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Der Blutmord in Konitz/Braun

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Herr Polizei-Inspektor Braun und der Fleischermeister Hoffmann.

Mitte Mai 1900 erschien zur weiteren Unterstützung der Polizeikräfte der aus Berlin abgesandte Polizei-Inspektor Braun[WS 1] in der Stadt Konitz. In Gemeinschaft mit Herrn Wehn gab er sich Mühe, die Mörder zu entdecken. Aber auch er brachte die Ueberzeugung von Berlin mit, daß es Ritualmorde nicht gäbe und daher die Juden als Thäter ausscheiden müßten. Lediglich einem Christen sei die schreckliche Mordthat zuzutrauen.

Als Beweis dafür sei hier ein Satz eingefügt, der sich in der Braunschen Anklageschrift gegen den Schlächtermeister Hoffmann findet. Herr Braun geht die Motive durch, die zu einer solchen That Veranlassung geben könnten, und schreibt dabei wörtlich: „Von der, für das ganze Christentum beschämenden, während der Ermittlungen von Fanatikern oder Ignoranten erhobenen Blutbeschuldigung - Ritualmord - als Motiv sehe ich selbstverständlich (!!!) ab, da eine solche nur der Bosheit oder finsterstem Aberglauben entspringen kann.“

Von diesem Gedanken ausgehend, richtete, ebenso wie Herr Wehn, auch Herr Braun seine Amtshandlungen ein. Er studierte emsig die Akten, die schon zu vielen stattlichen Bänden herangewachsen waren, stellte daraus eine förmliche Anklageschrift mit einer Menge von einzelnen Anklagepunkten gegen den Fleischermeister Hoffmann und dessen vierzehnjährige Tochter Anna Hoffmann zusammen und überreichte die Schrift der Kgl. Staatsanwaltschaft. Der Erste Staatsanwalt Settegast beantragte auf Grund dieser Anklageschrift bei dem Untersuchungsrichter des Landgerichts Konitz die Eröffnung der Voruntersuchung gegen Herrn Hoffmann und seine Verhaftung.

Der Untersuchungsrichter Dr. Zimmermann *)[1] eröffnete die Voruntersuchung, lehnte aber die Verhaftung vorläufig ab, weil die Braunschen Verdachtsgründe ihm noch nicht ausreichend zu sein schienen.

Herr Braun aber erklärte, er werde den Fleischermeister Hoffmann [21]

[Eingefügtes Bild:]
Obermeister und Stadtverordneter Hoffmann und seine Tochter Frl. Anna Hoffmann in Konitz.
[Siehe: Scan: Der Blutmord in Konitz, S. 21]

[Eingefügtes Bild:]
Anfang der Danzigerstraße vom Wilhelms-Platze bis zu der Biegung an der Einmüdnung der Mauergasse, an derem Ende das Hoffmannsche Haus liegt. (Vergl. Lageplan.)
[Siehe: Scan: Der Blutmord in Konitz, S. 21]

[22] und seine Tochter Anna sehr bald zum Geständnisse des Mordes bringen, und jetzt beginnt das Verfahren gegen die Familie Hoffmann, das in ganz Deutschland das größte Aufsehen erregt und die größte Empörung hervorgerufen hat. In seiner Verteidungungsschrift, *)[2] die eine Verbreitung von vielen Tausenden von Exemplaren gefunden hat, schildert Herr Hoffmann eingehend die Art und Weise, wie Juden und deren Helfer ihn durch eine künstliche Agitation zum Mörder an dem Ober-Tertianer Winter stempeln wollten. (Vergl. Seite 24 und folgende.)

Herr Fleischermeister Hoffmann ist ein angesehener Mann in Konitz, Hausbesitzer, Stadtverordneter und Obermeister der Fleischer-Innung. Jeder christliche Konitzer sagte sich: Es ist geradezu ausgeschlossen, daß Hoffmann mit dem Morde an Winter etwas zu thun gehabt haben soll. Er ist aber Fleischermeister, und die Zerstückelung des Winterschen Körpers kann nur durch einen Arzt, Schächter oder Fleischer geschehen sein. Deshalb hatten die Juden, die emsig bemüht waren, die Spuren des Verbrechens zu verwischen, gleich darauf Bedacht genommen, den Fleischermeister Hoffmann in den Verdacht des Mordes zu bringen. Sofort nach Auffindung des Rumpfes im Mönchsee wurde in der ganzen Stadt und namentlich bei den Behörden verbreitet: ,,Das hat Hoffmann mit seinen Gesellen gethan."

