Der Beruf der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Diakonie/1. Stunde
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Gebet: Ewiger Herr und Vater unseres Herrn Jesu Christi, ein Herr ewigen und täglich sich verneuenden Lichtes, wir bitten Dich von Herzen, schenke, weil Du Jesum Christum, das Licht der Welt, gegeben, Seine Gnade und Sein Erbarmen täglich allen denen, die auf Dich hoffen, und verleihe, daß in der Kraft Deiner unwandelbaren Gnade ihr Herz fest und ihr Sinn getrost werde, bis sie dermaleinst, allem Wechsel der Sünde und des Dunkels entnommen, bei Dir im ewigen Lichte weilen dürfen. Amen.
So sehen wir auch mit ernster Frage Ihrer Weiterentwicklung entgegen und fragen: Wie viel Idealität besitzen Sie? Es wird sich als unweisbare Pflicht für Sie alle geltend machen, daß Sie von dem Beruf, dem Sie dienen und in wenig Tagen ganz eingegliedert werden sollen, den größtmöglichen Begriff haben. Die Welt tut dann schon das ihre, um mögliche Ueberspannungen auf das richtige Maß zurückzuführen. Gott erhalte Ihnen, mehre Ihnen, und wo sie nicht vorhanden, erwecke Ihnen die Idealität. Sie können von dem Beruf nicht hoch genug, von den Persönlichkeiten, von Ihnen, nicht niedrig genug denken. Halten Sie vom Beruf das Größte, von Sich selber das Mindeste, dann sind Sie wohl vorbereitet. Idee und Wirklichkeit im harten Kampf, das ist der Kampf, der uns verordnet ist. Wenn aber der Kampf zu schwer wird und der Widerstreit zwischen Seinsollen und Sein zu gewaltig, dann sehen wir auf Jesum Christum, den Anfänger und Vollender des Glaubens und aller dem Glauben entstammenden Bewegungen. Wenn zwischen Idee und Wirklichkeit die Kluft sich zu sehr verbreitert, so sehen Sie auf Den hin, Der in sich Idee und Wirklichkeit vereinigt, weil Er die Wahrheit ist, Jesus Christus, der Herr.
Mit diesen einleitenden Worten grüße ich Sie und wünsche für Ihr späteres Leben, daß der Herr in Ihnen mehren wolle alle die Gesinnung, die Sein lieber Sohn, Jesus Christus, unser einiger Herr, gegeben, bewahrt und geschenkt hat.
Wir gehen nun über auf das eigentliche Thema des Einsegnungsunterrichtes, als welches ich Ihnen vorlegte „Das Charisma der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Barmherzigkeit, die charismatische Veranlagung unserer Kirche zum Amt der Diakonie.“
Wir kommen zunächst auf die Frage von den Gnadengaben überhaupt. Im letzten Grunde sind nach| Röm. 5, 16 und 17 alle die Gaben, die Gott in Jesu Christo uns geschenkt hat, Gnadengaben; dieses muß festgehalten werden, um aller fleischlichen Ueberschätzung der Charismen vorzubeugen. Diese Gnadengaben können sich spezifizieren auf bestimmte Vorgänge, spezielle Zwecke und Absichten vereinzeln. Das sind jene Bewegungen, welche der Hl. Geist verleiht aus der Fülle Dessen, der im Evangelium des gestrigen Sonntags, Cantate, sagt: „Von dem Meinen wird Er es nehmen.“ Es sind also keine andern Gnadengaben als die, welche der Herr Christus jeder Seele im ganzen und großen verleiht, es sind nur besonders angediente, angepaßte und applizierte Gnadengaben, welche der Hl. Geist, wie Er will, nach dem vorhandenen Bedürfnis des Einzelnen und der Kirche austeilt. Es sind Gaben, welche der Hl. Geist andient der einzelnen Kirchenzeit, der einzelnen Seele, der einzelnen seelischen Bewegung. Die Charismen unterscheiden sich von den andern Gaben, die Jesus jedem Menschen gegeben hat, nicht dem Wesen nach, sondern nur dem Grade, der Art nach. Es sind einzeln angediente Aeußerungen derselben Gnade, die in unserm Herrn Jesu Christo beschlossen ist.Das 19. Jahrhundert, an dessen Ende wir stehen, ist ein Jahrhundert des Kampfes um die alleredelsten Güter gewesen. Als es anfing, hat man dem Christentum nur noch wenige Jahre gegönnt. Man hat allerwärts gemeint, es werde gar zu Ende gehen, und dieses Jahrhundert, das viele Liebhaber der Kirche so trüb ansahen, ist ein Missionsjahrhundert geworden, wie keines vorher. Es hat alle Erfindungen menschlicher Kunst und Wissenschaft, alles und jedes in den Dienst der großen Aufgabe Matthäi 28 gestellt: „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker.“ Das läßt uns das sichtbare Walten des Hl. Geistes gerade mit besonderer Ehrerbietung und Dank betrachten. Dies Jahrhundert, das auch treue Bekenner mit Angst und den schwersten Befürchtungen betrachteten, ist ein Jahrhundert geworden, in dem das Banner Jesu Christi so mächtig vorgetragen wurde, wie in keinem andern, in dem die Gnade Jesu Christi sich über alles Erwarten verbreitet und vertieft hat, es ist vor allen Dingen das Jahrhundert der evangelisch-lutherischen Kirche geworden.
