Der Hexenhammer (1923)/Zweiter Teil, Zweite Frage, Kapitel III
Heilmittel für die mit ungewöhnlicher Liebe oder ungewöhnlichem Haß Behexten.
Kapitel III.
Wie die Behexung an der Zeugungskraft, so wird die Liebesraserei und der Haß im Willen verursacht. Es frommt, von deren Ursache und dann, soweit es möglich ist, von deren Heilmitteln zu handeln.
Liebesraserei also oder ungewöhnliche Liebe des einen Geschlechtes zum anderen kann aus einer dreifachen Ursache hervorgehen: manchmal aus bloßer Unvorsichtigkeit der Augen, manchmal infolge der Versuchung seitens der Dämonen allein, manchmal infolge Behexung seitens der Nigromantiker und Hexen und der Dämonen zugleich. Von der ersten Art spricht Jacobus I: „Ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner Lust gereizt und gelockt wird. Danach wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod.“ So verliebte sich Sichem in Dina, als er sie ausgehen sah, um die Weiber jener Gegend zu sehen, raubte sie und schlief mit ihr, und seine Seele schmolz mit ihr zusammen, Genesis XXXIV. Nach der Glosse trifft es sich so bei einer schwachen Seele, wenn sie mit Hintansetzung der eigenen Geschäfte sich um fremde kümmert; sie wird durch den Umgang verführt und wird eins mit dem Unerlaubten in der Einigkeit der Zustimmung.
Zweitens, daß sie aus der Versuchung durch Dämonen hauptsächlich geschieht: so verliebte sich Aman in seine sehr ansehnliche Schwester Thamar und war so sehr in sie vernarrt, daß er infolge der Liebe zu ihr krank wurde, II. Samuelis 13. Denn er konnte im Herzen nicht gänzlich so verderbt sein, daß er zu einer solchen Schandtat von Hurerei verschritt, wenn er nicht schwer vom Teufel versucht worden wäre. Von dieser Art Liebe ist auch das Buch der Heiligen Väter voll, welches berichtet, jegliche Versuchung, auch die der fleischlichen Liebe, hätte sich ihnen in der Wüste entzogen; einige jedoch wurden mehr, als man glauben kann, von der Liebe zu Weibern versucht, daher auch der Apostel II. Korinther 12 sagt: „Mir ist gegeben der Stachel meines Fleisches, der Engel des Satan, der mich mit Fäusten schlage“; wo die Glosse sagt, durch Versuchen mittels der Begierde, ist mir der Stachel gegeben. – Einige sagen, eine Versuchung aber, in die man nicht willigt[WS 1], ist keine Sünde, sondern Stoff zur Uebung der Tugend. Dies versteht sich von einer Versuchung, die vom Feinde, nicht vom Fleische kommt, weil das eine verzeihliche Sünde ist, auch wenn man nicht einwilligt. Davon liest man verschiedene Beispiele an verschiedenen Stellen.
Drittens dazu, daß Liebeswahnsinn hervorgeht aus Behexungen seitens der Hexen und Dämonen, ist zu sagen, daß die Möglichkeit dieser Behexung oben in den Fragen des ersten Teiles, ob die Dämonen durch die Hexen die Sinne der Menschen zu Liebe oder Haß zu wandeln und zu reizen imstande seien, ausführlich hergeleitet, auch durch verschiedene, von uns gefundene Geschehnisse und Taten bewiesen wird; im Gegenteil, unter allen Behexungen wird das wegen seiner allgemeinen Verbreitung für gar bedeutend erachtet.
Wenn nun jemand fragt: „Peter ist rasend vor Liebe nach der und der usw.; er weiß nicht, ist er nach der ersten, zweiten oder dritten Art behext worden?“, so wird geantwortet: Haß zwischen Verheirateten mit dem Verbrechen des Ehebruchs kann zwar durch Betätigung der Dämonen entstehen, wo doch durch den Stachel der fleischlichen Begehrlichkeit der Liebe jemand so eingewickelt und entflammt wird, daß er durch keine Störung, Schläge, Worte oder Taten zum Ablassen gezwungen werden kann; ebenso wo jemand oft eine schönere Frau entläßt und einer ganz häßlichen anhangt; ebenso wo sie zur Nachtzeit nicht zu ruhen vermögen, sondern so von Sinnen sind, daß sie über alle möglichen Umwege zu wandeln haben; Vornehme, Prälaten und andere Reiche werden sehr oft in solches Elend verwickelt, und es ist dies jene weibische Zeit, von der, wie Vincentius in seinem Speculum histor. berichtet, Hildegardus vorhergesagt hat, daß sie nicht so lange dauern wird, als sie bisher bestanden hat, da schon die Welt voll ist von Hurerei, besonders bei den Vornehmen; und was nützt es, von Heilmitteln zu schreiben (für die), welche vor den Heilmitteln zurückschaudern? Trotzdem wollen wir, um dem frommen Leser Genüge zu tun, einiges kurz berühren, betreffs Liebesraserei ohne Behexung.