Dieses Gerücht hatte zur Folge, daß schon am Mittwoch, den 14. März, von seiten der Staatsanwaltschaft in den Hoffmannschen Räumen eine sehr eingehende Haussuchung vorgenommen wurde, wobei auch die Dunggrube, die später eine besondere Wichtigkeit erlangte, einer sorgfältigen Untersuchung unterzogen ward. Man fand aber nichts, und obendrein wies Herr Hoffmann bei seiner Vernehmung nach, wo er den ganzen Tag des 11. März bis zum Schlafengehen sich aufgehalten, und mit welchen Personen er den Tag über zusammen gewesen war.

Die Behörden überzeugten sich damals, daß Herr Hoffmann dem Morde ganz fern stehe, und er wurde nicht weiter behelligt - bis Herr Braun auf der Bildfläche erschien. Seine Anklage war ein unhaltbares Gebilde; sie wiederholte auch nur lediglich das, was die Juden schon lange vorher gegen die Familie Hoffmann ausgesonnen und verbreitet hatten: Fräulein Anna Hoffmann habe sich mehrmals vor der väterlichen Hausthür auf der offenen Straße (das Hoffmannsche Haus liegt im belebtesten Teile der Stadt, wo ein fortwährender Verkehr von Menschen stattfindet) mit dem Tertianer Winter unterhalten, Winter habe sie auch auf der Straße gegrüßt. Aus diesen an sich richtigen, aber harmlosen Thatsachen wurde das Bestehen eines intimen Verhältnisses zwischen den jungen Leuten gemacht.

Der Leser erinnere sich dabei des schon erwähnten Umstandes, daß Fräulein Hoffmann zur Zeit des Mordes erst vierzehn Lebensjahres zählte.

Die Juden und mit ihnen Herr Braun behaupteten weiter, [23] Hoffmann habe den Winter mit Totschlag bedroht. Zu Grunde lag dieser Behauptung lediglich folgender Vorfall: An einem Abend des Winters 1899/1900 stand Anna Hoffmann mit zwei jungen Leuten vor der väterlichen Ladenthür. Herrn Hoffmann gefiel das nicht, er rief darum seiner Tochter zu: ,,Anna, komm herein! Und wenn Ihr Lümmels nicht macht, daß Ihr wegkommt, dann paßt mal auf!" Die jungen Leute entfernten sich auch sofort; einer von ihnen soll nun der junge Winter gewesen sein. —

Ein Gymnasial-Professor bekundete, er habe am Abend des 11. März um 7 1/2 Uhr den schrecklichen Schrei eines Menschen von der Synagoge her vernommen. Hieraus zog Herr Braun folgende Schlüsse: Neben der Synagoge befindet sich der Holz-

[Eingefügtes Bild:]
Synagoge
davor die Trümmer des abgebrannten jüdischen sogenannten Waschhauses.Die Entstheung des Brandes ist noch nicht gelöst
[Siehe: Scan: Der Blutmord in Konitz, S. 23]

schuppen, worin Hoffmanns Wagen stehen; in diesem Schuppen haben zwischen sieben und acht Uhr abends der Tertianer Winter und Anna Hoffmann unsittlichen Umgang gepflogen, der Vater Hoffmann hat sie dabei betroffen (sic!), ein großes Fleischermesser *)[3] hervorgezogen und den Winter derartig in den Hals gestochen, daß der Kopf gleich abgeschnitten wurde. - Das ganze ist lediglich ein Phantasie-Produkt mit der einzigen thatsächlichen Unterlage, daß jemand zwischen sieben und acht Uhr von der Richtung der Synagoge bezw. des Hoffmannschen Schuppens her geschrieen hat. Es kann übrigens, da es sich um einen wohlvorbereiteten, von [24] mehreren Personen ausgeführten Mord handelt, auch ein Mitschuldiger beauftragt gewesen sein, den Schrei dort auszustoßen.*)[4]

