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Der Augustusbogen bei Aosta in Piemont

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCCLXVIII. Das Amphitheater zu Segovia in Spanien Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band (1841) von Joseph Meyer
CCCLXIX. Der Augustusbogen bei Aosta in Piemont
CCCLXX. Kertsch, am cimmerischen Bosporus
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DER TRIUMPHBOGEN DES AUGUSTUS
bey Aosta.

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CCCLXIX. Der Augustusbogen bei Aosta in Piemont.




Civitas Augusta! Dein Thor steht noch, aber was ist aus dir, du Gepriesene, geworden? ein dunkles, winkliches Landstädtchen voller Schmutz und voller Armuth. Das heutige Aosta hat in der That kein Interesse weiter, als das, welches ihm die Vergangenheit verleiht. In einer niedrigen Häuserreihe sind die Umrisse eines Cirkus gezeichnet, eine andere steht auf dem Fundamente eines Palastes, und in der Einfassungsmauer eines Klosters wollen Manche die Ueberreste eines Theaters sehen. Inschriften in dem schönen Dom, welche man als Grabsteine christlicher Märtyrer ausgibt, rühren von heidnischen Römergräbern her, oder sind Votivtafeln, welche man aus den Tempeln der verjagten Gottheiten nahm. Freuen kann sich in diesem Falle der Alterthumsforscher der gläubigen Einfalt, oder des frommen Betrugs, da er jene Inschriften vor der Zerstörung schützte; wenn er aber bei der Betrachtung bekutteter Heiligenbilder die verstümmelten Formen einer antiken Helden- oder Götterstatue gewahrt, einen Herkules unter der Metamorphose eines Sankt Antonius erkennt, oder eine Niobe als Sankta Clara: dann eilt er mit Ingrimm hinaus, dahin, wo die Natur mit zarter, mütterlicher Hand jede Ruine sinnig ausschmückt, und das schon Gestorbene mit dem jungen, grünen Leben umschlingt. –

[117] Weit über die Thore von Aosta hinaus strecken sich die Trümmer der alten Augusta. Weinreben klettern an und auf den versunkenen Säulenhallen der öffentlichen Plätze, und die Kastanie schattet über den verschütteten Gewölben, welche einst die kostbarsten Waaren füllten: die Seidenstoffe Persiens, die Spezereien Arabiens, die kunstreichen Gold- und Silberarbeiten von Byzanz und Damaskus. Blöckende Heerden weiden auf den Schwellen von Thermen, in der geweiheten Cella eines Tempels, jetzt ein Stall, möckert die Ziege der Armuth; dürres, schlankes Riedgras lispelt auf dem Altare, wo der Priester einst die Opfer schlachtete, und auf der Via militaris, wo zur Welteroberung die Legionen zogen, pfeift der Marmotjunge sich Muth zum ersten Weltgang. –

Der Bogen des Augustus – die Porta triumphalis der Römerstadt – ist der schönste antike Bau in ganz Piemont. Reiner, edler, einfacher Styl, Größe und Solidität der Bauart, machen ihn würdig, der Repräsentant des Augustäischen Zeitalters zu seyn. Er ist von Marmor und geschmückt mit zehn corinthischen Säulen. Seine einzige Verunstaltung ist gerade das, was ihn erhielt: ich meine das Bild des Gekreuzigten, das in der Mitte des Bogens befestigt ist, und ohne dessen Heiligenschein gewiß das Denkmal längst verschwunden wäre.