Avicenna stellt sieben Heilmittel auf für den Fall nämlich, da (die Liebe) die betreffende Person krank sein läßt. Doch dient dies zu wenig unserer Untersuchung, außer insofern, als es mystisch einer matten Seele dient. Er sagt nämlich im dritten Buche, daß auf Grund der Veränderung des Pulses, und zwar bei Nennung des Geliebten, wenn dort die Wurzel der Krankheit gefaßt wird, dann, wenn das Gesetz es duldet, durch die Ehe eine Vereinigung geschaffen werde; weil sie so geheilt werden, wenn der Natur gehorcht wird. Oder es finde Anwendung von Arzneien statt, über welche er ebendort handelt und lehrt. Oder der Kranke richte seine Liebe von dem Geliebten durch erlaubte Mittel auf etwas anderes zu Liebendes, was er dem vorigen vorziehen muß; und soll die Gegenwart des Geliebten fliehen, weil so der Geist abgelenkt wird. Oder auch, wenn (der Kranke) besserungsfähig ist, werde er geplagt und ermahnt, daß das Werk der Liebe das größte Elend sei. Oder es werden zu ihm Leute abgeordnet, die, soweit sie es mit der Wahrheit und Gott (vereinbaren) können, den Leib und die Verfassung und den Charakter des Geliebten unter häßlicher oder mißgestalteter Verzerrung der Gesichter tadeln. Oder letztens, (derartige Verliebte) sollen wenigstens in schwierigen Angelegenheiten und zerstreuenden Aemtern beschäftigt werden.
In Wahrheit, wie der tierische Mensch durch derartige Mittel geheilt wird, so stellen sie auch den inneren Menschen wieder her, wenn man das einzeln auf den geistigen Menschen bezieht. Man gehorche dem Gesetze des Geistes mehr als dem der Natur; richte seine Liebe auf die ewigen Freuden; bedenke, wie vergänglich das ist, was entzückt, und wie ewig, was peinigt; suche Freuden in jenem Leben, wo sie so begonnen werden, daß sie nicht endigen; wer dieses (Lebens) Liebhaber nicht hat sein wollen, wird auch das hier verlieren und jenes nicht finden und den ewigen Feuern überantwortet werden. Siehe, drei unheilbare Schäden, die aus der Liebesraserei hervorgehen.
Bezüglich des Liebeswahnsinnes aber infolge von Behexung können die im vorhergehenden Kapitel berührten Heilmittel nicht unpassend auch hier angewendet werden; besonders aber die Exorzisation durch heilige Worte, die ein derart Behexter an sich selbst vornehmen kann. Täglich rufe er den heiligen Engel an, der ihm zum Schutze von Gott abgeordnet ist; mit reiner Beichte besuche er die Schwellen der Heiligen, besonders aber der glückseligsten Jungfrau, und er wird ohne Zweifel befreit werden.
Aber wie tadelnswert ist es, daß bärtige Männer die natürlichen Gaben und die Waffen der Tugenden wegwerfen und sich selbst zu töten ablehnen, während Mädchen sehr oft bei unbesiegter Schwachheit derartige Behexungen mit diesen Waffen abgeschlagen haben! Zu deren Empfehlung wollen wir einen (Fall) von vielen vorbringen.