Nun haben sich aber weder Frl. Anna Hoffmann noch Herr Hoffmann zu jener Zeit in oder bei dem Schuppen befunden. Herr Hoffmann hatte auch keine Veranlassung, seine Tochter Anna zu suchen, da sie sich in der Wohnung befand; er hätte auch gar nicht auf den Gedanken kommen können, seine Tochter in dem Bretterschuppen zu suchen, weil der Schlüssel dazu in seinen Händen war. Die kalte Witterung des März-Abends war zudem nicht gerade zu einem zärtlichen Tete-á-Tete in einem Bretterschuppen mit fingerbreiten Spalten besonders einladend. Der Schuppen befindet sich gegen zweihundert Schritte von dem Hoffmannschen Hause entfernt. - Der Halsstich, den Herr Hoffmann dem Winter nach der Annahme des Herrn Braun versetzt haben soll, widerspricht aber auch dem ärztlichen Befunde, wonach der Hals wagerecht unmittelbar über dem Rumpfe abgeschnitten worden ist. Einen Stich hat Winter in keiner Weise bekommen. Er ist vielmehr von mehreren Personen festgehalten oder vorher gefesselt worden, während eine Person ihm den Hals durchschnitt. Herr Braun mußte diese Thatsachen aus den Akten ersehen; er mußte ferner aus den Akten entnehmen, wo und mit welchen Personen zusammen die Familie Hoffmann am 11. März sich befunden hat. In seiner Verteidungsschrift sagt Herr Hoffmann darüber:

,,Ich mit meiner Familie gehöre der evangelisch-lutherischen Religionsgemeinschaft an. Am Sonntag, den 11. März, hatten die Mitglieder derselben sich in Konitz zum Gottesdienst versammelt. Bei mir waren abgestiegen: Der Prediger Reymann aus Schneidemühl, der Amtsvorsteher Fengler aus Buchholz mit seiner Cousine Frl. Fengler. Beim Gottesdienst vorm. 10 - 11 Uhr und nachm. 3 - 4 Uhr waren wir alle in der Kirche. Nach dem Nachmittags-Gottesdienst begaben wir uns alle, darunter ich und meine Tochter Anna, in die Wohnung des Fleischermeisters Ziebarth in der Schlochauerstraße zum Kaffee, was bis nach 6 Uhr andauerte, zu welcher Zeit die Auswärtigen mit der Bahn abfahren mussten. Der

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Zug geht von Bahnhof Konitz um 6 Uhr 53 Minuten abends ab. Ich führte den Pfarrer Reymann und den Amtsvorsteher Fengler in meine Wohnung, wo sie sich ankleideten und nach dem Bahnhofe gingen. Ich blieb zu Hause. Gleich danach kam meine Tochter Anna mit Frl. Fengler, welche auf den Stadt-Omnibus wartete, und als dieser hier ankam, in den Omnibus einstieg und abfuhr. Dies war etwa nach 6 1/2 Uhr. Meine Tochter machte noch einen Gang in die Stadt, war aber vor 7 Uhr schon wieder zu Hause, um das Abendbrot zu bereiten, was an diesem Tage etwas früher gemacht werden sollte, weil der Lehrling Welke, dessen verstorbener Vater Fleischermeister und Hausbesitzer in Tuchel war, in das Theater gehen wollte. Wir, d.h. ich, meine Tochter und die anderen Familienmitglieder, aßen gegen 1/2 8 Uhr zusammen Abendbrot. Die beiden anderen Lehrlinge hatten sich etwas verspätet und kamen erst nach 8 Uhr nach Hause, weshalb ich sie ausschimpfte und befahl, daß sie zur Strafe den weiteren Abend zu Hause bleiben mußten. Meine Tochter setzte ihnen nach 8 Uhr das Abendbrot hin. Seitdem sind wir alle, namentlich ich und meine jüngste Tochter Anna, ununterbrochen zu Hause geblieben und schlafen gegangen. Ich bemerke, daß ich selbst aus meiner Wohnung mich nicht gerührt habe, nachdem die Herren Reymann und Fengler mich verlassen hatten."


Soweit Herr Hoffmann. Da nun Zeugen diesen Tagesverlauf in der Familie Hoffmann am 11. März gleich nach der am 14. März stattgehabten Haussuchung bestätigt hatten, da ferner ermittelt worden war, daß der ermordete Winter sich spätestens um 6 1/2 Uhr nachmittags in den Händen seiner Mörder befunden haben muß, so wird der unbefangene Leser es geradezu unglaublich finden, daß Herr Polizei-Inspektor Braun und der Herr Staatsanwalt gegen einen unbescholtetenen angesehen Mann wie Herrn Hoffmann die Anklage wegen Totschlags an dem Tertinaner Winter erheben, die gerichtliche Voruntersuchung und sogar die sofortige Verhaftung beantragen konnten.

