Der Kampf bei einer Wassermühle und – Plewna
über den anderen geschlagen, in jener malerischen Stellung, die
den Romanen eigen zu sein pflegt.
Aber nur einen Augenblick. Dann wandte er ungeduldig den Kopf zu dem ihm zunächst haltenden Reiter, einem grauköpfigen Kriegsmann mit breiter Narbe über der Stirn und strengen Zügen, aber treuherzigen Augen, dessen Koller von manchem Sturmwetter zu erzählen wußte, und dessen Schwert mit der breiten Klinge und dem langgewundenen Griff ein Beutestück aus den Hussitenkriegen sein mochte.
„Hier also, Ritter?“, rief er leise zu ihm auf. „Meint Ihr nicht, der Prinz wird hier absitzen?“
„Glaub's wohl,“ sagte der Alte. „Er späht mit dem Waldvogt nach den Burgundischen aus … und da kommen sie!“
[562] Der Kampf bei einer Wassermühle und – Plewna. Die S. 551 mitgetheilte Kriegs-Illustration des Herrn Capitain N. Karasine hat den Vorzug, einen wirklich malerischen Anblick zu bieten. Diese Mühle bildete das Hauptdepot der türkischen Position in Sistowa. Einer weiteren Erklärung bedarf es hier nicht, und das ist gut, denn die Ereignisse haben jene Donaukämpfe der Russen bereits so weit in den Hintergrund gerückt, daß dieses Bild uns nur veranlassen kann, der gegenwärtigen Situation der Kriegführenden (erste Augustwoche) unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Plewna! Da steht das Wort, das mit der Macht des Schalls der Posaune von Jericho den Reichskoloß Rußland zum Zittern brachte. Wir haben damit wieder einmal eine Erscheinung erlebt, wie frühere Zeiten sie selten, unser wandlungsreiches Jahrhundert sie schon mehrmals gebracht, die Erscheinung, daß ein Schlag, mitunter auch ein Doppelschlag genügt, um ein lange angestauntes absolutistisches oder reactionäres Herrscherthum trotz erprobtester Machtfülle und Starrheit zu erschüttern oder zu brechen.
Es sind ungeheuerliche Träume gewesen, von welchen der panslavistische Hochmuth bei der bisherigen Führung des Türkenheeres in Europa sich umgaukeln ließ. Der „kranke Mann“ galt schon als besiegt, und der Siegesrausch spornte die politische Phantasie des Moskowiterthums bereits so heftig, daß man hocherhabenen Geistes erkannte, auf wie ungesunden Grundlagen die gesammte Cultur der westlichen Nachbarn beruhe und wie nothwendig es sei, daß der slavische Genius auch über jene verkommenden Staaten, namentlich der Germanen, seine veredelnde Herrschaft ausbreite.
Da blasen die türkischen Posaunen von Plewna, und die so hoch aufgeschwollene Donner- und Triumphwolke, die nach Ost und West hin droht, patscht mit einem Schlage zusammen, verschwindet vollständig und läßt dem verdutzten Europa plötzlich zwei Bilder contrastirendsten Inhalts sehen: hier das Hauptquartier auf der Flucht und dort den schon vielbedauerten kranken Mann plötzlich die imponirendsten Proben einer ganz respectablen Gesundheit zeigend. Nicht die verlorene Schlacht, sondern die bedenkliche Art der nächsten und die großen Hoffnungen der ferneren Folgen derselben können den Tag von Plewna zu weltgeschichtlicher Bedeutung erheben.