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Der Heruler Ende

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Autor: Wilhelm Hertz
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Titel: Der Heruler Ende
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 161-169.
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Hoffmann und Campe
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Scans auf Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[161]
Der Heruler Ende.
(Paul. Diac. I, XX.)


Es war ein Sommermorgen, die Lüfte hauchten kühl,
Da lag schön Rumetrude auf weichem Fensterpfühl.
„Hör’ auf, mein treuer Kämmrer, wer ziehet dort durch’s Thal?
Es funkeln Roß und Reiter in sonnigem Goldesstrahl.“

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„Das ist ein Reisgesinde fern aus dem Herulerland,

Das hat an Euren Vater Held Rodulf hergesandt;
Sie tragen schmucke Waffen und lichtes Gold genug;
Des Königs Bruder selber befiehlt dem stolzen Zug.“

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„Sag’, welcher ist der Recke?“ – „Der Kleine dort im Hauf’,

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Es geht ein feurig Glänzen von seines Helmes Knauf.“

„Wohlan, mein treuer Kämmrer, so biet’ ihm kurze Rast!
Er sei bei Tato’s Tochter ein vielwillkomm’ner Gast.“

Da gieng der schnelle Degen, wo er die Boten fand,
Der Ladung wurde fröhlich der Held vom Herulerland;

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Aufkrächzend stob vom Thurme der Drohlen heis’rer Chor,

Die Helden aber sprengten vergnüglich durch das Thor.

Da stieg Schön Rumetrude vom Thurmgemach zu Thal,
Sie fand die fremden Recken im luft’gen Waffensaal.
Das war ein sittig Grüßen; doch lachte manches Weib:

20
Es deucht’ ihr allzuwenig des kleinen Helden Leib.


O weh! Wie schuf ihr Lachen so thränenbitt’res Leid!
Es sprach im Uebermuthe die königliche Maid:

[163]

„Ihr scheint ein grimmer Kämpe, mein edler Ritter werth,
Denn höher als Ihr selber ist Euer tapfres Schwert!“

25
„Mein Schwert“, in hast’gen Worten der Held erröthend sprach,

„Schirmt meinen Leib bei Männern vor Hohn und Ungemach;
Vor spitzen Weiberzungen, viel edle Königsmaid,
Da hilft kein Schwert und Harnisch, das ist ein altes Leid.“

Die Herrin zuckt zusammen, der Ritter neigt sich tief,

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Ein schlechtverhalt’nes Kichern den hohen Saal durchlief,

Die fremden Degen blickten mit Lachen niederwärts, –
Da glüht im Todesgrimme der stolzen Jungfrau Herz.

Auf ihrer Lipp’ ein Lächeln, im Busen wilden Kampf,
Es ballt sich unter’m Schleier die Hand im Zorneskrampf, –

35
So trat vor ihre Seele der Rache blut’ge That, –

Sie stieg mit leichtem Gruße hinauf zur Kemenat.

[164]

Indessen liefen Mägde geschäftig durch den Saal,
Man lud die fremden Gäste zum reichbesetzten Mahl;
Derweil die Königstochter in sicherem Gemach

40
Zu zweien Longobarden geheime Worte sprach.


Dann kam sie ohne Säumen mit frohem Angesicht,
Es staunten all’ die Helden ob ihrer Augen Licht.
Sie setzte sich zu Tische, dem hohen Gast zur Seit’,
Dem ward in seinem Herzen der Wortkampf innig leid.

45
Und wie die schöne Wirthin so holden Gruß ihm bot,

Da wurden seine Wangen vor Scham und Freuden roth,
Er rief treuherzig lachend: „Nun schenket mir den Wein!
Es soll jedwedes Grollen von uns vergessen sein!“

Die Jungfrau sprang vom Tische: „Zwei Schenken steh’n bereit,

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Die lüstet sehr zu sühnen mein schmählich Herzeleid!“

Da hob sie einen Teppich am Schenkentisch empor:
Mit blanken Schwertern stürzte ein wildes Paar hervor.

O schlimme Schenkendienste! O blut’ger Sühnetrank!
Als unter ihren Streichen der Held vom Throne sank,

[165]
55
Da ließ ihn unbehütet sein Schwert zum ersten Mal,

Er stieß im Todesfalle den reichen Tisch zu Thal.

Von ihren Sitzen fuhren die Gäste schreckenbleich,
Sie zahlten die Bewirthung mit manchem blanken Streich;
Von ihren Schwertern hallte der Pallas manche Stund’,

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Bis sie ermattet standen, an allen Gliedern wund.


