Der Bettler (Zerstreute Blätter V)
A. Guten Tag, Alter.
B. Gleichfalls. Ich wußte nie von einem schlimmen Tage.
A. Mein Gruß war: gut „Glück! daß es dir wohlgehe!“
B. Ich war nie unglücklich. Es gieng mir nie übel.
A. Dabei erhalte dich Gott; erkläre dich aber deutlicher.
B. Sehr gerne. Du wünschtest mir einen guten Tag; kann aber wohl Ein Tag böse seyn, den Gott schickt? In Frost und Hitze, in Hunger und Durst habe ich Den zu loben, dessen Wille hiemit geschieht. Ist nun der nicht glücklich, der mit Gott übereinstimmt, der von ihm, was es auch sei, annimmt, und nur von Ihm Alles erwartet?
Du wünschtest, daß mir es wohl gehe; es gehet mir wohl, da ich mir kein Wollen vorbehalte, als das von Gottes Willen abhängt.
A. Wie aber? wenn dich Gott verwürfe?
B. Er kann nicht; ich umfasse ihn mit den Armen demüthiger Liebe und hohen Glaubens. Mittelst ihrer bin ich mit Gott unauflöslich verbunden; wo Er ist, werde ich mit Ihm seyn. Mit Gott lieber in der niedrigsten Tiefe; als ohne ihn auf dem höchsten Gipfel.
A. Woher bist du?
B. Ich komme von Gott, lebe in ihm, und gehe zu Gott wieder.
A. Wo fandest du Gott?
B. Wo ich alles, was Geschöpf ist, verließ.
A. Wo wohnt Gott?
B. In einem reinen Herzen, in einem muntern Willen.
A. Wer bist du?
B. Ein König.
A. Wo ist dein Reich?
B. Meine Seele ists, deren Herrschaft mir von Gott dazu anvertrauet ward, daß weder ihre inneren, noch äußeren Sinnen umherschweifen.
A. Nach welchen Regeln regierst du?
B. Stillschweigen, Gebet, Geduld, Gehorsam, Uebung sind meine Staatsregeln.
A. Zu welchem Endzeck?
B. In nichts zu ruhen, was nicht das Höchste, was nicht Gott ist.
A. Und deine Krone?
B. Ist Ruhe der Seele.
A. Weh also denen, die uns durch ihre kleinliche Vorschriften zu nichts als zur Unruhe, zum Laufen und Rennen rufen, und uns dafür die Gipfel der Berge versprechen, indeß sie selbst als niedrige Sklaven dem Staube dienen.