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Der Handfertigkeitsunterricht in Sachsen

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Textdaten
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Autor: Theodor Heinrich Gampe
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Titel: Der Handfertigkeitsunterricht in Sachsen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 216
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[216] Der Handfertigkeitsunterricht in Sachsen. Seit dem Unterrichtscursus zur Heranbildung von Lehrkräften für Handfertigkeit im Sommer 1882 zu Dresden ist man im ganzen Lande in erfreulichster Weise dieser hochwichtigen Volkserziehungsfrage näher getreten. Die „Gartenlaube“ brachte in Nr. 33 des vorigen Jahrganges einen größeren illustrirten Artikel über jenen Cursus, und kommt es den Lesern desselben wie allen Freunden der Bewegung gewiß nicht unerwünscht, wenn wir über die angedeuteten Fortschritte seit jener Zeit kurzen Bericht erstatten.

Vor Allem darf man mit Genugthuung erklären, daß die sächsische Regierung die wahren Interessen eines so hervorragenden Industriestaates wie Sachsen richtig erkannte und dieser praktischen Erziehungsreform weit mehr als bloße Aufmerksamkeit zuwendete. Hand in Hand mit den Gemeinden errichtete dieselbe zunächst in Pirna und Schandau Handfertigkeitsschulen unter Clauson von Kaas, die, abgesehen von dem erziehlichen Zweck, darauf hinsteuern, der Steinbrecherjugend in den dortigen Gegenden neue Erwerbsquellen zu erschließen. Die Steinbrecherei im Elbsandsteingebirge liegt darnieder, die Verdienste sind bei schwerer Arbeit auf ein unleidliches Minimum herabgedrückt, doch das Schlimmste ist der lungenertödtende Staub in den Brüchen, der einen erschrecklichen Procentsatz aller jungen Männer schwindsüchtig macht. Man will nun durch den Handfertigkeitsuntericht die Jugend von zu frühem Eintritte in den Steinbrecherberuf zurückhalten; denn erfahrungsgemäß verfällt die reifere Jugend wie das Mannesalter viel seltener dieser unheimlichen Krankheit, die hier den Charakter einer Gewerbekrankheit angenommen, und zu diesem Zwecke sollen vorwiegend Holzindustrien eingeführt werden, welche durch die ausgedehnten Waldungen der Gegend auch am besten gesichert erscheinen.

Dem Ministerium des Innern hat sich auch das Ministerium des Cultus sympathisch angeschlossen; es öffnete der Handfertigkeitsbestrebung die Pforten der königlichen Seminare, und so konnte bereits am 3. Februar Clauson von Kaas im Seminar zu Dresden-Friedrichstadt einen Unterrichtscursus in Scene setzen. Den Zöglingen war die Theilnahme völlig freigestellt worden, doch hat sich auch nicht ein Einziger ausgeschlossen. Besonders segensreich verspricht der Unterricht Clausun’s, des ehemaligen dänischen Rittmeisters, in der königlichen Blindenanstalt zu Dresden zu werden; der Verfasser sah von blinden Knaben in Thon modellirte Thiere von wirklich künstlerischer Auffassung; wir haben keine andere Bezeichnung dafür als das Wort „Unbegreiflich“ in Anbetracht der Blindheit der jungen Künstler.

Etwas langsamer, aber doch unaufhaltsam, greift diese natürliche Reaction gegen geistige Ueberbürdung und krankhafte Spitzfindigkeit in den Gemeinden um sich. Merkwürdig ist das Verhalten der Gewerbevereine – hier die wärmste Zuneigung und Aufnahme, dort das frostigste Mißtrauen; ähnlich steht es auch bei Behörden und in der Lehrerwelt, doch wir wollen den gegnerischen Gründen nicht nachspüren, das führte zum Polemisiren und wir wollen uns heute nur an Thatsachen halten.

In Zittau soll gegenwärtig in zwei Localen mit dem Unterricht begonnen werden, ebenso sind Anfänge zu vermelden von Pausa und Bischofswerda. In Rochlitz fanden sich 33 Theilnehmer zu einem Cursus zusammen. In Meerane hat der Rath die Angelegenheit in die Hand genommen, zunächst um Lehrkräfte heranzubilden; in Thum und in Markneukirchen sind „Schnitzelschulen“, wie man sie dort nennt, in voller Thätigkeit. In Gottleuba lehrt man besonders die bessere Strohflechterei, was auf den weiten Strohflechterbezirk des östlichen Erzgebirges von höchstem Vortheil werden kann, da hier die feineren und lucrativeren Flechtereien bisher nicht gefertigt werden konnten. In Schöneck richtete sich das gesammte Lehrerpersonal selbst eine Lehrwerkstätte ein, in Plauen hat man wenigstens im Waisenhaus mit dem Unterricht begonnen, ebenso in Auerbach in der landwirthschaftlichen Schule.

Obenan stehen die Städte Leipzig und Dresden, insbesondere haben Mitglieder im Dresdener Rath die ganze Idee eifrig gefördert. So konnte Director Kunath, ebenfalls ein warmer Freund der Sache, in der siebenten Bürgerschule zu Dresden einen permanenten Handfertigkeitunterricht einführen, und wer sich aus eigener Anschauung unterrichten will, der besuche diese Schulwerkstätte, bewundere die sauberen und höchst gefälligen Arbeiten und freue sich an den vergnügten Gesichtern der Knaben, die zum Theil den höheren Ständen angehören, also voraussichtlich gar nicht beabsichtigen Handwerke zu erlernen, aber in geschickter Handhabung der Werkzeuge „Niemandem etwas hinausgeben“.

Wir möchten allen Gegnern dringend anrathen, in die erste beste gutgeleitete Schulwerkstätte zu gehen; wer sich hier nur einmal ordentlich umgethan und das Vergnügen und die helle Lust der freiwilligen Arbeit beobachtet, der kann kein Feind der Sache mehr sein; der muß ein Paulus werden und sei er ein noch so grimmiger Saulus gewesen. Scheint es uns doch, die ganze Gegnerschaft stütze sich viel weniger auf Gründe als auf – Mißtrauen.

Zum Schluß wollen wir noch verrathen, daß in Dresden ein Centralverein für Hendfertigkeit in der Bildung begriffen ist, der, nach den Vorversammlungen und nach den Männern, die zur Leitung berufen sind, zu schließen, zur kräftigsten Initiative übergehen wird; doch behalten wir uns den Bericht hierüber für später vor. Th. G.