Der Hexenhammer (1923)/Dritter Teil, Zweiundzwanzigste Frage
Zweiundzwanzigste Frage. Über die dritte Art, das Urteil zu fällen, (und zwar) über eine übel beleumdete und dem peinlichen Verhör auszusetzende (Person).
Die dritte Art, einen Glaubenprozeß zu beendigen und abzuschließen, ist es, wenn der wegen Ketzerei Angezeigte nach sorgfältiger Erwägung der Werte des Prozesses zusammen mit dem guten Rate erfahrener Männer als (in seinen Geständnissen) verschieden oder wider sich Indizien auf peinliches Verhör habend befunden wird, daß er nämlich den peinlichen Verhören und Folterungen ausgesetzt werde, daß, wenn er, peinlich verhört, nichts zugegeben hat, er für schuldlos und unschuldig gehalten wird; und das ist der Fall, wenn der Angezeigte weder durch eigenes Geständnis noch durch die Evidenz der Tat noch durch gesetzmäßige Vorführung von Zeugen ertappt worden ist noch Indizien auf einen solchen Verdacht vorhanden sind, daß er die Ketzerei abzuschwören hätte; er ist jedoch in seinen Geständnissen verschieden, oder es sind sonst noch andere Indizien vorhanden, die zu den peinlichen Verhören und Folterungen ausreichen. Gegen einen solchen ist folgende Praktik zu beobachten. Weil aber in einem solchen Falle gegen den Angezeigten und nicht für ihn ein Zwischenurteil zu fällen ist, daher muß es durch den Inquisitor in Verbindung und nicht getrennt gefällt werden, nach c. multorum. Besonders wenn ein solcher bei leugnenden (Aussagen) fest stehen bleibt und auf keine Weise die Wahrheit bekennen will, auch wenn er von rechtschaffenen Männern dazu angereizt wird, wird das Urteil, welches an Kraft einem endgiltigen nahe zu kommen scheint, in der Art folgenden Wortlautes gefällt werden: „Wir N. N., durch die göttliche Barmherzigkeit Bischof der und der Stadt oder Richter in den der Hoheit des und des Herrn unterworfenen Ländern, in Beachtung, daß du nach sorgfältiger Prüfung der Werte des von uns gegen dich N. N. von dem und dem Orte und der und der Diözese angestrengten Prozesses in deinen Geständnissen verschieden bist und nichtsdestoweniger viele Indizien vorhanden sind, welche ausreichen, dich den peinlichen Verhören und Folterungen auszusetzen, erklären, urteilen und entscheiden wir deshalb, damit die Wahrheit aus deinem eigenen Munde bekommen werde und du die Ohren der Richter in der Folge nicht (mehr) mit Zwischenreden beleidigst, daß du am gegenwärtigen Tage und zwar zu der und der Stunde den peinlichen Verhören und Folterungen unterworfen werden sollst. Gefällt wurde dies Urteil“ etc.
Wenn der peinlich zu Verhörende als (in seinen Geständnissen) verschieden befunden wird und zugleich andere, zum peinlichen Verhör ausreichende Indizien vorhanden sind, werde beides in das Urteil gesetzt, wie es in das vorgenannte gesetzt worden ist. Wenn aber dies beides nicht zusammenwirkt, sondern nur das eine, nämlich z. B. die Verschiedenheit ohne weitere Indizien, oder andere Indizien ohne die Verschiedenheit (in den Geständnissen), so soll es in das Urteil gesetzt werden, so wie man es findet. Das gefällte Urteil soll bald vollstreckt werden oder man soll vorgeben, daß es (bald) vollstreckt werden solle. Der Richter sei jedoch nicht sehr gewillt, jemand peinlich verhören zu lassen; denn peinliche Verhöre und Folterungen werden nur verhängt beim Versagen anderer Beweise; und daher suche er nach anderen Beweisen; findet er sie nicht und hält er auf grund der Wahrscheinlichkeit daran fest, daß der Angezeigte schuldig ist, aber aus Furcht die Wahrheit leugnet, so wende er inzwischen gute und bisweilen auch listige Mittel an, während die Freunde jenes ihn zu bewegen suchen, die Wahrheit zu sagen, und setze seinen Eifer daran, die Wahrheit aus seinem Munde zu bekommen und das Geschäft nicht zu beschleunigen. Denn das häufige Nachdenken, das Elend des Kerkers und die wiederholte Belehrung seitens rechtschaffener Männer machen (den Angeklagten) zur Angabe der Wahrheit geneigt. Wenn man nun angemessen auf den Angezeigten gewartet und ihm in entsprechender Weise Zeit gewährt hat und der Angezeigte vielfach belehrt worden ist, mögen der Bischof und der Richter nach Erwägung aller Punkte im guten Glauben annehmen, daß der Angezeigte die Wahrheit leugnet und ihn dem peinlichen Verhör mäßig auszusetzen, jedoch ohne Blutvergießen, indem sie wissen, daß die peinlichen Verhöre trügerisch und unwirksam sind. Denn manche sind so weich von Gemüt und schwachherzig, daß sie auf eine leichte Folterung hin alles, wenn auch falsches einräumen. Andere aber sind so hartnäckig, daß, wie sehr auch ihnen zugesetzt wird, von ihnen die Wahrheit nicht bekommen wird. Andere gibt es, die schon einmal peinlich verhört worden sind, und von diesen halten manche das peinliche Verhör besser aus, weil die Arme sofort langgezogen und gebeugt werden; manche aber bleiben schwächer und halten das peinliche Verhör weniger gut aus. Manche aber sind behext und bedienen sich während des peinlichen Verhöres der Hexenmittel; sie würden eher sterben, als etwas gestehen: sie werden nämlich gleichsam unempfindlich gemacht. Daher ist bei den peinlichen Fragen mit der größten Klugheit zu verfahren und sehr viel auf die Beschaffenheit des peinlich zu Verhörenden zu achten.
