Der Componist der Volksmelodie zum deutschen Vaterlandsliede
[688] Der Componist der Volksmelodie zum deutschen Vaterlandsliede. Von all den Vaterlands- und Freiheitsliedern, welche die große deutsche Erhebung der Jahre 1813 und 1814 entstehen ließ, und welche zum Theil zur Förderung dieser patriotischen Erhebung mitwirkten, ist keines von so gewaltiger, nachhaltiger Bedeutung geworden, als Arndt’s Lied: „Was ist des deutschen Vaterland?“ Im April 1813 überließ es der Dichter mit der bescheidenen Bemerkung, daß ihm dasselbe nicht verfehlt erscheine, der „Deutschen Zeitung“, die damals bei Reimer unter Niebuhr’s Leitung erschien, zur Aufnahme. Das Lied, obwohl von den Herren Recensenten vielfach angegriffen, ist als der energischste Ausdruck des deutschen Gesammtnational-Bewußtseins das eigentliche deutsche Nationallied geworden und geblieben, und der Dichter sollte in seinem Greisenalter noch die freudige Ehre erleben, daß ihm am 18. Mai 1848 vom deutschen Volke durch dessen Vertreter in Frankfurt (auf Antrag von Jahn und Soiron) für dieses sein Lied der Dank der Nation jubelnd votirt wurde.
Doch nicht allein der Text ist es, nein, namentlich ist es auch die Melodie, was das Lied in alle Kreise des deutschen Volkes eingeführt und dem Volke so lieb, ja zum eigentlichsten Volksliede gemacht hat. Begeistert singen die vierstimmigen Männerchöre die schöne, feurige Reichardt’sche Composition, aber ebenso begeistert singt noch jetzt und sang schon vor Reichardt’s Schöpfung das deutsche Volk die ursprüngliche kernige Volksmelodie. Von wem rührt sie her? Vergebens schlagen wir die meisten Liederbücher auf, das Lied enthalten sie wohl, aber der bescheidene Komponist hat sich nicht genannt. Wer ist es? Wir können es verrathen, und Andre haben es schon früher verrathen. Johannes Cotta ist es, gebürtig aus Ruhla im Thüringer Wald. Als Stud. theol. in Jena componirte er das Lied im Jahre 1814. Noch immer warm patriotisch denkend und fühlend, lebt der alte würdige Herr zu Willerstedt bei Buttstedt als Pfarrer und Adjunct.
Jetzt, wo in diesen Tagen in Erinnerung an die deutsche Volksthat von 1813 das Arndt’sche Lied mit der Reichardt’schen oder Cotta’schen Melodie von tausend und abertausend Lippen erklungen ist, dürfte es an der Zeit sein, jene geschichtliche Thatsache weitern Kreisen zur Kenntniß zu bringen.