Ob die Conferenz diesen Beschluß aus Ironie gefaßt hat, ist nicht bekannt geworden. Jedenfalls konnte man keine Mächte entdecken, die eine größere Gewähr für das Nichtzustandekommen der Arbeiten boten. Da in Oesterreich seit 1866 der Zweiseelenstaat eingeführt war und das Eiserne Thor in der transleithanischen Reichshälfte liegt, so hatte zunächst Ungarn ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Ungarn aber war dem Plane nicht sehr geneigt. Die Vertreter Ungarns, Oesterreichs und der Türkei kamen zusammen und entwarfen ein Project über die Regulirung des Eisernen Thores. Dasselbe nahm seinen Weg gleich einem alten im Jahre 1856 entworfenen und einem zweiten, von einem amerikanischen Ingenieur, Namens Mac Alpine, auf Veranlassung des Ritters von Cassian ausgearbeiteten, in die Actenschränke des österreichischen Ministeriums und führt dort ein ruhiges, ungestörtes Dasein. Ausgeführt wurde es nicht, das geduldige Oesterreich ertrug auch dies. Zur Entschuldigung muß bemerkt werden, daß man sich damals von der Flußschifffahrt nicht viel mehr versprach. Man erwartete ein gewaltiges Emporschnellen des österreichischen Handels von dem Baue von Eisenbahnlinien, welche den Donaustaat direct mit Constantinopel und den Häfen des Schwarzen und Aegäischen Meeres verbinden sollten. In der That kamen auch Eisenbahnlinien in der Türkei zu Stande; Eisenbahnen, die von beiden Meeren tief in’s Land führten, auf denen Franzosen, Engländer, Italiener, Belgier, Schweizer ihre Waaren in die neu erschlossenen fruchtbaren Länder vordringen ließen und auf diese Weise Oesterreich-Ungarn in verstärktem Maße von den Märkten seiner natürlichen Wirthschaftssphäre verdrängten. Die Anschlüsse an die österreichischen Bahnen aber wurden nicht gebaut. Oesterreich zuckte nicht; denn es ist ja gemüthlich, langmüthig und geduldig und an den Eisenbahnschwindel gewöhnt.

Und inzwischen bereitete sich ein Krieg vor, dessen verschiedene Phasen und dessen Ausgang noch in unser Aller Gedächtnisse lebt. Die Russen versetzten der müden, abgehetzten, unglücklichen Türkei den Stoß in’s Herz. Im Berliner Frieden setzte sich Rußland wieder an der Donau, an der Kilia-Mündung fest, von der es der Pariser Friede verdrängt hatte. Rumänien, der Bundesgenosse Rußlands, ward ein unabhängiger Staat, und diesem verbissenen, boshaften Feinde Oesterreichs wurden die Mündungen der Donau ausgeliefert. Die internationale und neutrale Strecke verlängerten die Mächte bis zum Eisernen Thor.

Diese politischen Veränderungen machten sich bald fühlbar. In der Donaucommission wurde der Zank und Streit permanent. Es begann eigentlich erst recht der Kampf um die untere Donau. Wer hat nicht Notizen über die Thätigkeit der Commission in den Zeitungen bemerkt, und wer hätte sie nicht meistentheils überschlagen?

Die Lectüre derselben scheint ja dem lässigen Zeitungsleser ebenso überflüssig, wie die genaue Kenntniß einer französischen Ministerliste, die man kaum nothdürftig weiß, wenn schon die Journale eine neue veröffentlichen, ebenso überflüssig wie die Bekanntschaft mit den spanischen Parteien, die so zahlreich sind, daß man sie eine ganze Woche auswendig lernen muß, um sie einen Monat lang zu behalten. Nun aber geht gewöhnlich den ganzen Monat hindurch in Spanien nichts von Bedeutung vor, und so kommt man um den Lohn für seine Mühe und seine Anstrengungen.

Und dennoch müssen wir uns mit den ewigen Nörgeleien und dem Gezänk der Donaucommission beschäftigen, und besonders die Taktik Rußlands und Rumäniens in’s Auge fassen. Rußland hat, wie erwähnt, seine Grenzen bis an die Kilia-Mündung vorgeschoben, deren Bett schon jetzt zwei Drittel der gesammten Wassermasse enthält. Wird sie ausgebaggert, dann entzieht sie der Sulina das nöthige Wasser zur Fortsetzung der Schifffahrt. Nun hat Rußland mit der ihm eigenthümlichen diplomatischen Kunst die Kilia-Mündung der Oberaufsicht der Donauconferenz seit den letzten Jahren hartnäckig zu entziehen gesucht. Es möchte dort nach freiem Belieben schalten und walten. Hätte es die Sulina-Mündung unbrauchbar gemacht, und wäre es ihm gelungen, den Kilia-Arm nicht als eine internationale, sondern als eine russische Wasserstraße anerkannt zu sehen, dann könnte es nicht nur die österreichische, sondern auch die englische, französische und italienische Schifffahrt – die dann die Kilia-Mündung zu benutzen genöthigt wäre – nach Herzenslust zwacken und placken.

Aehnlich trieb es Rumänien. Die europäische Commission suchte die sogenannte „gemischte Commission“ in’s Leben zu rufen, welche die Schifffahrt bis zum Eisernen Thore zu regeln hätte. Das war Rumänien mit allen Mitteln zu hintertreiben bestrebt. Obgleich es kein Recht auf eine beschließende Stimme in der Commission hat, weil es nicht zu den Mächten gehört, welche den Pariser und den Berliner Frieden unterzeichnet haben, suchte es sich nicht nur als Großmacht aufzuspielen, sondern sogar Oesterreich aus der gemischten Commission zu verdrängen. Besonders aber widersetzte es sich dem Barrère’schen Vorschläge, daß Oesterreich den Vorsitz in der gemischten Commission führen und jeder in der europäischen Commission vertretene Staat nach alphabetischer Aufeinanderfolge an den Berathungen in der Commission theilnehmen solle.

Um endlich der heillosen, von Rußland und Rumänien angerichteten Verwirrung ein Ende zu bereiten, trat die europäische Commission im Februar zu einer Conferenz in London zusammen. Die Beschlüsse derselben sind seit dem 10. März d. J. durch die politischen Blätter veröffentlicht worden. Im Großen und Ganzen hat die Conferenz an der Lage der Dinge, wie wir sie oben schilderten, nur wenig geändert. Rußland allein hat für sich einige Vortheile zu erringen gewußt.

Für uns Deutsche hat dieser Ausgang der Donaufrage noch ein anderes Interesse, als dasjenige, welches uns die Freundschaft zu unserem Bundesgenossen einflößt. Auch unsere Industrie muß im Oriente neue Absatzgebiete erringen; auch wir leiden, wenn die in die Levante führende Wasserstraße durch Rumänien und Rußland versperrt wird; auch wir leiden, wenn der Anschluß des mitteleuropäischen Eisenbahnnetzes an die türkischen Bahnen nicht erreicht wird. Auch wir leiden, wenn der letzte Punkt, an dem Oesterreich handelspolitisch erobernd im Osten auftreten kann – nämlich Triest – von einer fanatischen italienischen Partei bedroht wird.