Der Höllenhacken
Der Mond erglänzet helle
Wohl überm blauen Rhein;
Die sanften Wogen laden
Zur stillen Fahrt noch ein.
Hart an des Stromes Bahn,
Mit seinem hohen Dome,
Mit seinem Kloster dran.
Da wandeln aus dem Garten,
Ein Mönch und eine Nonne
Dem nahen Ufer zu.
Sie halten sich umfangen
Als wie zum Liebesbund;
Sich auf den rothen Mund.
Sie steigen in ein Schifflein,
Gelehnt an’s grüne Bord;
Das Ruder faßt die Nonne
Wie nun der Mönch auch koset,
Sie drauf kein Wort mehr spricht;
Wie er auch küßt und herzet,
Sie achtet dessen nicht.
Sie wird so stark und kühn,
Bis weitab schon die Wellen
Den Nachen rißen hin.
Da schlägt von wilden Wogen
Da fährt aus seinem Tändeln
Erschreckt der Mönch empor:
„Um Gott! Was soll das werden?
Lenk’ an das Ufer da!
Vielleicht, ach! schon zu nah“.
Doch was er ihr mag sagen,
Die Nonne hört nicht drauf,
Treibt kräft’ger nur das Schifflein
Da faßt der Mönch sie bebend,
Fleht auf den Knie’n sogar:
„O gieb, um alle Liebe,
Nicht preis uns der Gefahr!“
Entsetzen ihn erfaßt;
Sie schaut ihn an so schrecklich,
Ihr Blick, er tödtet fast:
„Glaubst du, nur Zufall führte
Wo da der Höllenhacken
Dem Schiffer wird zum Grab?
„Du hast mir schnöd’ entrissen
Den Himmel meiner Brust,
Der Höll’ um deine Lust.
„Du hast mich arg betrogen!
Zwar mein Gelübd’ ich brach,
Doch zweimal es zu höhnen,
„Ich trage unterm Herzen
Von unsrer Schuld die Frucht;
Doch Elend mir zu häufen,
Hast du noch mehr versucht.
Die Kund’ entging mit nicht,
Daß ich würd’ eingemauert,
Beim nächsten Morgenlicht.
„Du warst zur Lust Geselle,
Drum lud ich dich mit Kosen
Zu dieser Fahrt noch ein.
„Kannst du den Himmel rauben?
Kennst du die Hölle wohl?
Erbrausend dumpf und hohl!“
Der Mönch hat nichts gesprochen,
Erstarrt im Kahn er steht,
Er fühlt sich selbst verdammet,
Da zischt der wilde Strudel,
Klafft wie ein Höllenthor;
Es zackt aus seinem Schlunde
Der spitze Fels hervor.
Mit seinem scharfen Zahn;
Hinein reißt er den Nachen,
Es ist um sie gethan.
Die Wogen murmeln wieder
Und treiben, fest umschlungen,
Zwei Leichen von dem Grund.
- ↑ [174] Name einer Stelle des Rheins, der hier in gewaltigen Schaummassen über Klippen herunterstürzt, in der Nähe von Rheinfelden. Schon viele Schiffe sind allda verunglückt. So wurde am 28. August 1462 – berichtet u. A. auch Wurstisen’s Chronik von Basel – ein mit reichen Kaufmannsgütern beladenes Schiff, worin sich, außer einer Menge von Einsiedeln zurückkehrender Wallfahrer, mehrere adelige und geistliche Herren befanden, vom Strudel erfaßt und an den Klippen zerschellt, wobei alle sechzig Passagiere das Leben einbüßten. Man nennt diese gefährliche Stelle auch „das Gewild“.