Die Sache wird aber erklärlich, wenn man die Grundanschauung beachtet, von denen aus die Untersuchungen über den Winterschen Mord geführt worden sind, und wonach jeder christliche Zeuge als unglaubwürdig galt, sobald er etwas zu Gunsten der Familie Hoffmann oder zu Ungusten der Juden aussagte. - Der Leser glaube ja nicht, daß diese Behauptung übertrieben ist. Sie gründet sich vielmehr auf die Thatsachen und ist aus den Akten und durch Zeugen durchaus erweisbar.

Die große Erbitterung gegen die Behörden, die in der Sadt Konitz und deren Umgegend herrscht und in den Tumulten zum Ausbruch gekommen ist, erklärt sich nicht zum kleinsten Teile daraus, daß fast alle Aussagen von Christen unglaubwürdig, die jüdischen Aussagen stets als einwandsfrei angesehen und beurteilt wurden.

Es waren nach der ersten Haussuchung bei Hoffmann eidlich vernommen worden: er selbst, drei Lehrlinge und das Dienstmädchen. Ihre beeideten Aussagen lagen bei den Akten und wiesen für [26] jede Minute den Aufenthalt Herrn Hoffmanns in den fraglichen Stunden nach. Herr Braun kannte diese Akten. Aber die Juden behaupteten, daß Hoffmann zwischen sieben und acht Uhr abends den Winter mit einem Messer erstochen habe, und diese beweislose Behauptung galt mehr als die Aussagen einer ganzen Anzahl von unbescholtenen christlichen Zeugen.

Kein Wunder, daß man in Konitz überall hört, die Christen in Preußen würden nur noch als Staatsbürger zweiter Klasse angesehen! Welche Intriguen außerdem hinter den Kulissen gespielt haben, um das Vorgehen gegen die Familie Hoffmann in Gang zu bringen, das wird vollständig wohl nie ans Tageslicht kommen. Bekannt ist bisher aber geworden, daß Herr Polizei-Inspektor Braun mit einem Agenten der Juden, Namens Rauch, in Konitz in Beziehungen gestanden, und daß Rauch wieder derjenige ist, der die durch die Zeitungen bekannte Darm- und Dung-Affaire gegen Hoffmann ins Werk setzte:

Herr Hoffmann sagt darüber in seiner Schrift:

,,Seit mehreren Jahren schon hatte ich mit dem jüdischen Kaufmann und Ackerbesitzer Isidor Fleischer das Abkommen getroffen, daß derselbe in jedem Monat den Inhalt meiner Dunggrube auf sein Feld fahren durfte, wogegen er Stroh für mein Pferd lieferte. Nachdem meine Dunggrube bei der Haussuchung am 14. März im Beisein des Herrn Staatsanwalts und mehrerer Beamten einer eingehenden Untersuchung unterzogen und nichts Verdächtiges darin vorgefunden worden war, hat der Isidor Fleischer etwa Anfang April die Dunggrube ganz geleert und ihren Inhalt auf sein Feld gefahren. Schon dieser Umstand, in Verbindung mit der vorangegangenen amtlichen Unterschung, beweißt, daß in meiner Dunggrube sich nicht das geringste auf den Winterschen Mord bezügliche befunden haben kann. Den Juden schien aber meine Dungverbindung mit Isidor Fleischer ein passendes Mittel zu sein, um einen besonderen Trick gegen mich ins Werk zu setzen. Als Fleischer nämlich Ende Mai den Inhalt der Dunggrube wieder in der Nacht auf sein eine halbe Meile von der Stadt liegendes Feld fuhr, da hatten die Juden die beste Gelegenheit, in den Dungwagen einen Darm und sonstige Sachen nach Belieben hineinzuwerfen."

