Der Hexenhammer (1923)/Dritter Teil, Zwanzigste Frage
Zwanzigste Frage. Über die erste Art, das Urteil zu fällen.
Die angezeigte Person wird also entweder als schuldlos
oder gänzlich freizusprechen befunden; oder sie wird
als bloß allgemein wegen Ketzerei übel beleumdet befunden;
oder sie wird abgesehen vom üblen Leumunde
als den peinlichen Verhören und Folterungen auszusetzen
befunden; oder sie wird als der Ketzerei leicht verdächtig
befunden oder sie wird als der Ketzerei heftig verdächtig
befunden; oder sie wird als der Ketzerei ungestüm verdächtig
befunden; oder sie wird als bezüglich der Ketzerei
übelbeleumdet und verdächtig zugleich und allgemein befunden;
oder sie wird als der Ketzerei geständig und bußfertig
und in Wahrheit nicht rückfällig befunden; oder sie
wird als der Ketzerei geständig und bußfertig aber wahrscheinlich
rückfällig befunden; oder sie wird als der
Ketzerei geständig und unbußfertig, aber nicht wirklich
rückfällig befunden; oder sie wird als der Ketzerei
geständig und unbußfertig, und auch mit Sicherheit
rückfällig befunden; oder sie wird als nicht geständig,
aber der Ketzerei durch gesetzmäßige Zeugen und sonst
gerichtlich überführt befunden; oder sie wird als der
Ketzerei überführt, aber als flüchtig oder abwesend in
contumaciam befunden; oder sie wird als von einer anderen
einzuäschernden oder eingeäscherten Hexe angezeigt
befunden; oder sie wird als Behexungen nicht antuend,
sondern durch unerlaubte Mittel und unpassend behebend
befunden; oder sie wird als Hexen-Bogenschütze
und Besprecher von Waffen befunden, der tötlich hinwegrafft;
oder sie wird als Hexen-Hebamme befunden, die den
Dämonen in feindlicher Weise Kinder weihen; oder sie
wird als eine befunden, die sich in frivoler und betrügerischer
Weise mit dem Mittel der Appellation schützt.
Wenn sie nun als völlig schuldlos befunden wird, wird über sie auf die folgende Weise endgiltig das Urteil zu fällen sein, wobei zu beachten ist, daß die angezeigte Person dann als völlig schuldlos befunden wird, wenn sie nach sorgfältiger Erörterung der Werte des Prozesses zusammen mit dem guten Rate erfahrener Männer weder durch ein eigenes Geständnis, noch durch Evidenz der Tat, noch durch gesetzmäßige Vorführung von Zeugen überführt wird, weil sie nämlich in der Hauptsache auseinandergehen; noch auch jene Person sonst wegen des vorgenannten Verbrechens verdächtig oder öffentlich übel beleumundet gewesen ist; weil es anders stände, wenn sie wegen irgend eines andern Verbrechens übel beleumdet wäre; noch auch gegen eine solche Person Indizien der Tat vorhanden sind. Bezüglich einer solchen wird folgende Praktik beobachtet, weil sie durch den Bischof oder den Richter vermittelst des Spruches mit folgendem Wortlaut freizusprechen ist: „Wir N. N., durch göttliches Erbarmen Bischof der und der Stadt, oder der und der Richter etc., in Beachtung, daß du so und so, von dem und dem Orte, der und der Diözese, uns wegen der und der ketzerischen Verkehrtheit, nämlich der der Hexen, angezeigt worden bist; in Beachtung auch, jenes sei derart, daß wir daran nicht mit zugedrückten Augen vorbeigehen konnten noch durften, sind wir zur Untersuchung verschritten, ob das Vorgenannte sich auf irgend welche Wahrheit stützte, indem wir Zeugen annahmen, dich verhörten und sonst taten, was sich nach den kanonischen Satzungen gehörte. Nachdem wir also alles angesehen und fleißig geprüft haben, was in dieser Sache behandelt und verhandelt worden ist, auch eine Beratung mit im Rechte und auch in der theologischen Fakultät erfahrenen Männern abgehalten und sie öfters wiederholt haben, verschreiten wir dazu, nach Art des urteilenden Richters vor dem Tribunal sitzend und einzig Gott und die Wahrheit des Amtes vor Augen, nachdem die hochheiligen Evangelien vor uns gelegt worden sind, damit im Angesichte Gottes unser Spruch erschalle und unsere Augen die Billigkeit sehen, zu unserem endgültigen Urteilsspruche auf folgende Weise, nach Anrufung des Namens Christi: Weil wir nach dem, was wir gesehen und gehört haben, und was vor uns in gegenwärtiger Sache vorgeführt und dargebracht, behandelt und verhandelt worden ist, nicht gefunden haben, was gegen dich von dem, um dessentwillen du vor uns angezeigt worden warst, gesetzmäßig bewiesen worden sei, verkündigen, erklären und entscheiden wir endgiltig, daß gegen dich vor uns gesetzmäßig nichts verhandelt worden ist, um dessentwillen du als Ketzer oder Hexer beurteilt oder irgendwie für der ketzerischen Verkehrtheit verdächtig gehalten werden könntest oder müßtest. Daher lassen wir dich vom gegenwärtigen Augenblick von der Untersuchung und vom Gerichte völlig los. Gefällt ist dieses Urteil“ etc.
Man hüte sich, in einem Urteile, wie es auch sei, zu setzen, daß der Angeklagte unschuldig oder schuldlos sei, sondern (sage), daß gesetzmäßig gegen ihn nichts bewiesen worden sei, weil, wenn er später im Verlaufe der Zeit wiederum angezeigt und (etwas gegen ihn) gesetzmäßig bewiesen wird, er verurteilt werden kann, ohne daß das vorgenannte freisprechende Urteil dem entgegensteht.
Bemerke auch, daß auf dieselben Arten jemand freizusprechen ist, wenn er wegen der Aufnahme, Verteidigung oder anderer Begünstigung der ketzerischen Verkehrtheit angezeigt ist, wenn gegen ihn gesetzmäßig nichts bewiesen wird.
Der weltliche Richter im Auftrage des Bischofs wird in seiner Weise urteilen.