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Der Deutschen Volkszahl und Sprachgebiet in den europäischen Staaten

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Textdaten
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Autor: Henry Lange
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Titel: Richard Böckh, „der Deutschen Volkszahl und Sprachgebiet in den europäischen Staaten.“ Eine statistische Untersuchung. Berlin (J. Guttentag) 1869. 8.
Untertitel:
aus: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. S. 472–474
Herausgeber: Wilhelm David Koner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Dietrich Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
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Neuere Literatur.
Richard Böckh, „der Deutschen Volkszahl und Sprachgebiet in den europäischen Staaten.“ Eine statistische Untersuchung. Berlin (J. Guttentag) 1869. 8.

Ein so beachtungswerthes Werk wie das vielgenannte hätte wohl verdient auch an dieser Stelle schon früher besprochen zu werden, doch da es niemals zu spät ist, auf gediegene Werke in der deutschen Literatur hinzuweisen, so ergreife ich mit Vergnügen die mir gebotene Gelegenheit, Böckh’s Arbeit zu fleißigerem Studium zu empfehlen.

Der Verfasser hat seine mühevolle und gelehrte Arbeit der Erinnerung an Ernst Moritz Arndt, zu dessen hundertjährigem Geburtstage, den 26. Dec 1869, gewidmet. Wie herrlich paßt die Widmung und die von Böckh behandelte Frage zu den großen historischen Ereignissen der Gegenwart. Es giebt heut kein literarisches Blatt von nur einiger Bedeutung, das nicht mit größter Anerkennung der Böckh’schen Arbeit gedenkt. Zur Beantwortung der jetzt jeden deutschen Patrioten beschäftigenden Frage der neuen Grenzregulirung mit Frankreich finden wir hier den reichsten Inhalt und besten Anhalt in dem elften Abschnitt: Die Deutschen gegenüber den Franzosen, S. 151 – 194 und in dem tabellarischen [473] Theile, S. 291 – 304, das deutsche Sprachgebiet in Frankreich. Böckh bezeichnet die deutsche Sprachgrenze so genau, daß man sie mit Leichtigkeit auf jeder Specialkarte verfolgen und eintragen kann (S. 166).

„Der Eroberung von anderthalb Jahrhunderten bedurfte es und der wiederholten Mitwirkung Deutscher selbst, um das Elsaß aus dem Bereich deutscher Landesherrschaft zu ziehen. Wie die Tabelle IX mit der beigefügten Erklärung zeigt, wurde das erste Viertel desselben, die österreichischen Besitzungen mit der elsässischen Landvogtei (285 Gemeinden mit gegenwärtig 227,000 Einw.), durch den westfälischen Frieden, das zweite, die Reichstädte, die Reichsritterschaft und die Reichstifter (159 Gemeinden mit 226,000 Einw.) durch die Reunionen unterworfen, während die Republik Strassburg (sowie sie auch bei Ristelhuber bezeichnet) und der Bischof von Strassburg für seine elsässischen Besitzungen (im Ganzen 160 Gemeinden mit 262,000 Einw.) sich freiwillig unter die Protection der französischen Könige stellten; durch die Erwerbung von Lothringen und den Uebergang einiger elsässischer Herrschaften aus dem Besitze deutscher Fürsten in den französischer Unterthanen wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts noch einzelne Theile (42 Gemeinden mit 47,000 Einw.) Deutschland entfremdet; das vierte Viertel, nämlich verschiedene Mediatherrschaften deutscher Fürsten und die mit der Eidgenossenschaft verbundene Republik Mülhausen (230 Gemeinden und 239,000 Einwohnern), kam erst in Folge der französischen Revolution ganz unter Frankreichs Herrschaft.“

Den Raub von anderthalb Jahrhunderten hat unser braves deutsches Heer den Franzosen in dem kurzen Zeitraum von etwa 3 Wochen wieder entrissen. Die Schmach, welche uns unsere phrasenreichen und durch schlechte Regierung demoralisirten Nachbaren in so langer Zeit angethan, ist durch ihre Unverschämtheit und deutsche Machtentfaltung zu Falle gebracht.

Das Elsaß und Deutsch-Lothringen werden fortan als deutsches Land in deutscher Hand zur Wacht am Rhein erhoben werden, und mögen die Herren Franzosen sich auch wie Wahnsinnige und verwilderte Menschen geberden, Deutschland wird fortan französischen Uebermuth zurückzuweisen wissen. – Diese kleine Abschweifung von unserem Gegenstande mag durch die jetzt herrschende Stimmung entschuldigt werden.

Böckh berechnet das ganze deutsche Sprachgebiet in Frankreich zu ungefähr 140 geograph. Quadratmeilen, 876 Gemeinden mit einer Million Einwohnern. –

Das ganze Werk[WS 1] zerfällt dem Inhalte nach in drei Abtheilungen: das Vorwort, den beschreibenden Theil und den tabellarischen Theil. Im Vorwort spricht der Verfasser zu Gunsten der Anerkennung des Nationalitätsprincips. Er sagt: „In grundsätzlich richtiger Auffassung muß die Anerkennung des Nationalitätsprincips im gemeinsamen Interesse aller Völker liegen. Keinem Volke ist die ihm eigenthümliche Geistesgabe zum Zweck der Unterdrückung anderer verliehen und keinem kann diese Unterdrückung wahren Nutzen bringen; in deutlichen Beispielen zeigt die Geschichte früherer und neuer Zeit, wie von einem herrschenden Volke geübte Unterdrückung ihm selbst wenig fruchte, wie im Gegentheil der Unterdrückte, indem er selbst in den Geist der unterdrückten Nation hinübergeht, dort ändernd und verderbend eingreifen und sogar zum [474] unerwünschten und tyrannischen Führer der herrschenden Nationalität werden kann.“

Auch die statistische Ermittelung der Nationalität wird im Vorwort erörtert.

Der zweite Abschnitt des Werkes handelt vom deutschen Sprachgebiet. Die Deutschen gegenüber den Engländern, Skandinaviern, Letten und Ehsten, Russen, Polen, Wenden und Czechen, Magyaren, Rumänen, Serben und Slowenen, Italienern und Rhätoromanen, und endlich den Franzosen. Dies ist der eigentlich historisch-geographische Theil, den wir mit Rücksicht auf die Franzosen oben schon berührten.

Der tabellarische Theil enthält die Ergebnisse der Nationalitäts-Ermittelungen in den einzelnen Staaten – dies ist der statistische Abschnitt.

Wir glauben nicht zu viel zu sagen, wenn wir die Böckh’sche Arbeit zu den Musterwerken der deutschen Literatur stellen. Echt deutscher Geist, gediegenes Wissen und eine tiefe Begeisterung für die große civilisatorische Aufgabe, welche das deutsche Volk unter den Völkern Europas zu erfüllen berufen ist charakterisiren das Böckh’sche Werk und machen sich auf jeder Seite bemerkbar.

H. Lange.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Werrk