Nach der Veröffentlichung der Hoffmannschen Verteidigungsschrift hat sich herausgestellt, daß Juden einen Schweinedarm, eingewickelt in ähnliches Papier wie das, worin der Wintersche Rumpf gefunden wurde, in einen Dungwagen hineingeworfen haben. Der mit Herrn Braun in Verbindung stehende Judenagent Rauch hat mit dem Berliner Kriminalschutzmann Beyer den Dung auf dem Acker des Juden Fleischer durchsucht und darin den eingewickelten Darm gefunden. Daraus ergab sich dann eine unmittelbare Handhabe zu dem Vorgehen gegen Herrn Hoffmann. Die Intrigue war nicht schlecht eingeleitet. Wie es kam, daß sie mißlang, geht aus der Hoffmannschen Verteidigungsschrift hervor, der wir folgendes entnehmen:

[27]

"Am Dienstag, den 29. Mai d. J., haben die beiden Polizei-Kommissare aus Berlin, Namens Braun und Wehn, nachdem sie zuvor mit dem Schutzmann Beyer eine sehr eingehende Haussuchung bei mir abgehalten hatten, mich und meine 14jährige Tochter nach dem Polizei-Bureau gebracht und uns beschuldigt, den Mord an dem Gymnasiasten Winter verübt zu haben. Die beiden Kommissare stellten dabei die Behauptung auf: ich hätte am 11. März abends gegen 7 Uhr meine Tochter vermißt, hätte sie gesucht und in dem neben meiner Eismiete am Mönch-See gelegenen Wagenschuppen betroffen, wie sie mit dem Gymnasiasten Winter Umgang pflog. Aus Wut darüber hätte ich den Winter gewürgt und erstochen. Diese ungeheuerliche Beschuldigung wurde mir vorgehalten. Meiner Tochter gegenüber haben diese Beamten dasselbe Märchen vorgetragen und meine Tochter sogar überreden wollen, daß schon alles entdeckt sei, sie solle es nur gestehen, dann werde mich, ihren Vater, eine mildere Strafe treffen."

Herr Hoffmann schildert den Vorgang noch sehr milde. In Wirklichkeit spielte er sich viel aufregender ab. Durch die Erbitterung darüber sind die ersten wirklichen Unruhen seit der Ermordung des Winter in der Stadt Konitz hervorgerufen worden. Es war an einem Dienstag des Morgens noch vor acht Uhr, als die Beamten in der Hoffmannschen Wohnung erschienen und Herrn Hoffmann und seine Tochter auf das inmitten des Marktes gelegene Polizei-Bureau transportierten. Fräulein Hoffmann wurde getrennt vom Vater von 8 bis 1 Uhr in der Polizei-Wachstube gefangen gehalten und zweimal zum Verhör in die oberen Räume gebracht. Ein Polizist musste immer bei ihr verweilen. Herrn Hoffmann führte man dagegen zurück in seine Wohnung, um bei einer neuen eingehenden Haussuchung anwesend zu sein. Hierauf mußte er den Beamten nach dem ungefähr zweihundert Schritte entfernt liegenden Schuppen bei der Synagoge folgen; auch hier wurde alles nochmals eingehend besehen und durchsucht und Fragen aller Art mit Bezug auf den Mord an den Beschuldigten gestellt. Darauf schaffte man ihn, umringt von Polizisten, mitten durch eine große Menschenmenge, die sich angesammelt hatte, nach der Polizei und setzte dort das Verhör fort.

Die Art und Weise, wie bei den Verhören gegen die vierzehnjährige Anna Hoffmann verfahren wurde, um das halbe Kind zu einer unwahren Bezichtigung des eigenen Vaters zu verleiten, kann gar nicht scharf genug verurteilt werden und findet hoffentlich noch einmal an geeigneter Stelle eine gerechte Würdigung.

Die Kunde von der Verhaftung Hoffmanns zeitigte (sic!) aber unerwartete Folgen. Es meldete sich bei einem Bekannten des Zeitungsverlegers Wilhelm Bruhn, der sich als Berichterstatter der ,,Staatsbürger-Zeitung" gerade in Konitz befand, der Arbeitsmann [28] Masloff. Dieser Mann war bereits als Zeuge vernommen worden und hatte bekundet, daß er nachts zwischen 10 und 11 Uhr in dem Keller des Fleischermeisters Lewy ein Gemurmel von Stimmen gehört und Licht gesehen habe. Masloff gab an, er habe noch mehr in jener Nacht gesehen, er fühle sich gedrungen,

[Eingefügtes Bild:]
Vorderansicht des dem Schlächtermeister Lewy gehörigen Hauses.
In den beiden Kelleröffnungen haben Masloff und andere Zeugen den Lichtschein in der Mordnacht bemerkt.
[Siehe: Scan: Der Blutmord in Konitz, S. 28]

jetzt alles zu sagen, damit nicht ein unschuldiger Mann zum Mörder des Winter gemacht werde.