Da trat die Königstochter zur Saalesthür hinan
Und hieß sie heimwärts ziehen mit dem erschlag’nen Mann;
Sie bot den Helden Frieden und sicheres Geleit, –
Da schied das Reisgesinde vom Schloß in herbem Leid.

65
Sie luden auf die Schultern des todten Herren Leib,

Wohl sah vom Pallasfenster manch thränenbleiches Weib;
Den Thurm umflog mit Krächzen der Dohlen heis’rer Chor,
Die Leichenträger schritten stummtrauernd durch das Thor.

 * * *

[166]

Wohl auf und ab die Donau, wohl auf und ab die Theiß,

70
Da ward in loher Esse viel Stahl und Eisen heiß,

Da giengen Schlachtenrufe im Sturm von Ort zu Ort:
König Rodulf brennt zu sühnen des Bruders feigen Mord.
 
Wohl auf und ab die Donau, wohl auf und ab die Theiß,
Da stehen unter Helmen der Jüngling und der Greis;

75
Denn gilt’s, die Schmach zu tilgen, kein Heruler bleibt zu Haus:

Hei, stolze Longobarden! Das wird ein heißer Strauß!

Es war am Donauufer, im maiengrünen Feld,
Da saß der König Rodulf beim Schach im Purpurzelt;
Das Heerhorn klingt herüber, das Stürmen hebet an,

80
Da ruft der stolze König in trunk’nem Siegeswahn:


„Heut’ führt mein Volk zum Kampfe kein erdgeborner Held:
Du Wodan, hältst mein Banner, du Rachegott der Welt!“

[167]

Dann ruft er einem Diener: „Steig’ auf die Linde grün!
Doch weh’ dir, wenn du kündest, daß meine Völker fliehn!“

85
Nun sausen Todesspeere, nun krachet Schild auf Schild,

Es dröhnt von Rosseshufen das blumige Gefild. –
Der König sitzt beim Schache: „Wie stürmet meine Schaar?“
Der Diener ruft: „So jaget die Sperlinge der Aar!“

Und lauter, immer lauter der Feldschlacht Donner rollt.

90
– Held Rodulf, Schach dem König! Euch ist das Glück nicht hold. –

Der König lacht und rufet: „Stürmt noch mein Volk mit Muth?“
Der Diener spricht: „Sie hauen aus Helmen rothes Blut.“

„Nie wird,“ so ruft der König, „mein kühnes Volk besiegt,
Als bis bei Bruderleichen der letzte Streiter liegt!“

[168]
95
Da tönt bald dumpf, bald helle im Feld der Schlachtgesang,

Wehklagen hallt dazwischen und Röcheln sterbensbang.

Das Spiel will geh’n zu Ende, und wilder ringt die Schlacht.
– Der König geht verloren, Herr Rodulf, habet Acht! –
„Steht noch mein Volk im Sturme?“ – Der Diener redet nichts,

100
Er bebt und nicket hastig, verstörten Angesichts.


Und näher tönt und näher der Rosse wild Gestampf,
Es stöhnet dumpf dazwischen wie letzter Todeskampf,
Und näher tönt’s und näher, – der König blickt zum Baum:
„Das sind nicht Herulerlieder! Trägt mich ein böser Traum?“

105
Da rufet von der Linde der Diener schreckenbleich:

„Dich trifft des Himmels Zürnen, weh’, armes Herulerreich!“
„So fliehen meine Helden?“ – „Weh’ mir, ich sag’ es nicht, –
Dein eigner Mund, o König, die grausen Worte spricht!“

[169]

Herr Rodulf fährt vom Sitze, zum Himmel blickt er wild,

110
Er schnallt das Helmband fester, er hebt den goldnen Schild;

Schon dringen in’s Zelt die Feinde, manch grimmer Schlag erklingt,
Bis mit zerhau’nem Schilde der König niedersinkt.

Da ward das Feld so stille, das eben laut noch war,
Es lag in blut’gen Reihen Herrn Rodulfs Heldenschaar;

115
Der Longobardenkönig gieng schweigend durch den Plan,

Sein Blick war gramumdüstert, – ich weiß nicht, was er sann.

Wohl auf und ab die Donau, wohl auf und ab die Theiß,
Da ward manch treues Auge von bittern Thränen heiß;
Von lauter Todtenklage ertoste jedes Haus. –

120
Das ist der Heruler Ende. – Die Saiten klingen aus.