Wenn aber (das Urteil) gefällt ist, sollen sich die Büttel alsbald anschicken, den Angezeigten peinlich zu verhören; und während sie sich anschicken, sollen der Bischof oder der Richter sowohl für sich als auch durch andere gute Männer und Glaubenseiferer den peinlich zu Verhörenden zum freimütigen Geständnis bewegen, indem sie ihm auch, wenn es nötig ist, die Erhaltung des Lebens versprechen, wie oben berührt ist. Wenn er auch so nicht in Furcht gesetzt oder auch zum Geständnis der Wahrheit gebracht werden kann, wird man den zweiten oder dritten Tag zur Fortsetzung der Folter, nicht aber zur Wiederholung bestimmen können, weil sie nicht wiederholt werden darf, außer wenn neue Indizien gegen ihn dazukommen; dann geht es. Aber sie fortzusetzen ist nicht verboten.
Es wird also folgendermaßen gesagt werden: „Und wir, die Vorgenannten, Bischof N. N. und (falls er dabei ist) Richter N. N., bestimmen dir N. N. den und den Tag zur Fortsetzung des peinlichen Verhöres, damit aus deinem eigenen Munde die Wahrheit ermittelt werde“. Es werde alles zu Protokoll genommen, und innerhalb der bestimmten Zeit sollen sie ihn sowohl für sich als durch andere rechtschaffene Männer bewegen, die Wahrheit zu gestehen. Wenn er nicht hat gestehen wollen, werden am bestimmten Tage die peinlichen Fragen fortgesetzt werden können; und so werde er mit denselben oder anderen schweren Folterungen stärker oder leichter je nach der größeren Schwere seiner Schuld peinlich verhört, und zwar werden die Richter viele erlaubte Vorsichtsmaßregel in Worten und Werken anwenden können, daß die Wahrheit bekommen werde. Jene lehrt mehr die Erfahrung und Praxis und die Abwechslung in den Geschäften als jemandes Kunst oder Lehre.
Wenn er aber, geziemend verhört und den Folterungen ausgesetzt, die Wahrheit nicht hat entdecken wollen, soll ihm nicht weiter zugesetzt werden, sondern er zum freien Abzuge entlassen werden. Wenn er aber bei seinem Geständnis verharrt und die Wahrheit bekanntgegeben hat, indem er seine Schuld erkennt und die Kirche um Verzeihung bittet, soll er wie ein nach eigenem Geständnis in Ketzerei Ertappter aber Bußfertiger nach c. ad abolendam, § praesenti, verurteilt werden, und zwar wird er, nachdem man auf ihn angemessen gewartet und ihn geziemend belehrt hat, dem weltlichen Arme zur Treffung mit der letzten Strafe übergeben, wie es unten in der zehnten Weise heißt. Wenn er aber rückfällig ist, wird er auf diese Weise verurteilt, die unten in der zehnten Weise, einen Prozeß abzuschließen, besprochen werden wird.
Hier ist aber besonders eifrig zu beachten, daß der, welcher peinlich zu verhören ist, vor den peinlichen Fragen bisweilen gegen sich nichts gesteht, auch nichts bewiesen wird, um dessentwillen er die Ketzerei abschwören, noch wegen Ketzerei verurteilt werden könnte oder müßte; und um solche handelt es sich hier; ist auch sofort bemerkt worden. Bisweilen aber ist der Angezeigte selbst auf Ketzerei ertappt worden, oder es sind sonst noch andere Indizien gegen ihn bewiesen worden, wegen derer er als leicht oder heftig der Ketzerei Verdächtiger abschwören muß, wegen derer er aber nicht peinlich zu verhören ist. Wenn er aber darüber hinaus einiges leugnet, was nicht bewiesen ist, aber zum peinlichen Verhör ausreicht, und wenn er um dessentwillen peinlich verhört wird, aber unter dem peinlichen Verhör nichts gesteht, so ist eine solche[1] (Person) nichtsdestoweniger nicht nach der ersten Art freizusprechen, sondern es werde gegen sie gemäß dem Bewiesenen vorgegangen, und zwar soll sie abschwören entweder wie ein Verdächtiger oder wie ein Ertappter, so wie es die Werte des Prozesses verlangen und fordern. Wenn sie aber unter dem peinlichen Verhör jenes gesteht oder einiges davon, um dessentwillen sie peinlich verhört wird, soll sie das und jenes abschwören, und der Spruch ist für dies und jenes gegen sie zu fällen.
- ↑ Hier wechselt wieder einmal das Geschlecht!