Herr Bruhn führte den Masloff auf das Polizei-Bureau, wo die beiden Kriminalbeamten Braun und Wehn mit der Vernehmung von Hoffmann und seiner Tochter beschäftigt waren, und verlangte [29] die sofortige Vernehmung Masloffs. Da die Beamten Herrn Bruhn als Zeitungsverleger kannten, so hielten sie es nicht für zweckmäßig, sein Gesuch abzuschlagen.

Masloff bekundete nun in Gegenwart der Herren Braun und Wehn, daß er in der Nacht vom 11. zum 12. März die Absicht gehabt habe, Fleisch von dem Lewyschen Hofe zu stehlen. Hierbei habe er, nachdem er von vorn auf der Straße schon den Lichtschein gesehen und das Geräusch in dem Keller des Lewy gehört habe, auch den Hof von dem hinteren Thorweg aus beobachtet und von dort aus ebenfalls ein Gemurmel von Menschenstimmen aus dem Keller her vernommen. Nach einiger Zeit sei ein Mann aus der Kellerthür gekommen, bald danach noch zwei Männer, von denen der eine, der alte Lewy, ein Licht in der Hand gehalten habe. Nach längerer Zeit seien drei Männer auf den Hof gekommen, die etwas trugen und nach der Hinterthür gingen. Er, Masloff, habe sich rasch in der Nähe verborgen und gesehen, wie die drei Männer, darunter Moritz Lewy, eine schwere Last nach der Mönch-See-Spüle schleppten. Diese Gelegenheit habe er ausgenutzt, sei durch die unverschlossene Thür auf den Hof gegangen, habe dort ein Stück Fleisch vom Haken genommen und sich dann nach seiner Wohnung entfernt. Während er sich das Fleisch aneignete, habe er aus dem Keller ein Geräusch gehört, als ob dort gescheuert werde.

Nach dieser Aussage mussten die Bezichtigungen gegen die Familie Hoffmann ganz haltlos werden.

Von Fräulein Anna Hoffmann war weiter nichts herauszubekommen gewesen, als die Worte: ,,Aber mein Gott, ich weiß doch von nichts, ich kann doch nichts sagen!"

Die alte kranke 70jährige Mutter Hoffmanns erschien auf der Polizei, wurde dort hart angelassen, blieb aber standhaft und verlangte ihr Enkelkind heraus.

Da Herr Polizei-Inspektor Braun aus dem Auftreten des Herrn Bruhn und aus der Zusammenrottung der ganzen Konitzer Bevölkerung ersehen hatte, daß Hoffmann sehr viele und einflußreiche Freunde besaß, hielt er die Verhaftung nicht aufrecht und ließ Herrn und Fräulein Hoffmann nach Hause gehen, nachdem diese von 8 bis 1 Uhr und ihr Vater sogar bis drei Uhr auf dem Polizei-Bureau festgehalten worden waren.

Lassen wir Herrn Hoffmann selbst weiter reden. Er sagt in seiner Verteidigungsschrift:

,,Am Abend desselben Tages verbreiteten die Juden und Judengenossen in der ganzen Bevölkerung, daß ich in der Nacht verhaftet werden sollte. Mir und meinen Freunden war klar, daß man damit absichtlich Unruhen in der Nacht hervorrufen wollte, was auch geglückt ist. Bisher hatten nur einige unreife Burschen in der Dunkelheit bis 10 Uhr ,,Hepp, hepp" in den Straßen gerufen und dann und wann eine Fensterscheibe heimlich eingeworfen. Auf die Nachricht von meiner Verhaftung versammelten sich aber einige Tausend erwachsene und meist verheiratete Männer ganz freiwillig, um den durch eine Verhaftung meiner Person gegen die Gesamtheit der
[30]

Christen beabsichtigten Schlag zu verhindern. Ein jeder der Tausenden von ernsthaften Männern, welche die Straßen und Plätze erfüllten, war sich bewußt, daß er ebenso gut, wie ich heute, schon morgen vor den Herrn Braun als Mörder hingestellt werden konnte. Offen ward den Gendarmen entgegengerufen: ,,Unsere Kinder schlachten die Juden, unsere Gräber schänden die Juden, und jetzt sollen noch mehr Christen totgeschlagen werden!" Ruhig stellten die Verheirateten sich vor die Gendarmen hin und forderten sie auf, auf sie loszuschlagen. So kann nur ein Volk sich verhalten, welches aus innerster Ueberzeugung von meiner Unschuld durchdrungen ist und die Ungeheuerlichkeit, mich als einen Mörder hinzustellen, tief empfindet."

