Der Bauernphilosoph von Goisern
[724] Der Bauernphilosoph von Goisern. Als die „Gartenlaube“ in Nr. 45 des Jahrgangs 1872 mit einem Nachruf für Ludwig Feuerbach einen Rückblick auf sein Leben verband, wurde darin zum ersten Mal ein österreichischer Landmann, Konrad Deubler, genannt, als der treue Freund Feuerbach’s und seiner Familie bezeichnet und zugleich als ein Beispiel aufgestellt, welch kerngesunde, nach höherer Wahrheit sich sehnende und ringende Menschen Oesterreich in sich berge, und welcher Opfer für die Wahrheit solche Menschen fähig seien. Deubler entstammte einer jener lutherischen Familien, welche bei der Austreibung der Salzburger Protestanten, 1732, heimlich im Lande zurückgeblieben waren. Es war offenbar angeborener Forschungs- und Wissensdrang, der schon den Jüngling erfüllte und ihm den Muth gab, nachdem er „Die Stunden der Andacht“ und „Der Mensch im Spiegel der Natur“ gelesen hatte, mit Zschokke und Roßmäßler einen Briefwechsel anzuknüpfen, und der ihn immer mehr zu Naturforschern und Philosophen hintrieb, je weiter sein Geist sich entwickelt hatte. Seine Bücher- und Briefsammlung, zu deren Beschaffung er Mittel und Muße durch harte Arbeit als Müller, dann als Bäcker, Wirth und Fremdenführer sich erwarb, war sein Glück und Stolz, wäre aber fast sein Unglück geworden. Der charakterlose Witzling Saphir sah dieselbe, schlug Lärm über den merkwürdigen Fund von solchen Schriften in einem Bauernhaus und verursachte dadurch in der schlimmsten Konkordatszeit Oesterreichs eine Verfolgung, die dem zum Verbrecher gegen Staat und Religion gestempelten Mann die Leiden vierjähriger Untersuchungs- und schwerer Zuchthaushaft zuzog. Ungebrochenen Geistes kehrte Deubler an seinen Herd zurück und erlebte die Genugthuung, daß die Gemeinde von Goisern ihn zu ihrem Bürgermeister und zum Präsidenten des Ortsschulrathes erwählte. Im Jahre 1864 erwarb er ein Alpenhaus auf dem Primesberg bei Goisern, das im Jahrgang 1875, S. 401 der „Gartenlaube“ abgebildet ist, in welchem 1867 Feuerbach sich frische Gesundheit holte, das seitdem eine Wallfahrtsstätte vieler kühn und fröhlich strebender Geister geworden ist und nun die neugesammelten Bücher-, Brief- und Kunstschätze enthält, welche Deubler’s Seelennahrung waren bis zu seinem Tod, am 31. März 1884.
Der reiche Briefschatz und die Selbstgeständnisse Deubler’s in seinem Tagebuche verdienten, der Vergessenheit entrissen zu werden. Das ist jetzt geschehen, indem sie einem Buche des Professors Dodel-Port in Zürich: „Konrad Deubler’s Lebens- und Entwickelungsgang und handschriftlicher Nachlaß, mit Deubler’s Bildniß“ (Leipzig, B. Elischer) einverleibt sind. Unter den Briefen verräth einer von Ernst Keil, daß unser Bauernphilosoph auch ein stiller Mitarbeiter der „Gartenlaube“ gewesen ist. Fr. Hfm.