Es ist kein Lieblingsgedanke von mir, sondern ein Ergebnis nicht ganz oberflächlicher Betrachtung, daß unsere Kirche mit ihrem ökumenischen Sinn und mit jenem feinen Verständnis für alles Große, Wahre und Schöne der andern Kirchen noch das Zentrum werden wird, auf welches alles hineilen wird. „Du hast eine kleine Kraft und hast Mein Wort behalten, sie sollen kommen und sehen, wie sehr ich dich geliebet habe.“
Ja, das 19. Jahrhundert ist das Jahrhundert der ev.-lutherischen Kirche geworden. In diesem Jahrhundert hat diese verachtete, im 18. Jahrhundert in Formenkram so furchtbar herabgekommene Kirche, sich wieder aufgerafft und ist aufgefahren mit Flügeln wie Adler (Jes. 40) und hat nun ihren Herrn und Heiland wieder gefunden. Es ist das der größte Gedanke, der Kirche anzugehören, welche mit ihrem seinen Takte und mit ihrer gerechten| Würdigung für alle Vorzüge anderer, doch fest und unbeweglich steht auf dem, was ihr ewiges Erbteil geworden. „Du hast eine kleine Kraft und hast Mein Wort behalten.“ So ist unsere Kirche in den Mittelpunkt aller Erscheinungen getreten, und wir sehen je länger je mehr, wie der Kampf aller christusfeindlichen Elemente gegen unsere Kirche sich anbahnt, zeugend, daß eben unsere Kirche besonders die Hüterin Seines Wortes ist.Gnadengaben hat der Hl. Geist je und je verliehen, Gnadengaben sind selbst die einzelnen Konfessionskirchen. Es wird alles darauf ankommen, wie man sich die Entstehung derselben denkt – ob diese nur durch menschliche Sünde entstanden oder aber ob sie nicht auch Gnadengaben des Hl. Geistes sind. Es ist wahr, es sind die Teilkirchen Ausfluß menschlicher Sünde, es hat sich viel Sünde hineingemengt; aber es sind auch die einzelnen Teilkirchen Individualisationen der einzelnen Wahrheiten, ausgehend von dem Worte: „In Meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.“ Die Trennungen sind nicht bloß von Gott zugelassen, sondern von Gott gewollt, bis der Tag kommt, wo alle eins sind. So gewiß die vier Evangelien ein und denselben Christum von verschiedenen Standpunkten aus ansahen, so gewiß die großen Apostel für ein und denselben Christum bei aller Verschiedenheit den Tod erlitten, so gewiß sind nun in der Stellung der einzelnen Apostel die verschiedenen Stellungen der Teilkirchen zu Jesu Christo präformiert.
Wenn wir festhalten, daß die einzelnen Kirchen Gnadengaben des Hl. Geistes sind, so werden wir zu der rechten Duldung vordringen, welche unsere Kirche so sehr auszeichnet. Bei aller Scheidung der Kirche ist die Gnade mächtiger geworden als die Sünde.
1. Hat nun unsere evang.-lutherische Kirche, geschichtlich und dogmatisch besehen, ein Charisma zum Amt der Barmherzigkeit?
| 2. Wenn ja, worin besteht und warum besteht dies Charisma?Es verleihe Ihnen der Herr, daß Sie in diesen Stunden Besitz für die Ewigkeit einheimsen dürfen. Er verleihe mir, daß ich Ihnen Worte sage nicht von mir, sondern von Oben, daß ich Worte sage, die Ihr ewiger Herr und Meister Seinem Knechte gegeben hat um Deswillen, der bei aller Sünde und Sündenschwere nie vergessen hat für uns zu hoffen.
Gebet: O Herr Jesu Christe, Du ewiger und barmherziger Sohn Gottes, der Du nicht geachtet hast all der Not, die Deiner wartete, sondern aus freier ungeschuldeter Liebe zu uns gekommen bist, laß die Gewißheit Deiner Gnaden in unser aller Seelen bleibend, segnend, beseligend und befreiend sein und verleihe, daß wir in Kraft Deiner Gnade je länger je mehr Dir zueilen, Deinen Namen preisen, Deinen Ruhm verkündigen und zu Deinen Ehren täglich in den Kampf mit Welt und Sünde uns wagen und darin beharren. Schenke uns zu solchem Kampf die Gewißheit Deiner Nähe, Deiner Teilnahme und Deines Sieges. Amen.
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