Die gewaltsame Auflehnung ist natürlich in keiner Weise zu billigen. Sie hätte auch, wenn der Wille zur That geworden wäre, für die Beteiligen sehr üble Folgen nach sich ziehen müssen; aber erklärlich ist ein solches Aufbäumen der Volksseele in außerordentlichen Lagen! Die Behauptung des Herrn Braun, daß die Bevölkerung selbst den Fleischermeister Hoffmann als den Mörder des Winter bezeichnet habe, wird durch den eben geschilderten Vorfall aufs schlagendste widerlegt. Fast allein die Juden haben auf die Familie Hoffmann hingewiesen. Die wenigen Judengenossen die gleiches thaten, lassen sich in einer Minute aufzählen.

Angeführt sei an dieser Stelle noch die Ansicht der Familie des Ermordeten. Dieser war ein namensloses Schreiben zugegangen, worin Herr Hoffmann als der Mörder hingestellt wurde. Den Brief sendete die Familie Winter direkt an Hoffmann ein, mit folgendem Begleitschreiben:

,,Sehr geehrter Herr Hoffmann!

Auf Ihr geehrtes Schreiben von heute teilen wir Ihnen mit, daß wir gern Ihrem Wunsche nachkommen. Leider sind uns zwei Briefe, die wir schon Ende März erhielten, abhanden gekommen. Wir können Ihnen nur noch den einen, den wir vergangene Woche erhielten, übersenden. Wir hatten, als wir die ersten Briefe erhielten, auch schon die Absicht, sie Ihnen zukommen zu lassen, doch wir sagten uns, wozu andere betrüben, wenn man selbst weiß, wie bitter Schmerz ist. Wir versichern Ihnen, daß wir ebenso, wie die meisten deutschen Bürger, überzeugt sind, daß diese grauenvolle That nicht bei Ihnen beschehen ist.

Hochachtungsvoll
Familie Winter."

Wie schon mitgeteilt, wurde von dem Herrn Polizei-Inspektor Braun eine förmliche Anklageschrift gegen Hoffmann ausgearbeitet, die die Grundlage der eröffneten Voruntersuchung bildete. Punkt für Punkt hat das Gericht die Braunschen Anklagen durchgenommen und die Beweise erhoben. Ueberall stellte sich die vollständige Haltlosigkeit der Braunschen Anklage heraus. Am 30. Juni schloß [31] der Untersuchungsrichter die Voruntersuchung, und unter dem 19. Juli 1900 ward Herrn Hoffmann folgender Gerichts-Beschluß zugestellt:

Nach dem ärztlichen Gutachten des Kreisphysikus Dr. Müller und des praktischen Arztes Dr. Bleske vom 29. Juni 1900 ist die Ermordung des Gymnasiasten Winter zwischen 3 und 4 Uhr und bis spätestens 1/2 5 Uhr nachmittags erfolgt. Danach erscheint es aber völlig ausgeschlossen, daß der Angeschuldige der Thäter gewesen ist, weil der Angeschuldigte am Sonntag, den 11. März 1900, sich nachmittags zunächst in der Kirche und sodann mit seiner Tochter Anna, Pfarrer Reymann, Amtsvorsteher Fengler und Fräulein Fengler in dem Hause der Fleischermeister Ziebarthschen Eheleute bis nach 6 Uhr aufgehalten hat.

Ueberdies ist es nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Müller und Bleske völlig ausgeschlossen, daß der Thäter die That ohne Ueberlegung ausgeführt hat, vielmehr sprechen die Beschaffenheit der Leiche, die Art der Zerstückelung und die Art der Beiseiteschaffung der Leichenteile dafür, daß die That von mehr als zwei Personen und nach einem wohlüberlegten Plane ausgeführt ist. Der angeschuldigte Hoffmann kann daher auch aus diesem Grunde als Thäter nicht in Frage kommen.

Selbst wenn man aber auch die Möglichkeit zugeben wollte, daß die That nach 1/2 5 Uhr, in den Abend- oder Nachtstunden vollführt sei, so würde der angeschuldigte Hoffmann gleichfalls der That nicht verdächtig erscheinen, weil nach den durchaus glaubwürdigen Aussagen der Hausgenossen des Hoffmann, der Fleischerlehrlinge Lougear, Mysikowski und Welke und des Dienstmädchens Kandetzki, weder an dem Abend des 11. März, noch an späteren Tagen irgend verdächtige Umstände oder Spuren der That bemerkt worden sind.