Es war in einem ländlichen Gute nahe bei Lindau, in der Diözese Konstanz, eine erwachsene Jungfrau von schönem Gesichte und gar feinem Benehmen; bei deren Anblick ward ein Mann von leichten Sitten, ein Geistlicher schier bloß dem Namen nach – o wenn doch kein Priester! – (von Liebe) gefangen. Da er die Wunde seiner Seele nicht weiter verheimlichen konnte, kam er in die Arbeitsstube besagter Jungfrau, und indem er sich in ehrbaren Worten als ein Netz des Dämons darbot, wagte er endlich zuerst nur mit Worten die Jungfrau zur Liebe zu ihm zu verlocken, und zwar ihren Geist. Als sie das durch himmlische Eingebung erfaßte, antwortete sie mannhaft, unberührt an Körper und Seele: „Herr, wollet mit solchen Worten mein Haus nicht aufsuchen; sonst werdet ihr eine Zurückweisung erfahren, dank der Ehrfurcht.“ Ihr entgegnete jener: „Wenn du es auch eben abschlägst, mich zu lieben, nachdem du mit süßen Worten ermahnt worden bist, wirst du nun in Bälde durch Taten gezwungen, mich zu lieben; das verspreche ich dir.“ – Jener Mann war als Beschwörer und der Hexerei verdächtig. Aber die Jungfrau hielt diese Worte für Wind und fühlte nicht ein Fünkchen fleischlicher Liebe zu dem Manne in sich für jetzt; aber als nicht viel Zeit verflossen war, begann sie, verliebte Vorstellungen von jenem erwähnten Manne zu haben. Als sie das bemerkte, nahm sie, von Gott aus inspiriert, ihre Zuflucht zur Mutter des Erbarmens, und flehte sie inbrünstig um Erlangung von Hilfe von ihrem Sohne an; und indem sie sich eine ehrbare Gesellschaft aussuchte, begann sie eine Wallfahrt nach der Stätte der Einsiedler zu unternehmen: so heißt nämlich eine Kirche in der vorgenannten Diözese, die zu Ehren der wundertätigen Mutter Gottes selbst geweiht ist. Dort beichtete sie sakramentalerweise, damit der böse Geist nichts in ihr finden könnte; und indem sie an die Mutter der Liebe selbst ihre Bitten richtete, hörte sofort alle Machenschaft des Feindes auf, so daß er sie späterhin niemals mehr berührte.
Doch sind auch bis heute noch bärtige Männer vorhanden, die von Hexenweibern in lästiger Weise auf derlei Gebiete beunruhigt wurden, so daß sie sich gleichsam auf keine Art und Weise der Raserei der Liebe zu ihnen erwehren konnten; sie widerstanden jedoch mannhaft, wenn sie merkten, daß sie weiter in Unruhe versetzt wurden durch Lockungen der Einbildungskraft, und überwanden doch auch durch die vorerwähnten Schutzmittel alle Machenschaften des Teufels. Und wahrlich ein Spiegel dieser Schlacht ist ein gewisser sehr reicher Jüngling in Innsbruck: wie der von den Hexen gestoßen worden ist, kann man nicht mit dem Griffel niederschreiben. Er zeigte aber immer mannhaften Mut und kam kraft der vorerwähnten Mittel unberührt davon.
Daher wird auch mit Recht geschlossen, daß die vorerwähnten Mittel gegen eine derartige Krankheit die sichersten sind, so daß ganz sicher auf diese Weise befreit wird, wer immer sich dieser Waffen bedient.
Und was von der ungewöhnlichen Liebe gilt, muß auch vom ungewöhnlichen Haß verstanden werden, da für Gegensätze dieselbe Regel gilt. Da aber doch ein Unterschied besteht, mag auch Gleichheit in der Art der Behexung vorliegen, so muß auch die Person, welche verhaßt ist, ein anderes Mittel suchen. Er selbst, welcher sie haßt, und im Herzen Haß hegt, wird nicht leicht, wenn er ein Ehebrecher ist, zur Liebe zur Gattin auch durch irgendwelche Wallfahrten geneigt gemacht.
Und weil man aus dem Berichte der Hexen erfahren hat, daß durch Schlangen derartige Behexungen zu Haß besorgt werden, darum weil sie das erste Werkzeug des Teufels waren und als ihren Fluch die Feindschaft zwischen sich und dem Weibe erhielt, deshalb befleißigen sich auch (die Hexen), derartige Feindschaften dadurch zu besorgen, daß sie die Haut oder den Kopf einer Schlange unter die Schwelle der Kammer- oder Haustür legen, weshalb man auch alle Winkel des Hauses zu durchsuchen und soweit möglich bezüglich der Bewohnung zu erneuern hat; oder man muß andere Häuser beziehen.
Und wenn nun gesagt worden ist, daß die Behexten sich selbst zu exorzisieren imstande seien, so wird das so verstanden, daß sie heilige Worte, Segen und Sprüche bei sich am Halse tragen können, falls sie nicht zu lesen oder sich selbst zu besprechen wissen. Wie das aber zu machen sei, wird sich im folgenden ergeben.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: willigt (nicht fehlt)