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Der Currendknabe zu Geithain

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Textdaten
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Autor: Widar Ziehnert
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Titel: Der Currendknabe zu Geithain
Untertitel:
aus: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. Band 2, S. 123–126
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1838
Verlag: Rudolph & Dieterici
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Erscheinungsort: Annaberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Indexseite
[123]
13.
Der Currendknabe

zu
Geithain.

[124] An der Mittagsseite der Kirche zu Geithain ist ein Knabe in Stein gehauen, den sein Mantel als einen Currendknaben bezeichnet. Die Inschrift des Steines ist unleserlich, und die Zeit der Begebenheit wohl unbestimmbar, vielleicht Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts.




[125]

In Geithain an der Kirche,
     da ist, in Stein gehau’n,
ein Knabe der Currende
     bis diesen Tag zu schau’n.

5
In seines Mantels Falten

     wächst gelbes Lebermoos,
und immer noch betrauert
     die Stadt sein schrecklich Loos. –

Wo morgenwärts am Giebel

10
     die Viertelglocke hängt,

da war tief in den Balken
     ein Dohlennest gezwängt.
Drin waren junge Dohlen,
     die zwitscherten so sehr,

15
und darnach stand der Knaben

     unseliges Begehr.

Einst nach dem Abendläuten,
     da steigen sie hinauf.
Wie blicken zu dem Neste

20
     die losen Knaben auf!

Sie können nicht hinüber,
     und nicht zum Nest hinan,
und sprechen zu einander:
     „Wie fangen wir das an?“

25
Sie schieben drauf zum Fenster

     ein langes Bret heraus,
und dreie halten’s hinten,
     und einer steigt hinaus.
Er hält sich an die Balken,

30
     und tritt zum Neste hin,

und spricht: „Es sind drei schwarze
     und auch ein weißes drin“

[126]

„„Das weiße muß ich haben!““
     so rufen alle Drei.

35
Der Knabe aber lächelt:

     „Da bin ich auch dabei!
Ich bin herausgestiegen,
     das weiße nehm’ ich mir,
und die drei schwarzen Dohlen? –

40
     Ja, die bekommet ihr.“


Da drohen ihm die Knaben:
     „„Giebst du uns jenes nicht,
so lassen wir dich fallen!““ –
     Jedoch der draußen spricht:

45
„Das weiße, das behalt’ ich,

     das schwatzt mir Niemand ab!“
Da – heilger Gott! – die Knaben,
     sie werfen ihn hinab!

Zerschmettert auf dem Pflaster

50
     liegt er in seinem Blut,

und neben ihm, zerschlagen,
     die junge Dohlenbrut.
Seht her, ihr bösen Knaben,
     das habt ihr nun gethan!

55
Gott, rechne nicht die Sünde

     dem Unverstande an! –

In Geithain an der Kirche
     da ist in Stein gehau’n,
der arme Currendaner

60
     bis diesen Tag zu schaun.

In seines Mantels Falten
     wächst gelbes Lebermoos,
und immer noch betrauert
     die Stadt sein schrecklich Loos.