Die Voruntersuchung hat sonach die Nichtschuld des Angeschuldigten ergeben. Demgemäß war der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen.

Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 499 der St. P. O. der Staatskasse aufzuerlegen.

Konitz, den 19. Juli 1900.

Königliches Landgericht, Serienstrafkammer.

gez.Schwedowitz. Ohme. Mürau.

Ausgefertigt.
Konitz, den 19. Juli 1900.
Arnoldy
Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts.

[32] Damit hat die Episode Hoffmann in der großen Winterschen Mord-Tragödie ihr Ende erreicht.

Die Juden sind auch hierbei die eigentlichen Sieger; denn, ist es ihnen, wie im Jahre 1884 in Skurz, auch nicht geglückt, einen unschuldigen christlichen Fleischer auf die Anklagebank zu bringen, so können sie doch sagen: gegen keinen Juden ist wegen des Mordes an Winter die gerichtliche Voruntersuchung eröffnet worden, wohl aber gegen einen Chirsten; die Behörden müssen also doch meinen, der Thäter könne nur unter den Christen gesucht werden.

In diesem Sinne schreiben auch thatsächlich die jüdischen und unter Juden-Einluß stehenden Zeitungen, und darum schien es geboten, die Episode Hoffmann dem deutschen Volke so ausführlich, wie es hier geschehen ist, vor die Augen zu führen.

Jedermann mag sich nun selbst ein Urteil darüber bilden, was jüdische Machenschaften im Deutschen Reiche heutzutage schon vermögen und wie ein ehrenhafter, angesehener, chistlicher Deutscher mit seinem jungen unschuldigen Töchterchen in die peinlichsten Verhöre verstrickt werden kann.

Wir hoffen, daß der preußische Herr Justitzminister das Verhalten der beteiligten Beamten im Falle Hoffmann sorgfältig nachprüfen und danach seine Entscheidung treffen wird.

Anmerkungen

  1. [Der bisherige Untersuchungsrichter Rat Schulze wurde während der Untersuchung am 1. Mai nach Danzig versetzt. Diese Versetzung soll schon vor dem Morde beschlossene Sache gewesen sein. Zweckmäßiger wäre es aber wohl gewesen, diesem erprobten alten Beamten die Führung der schaurigen Untersuchung zu lassen und seine Versetzung bis zur Beendigung des Prozesses hinauszuschieben.]
  2. Bereits in sechster (50. bis 60. Tausend) Auflage erschienen und zum Preise von 1,50 M. für das Hundert zu beziehen durch die Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, Berlin NW 52.
  3. Das hört sich ja gerade so an, als ob Sonntags die Konitzer Fleischermeister nur "große Fleischermesser" auf ihren Ausgängen mit sich führen!
  4. An den Schrei anknüpfend, haben urteilsfähige Leute in Konitz, die alle Begleit-Umstände genau kennen, sich folgende Möglichkeit des Verlaufes der Mordthat konstruiert, die wir zwar nicht als wahrscheinlich ansehen, aber doch hier erwähnen wollen. Danach sei Ernst Winter zu einem Rendezvous in dem jüdischen Waschhause (nahe bei dem Hoffmanschen Schuppen gelegen und später abgebrannt. Vergl. das umstehende Bild) eingeladen gewesen. Er habe die Zeit von 5 1/2 bis gegen 7 Uhr in einer jüdischen Familie verbracht und sei deshalb nicht mehr gesehen worden. Um 7 Uhr habe er sich aus der Gesellschaft entfernt und sei im Schatten der Gebäude an der Rhämgasse nach dem Waschause gegangen. Dort habe ihn ein in Frauentracht verkleideter Jude empfangen, durch einen Faustschlag wehrlos gemacht, und dabei habe Winter den Schrei ausgestoßen. - Dort sei dann auch die Ermordung und Zerlegung des Körpers vor sich gegangen. Wir teilen, wie gesagt, diese Auffassung nicht, wollen sie aber doch hier mit erwähnen. Der unaufgeklärte Brand des Bretterschuppens kann dahin gedeutet werden, daß dort Spuren verwischt werden sollten.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Braun war ein hartnäckiger Kriminalbeamter - Verweis auf 1904