Der Allgemeine Deutsche Musikverein und dessen historische und ethnographische Ausstellung in Leipzig
Der Allgemeine Deutsche Musikverein und dessen historische und ethnographische Ausstellung in Leipzig.
Der bekannte Musikpädagog Louis Köhler in Königsberg stellte vor vierundzwanzig Jahren in Leipzig vor einer glänzenden Versammlung von Tonkünstlern den Antrag, einen Allgemeinen Deutschen Musikverein zu gründen. Derselbe entstand auch unter der Obhut des verstorbenen Redacteurs Dr. Franz Brendel, nach dessen Tode 1868 Professor Karl Riedel das Präsidium übertragen wurde, während Franz Liszt, der ewig jugendliche Großmeister, durch seine warme persönliche Theilnahme und durch Geltendmachen seiner humanen Grundsätze dem Verein jenes Gepräge gab, welches gestattete, den verschiedensten werthvollen musikalischen Richtungen die Arena zu eröffnen und jährlich vor Hunderten von urtheilsfähigen Musikern Tonwerke der Vergangenheit und Gegenwart in Wettstreit treten zu lassen. Bereits zwanzig Tonkünstlerversammlungen hat dieser Musikverein veranstaltet, stets mit einem großen Apparat von Kräften: ein und mehrere Orchester, zwei bis vier Gesangvereine, zwanzig bis vierzig Solisten, mehrere Dirigenten; jedesmal innerhalb vier Tage vier bis sieben Concerte, mündliche Vorträge, Berathungen etc. durchführend, dabei die geselligen Zusammenkünfte nicht vernachlässigend, immer zur Freude der Bewohner jener Städte, die ihn gastlich aufgenommen haben. Ueberall, wo er nur getagt hat, wurde der Wunsch ausgesprochen, ihn bald wieder begrüßen zu dürfen.
So in den Residenzen der kunstliebenden Herrscher Thüringens, deren Einer, Großherzog Alexander von Sachsen-Weimar, das Protectorat übernommen hat, in Weimar, Altenburg, Meiningen, so in Erfurt und Halle an der Saale, in Wiesbaden und Magdeburg, in Baden-Baden und Karlsruhe, in Dessau und in Kassel, in Hannover und nicht am wenigsten in der herrlichen Limmatstadt Zürich, wo man im vorigen Jahre dem deutschen Verein eine wahrhaft glänzende Stätte bereitete und ihm Tage voll Zauber und Herzlichkeit schuf.
Nicht nur für die Tonkünstler, auch für die Laien, unter denen ja so manche Kenner, ist es hochinteressant, einen schnellen Ueberblick über das reiche Productionsvermögen der Gegenwart gewinnen zu können. Berlioz’s (des stets sehnsüchtig nach Deutschland schauenden geistvollen Franzosen) Symphonien, sein mächtiges Requiem, Liszt’s Oratorien und symphonische Dichtungen, Wagner’s gewaltige Schöpfungen bilden die Glanzpunkte der Tonkünstlerversammlungsprogramme und zeigen, daß die einst geschmähte „Zukunftsmusik“ sich nach und nach Bürgerrecht erworben hat und noch lange der Gegenwart und der Zukunft Freude spenden wird. Aber auch die jungen skandinavischen Tonsetzer, an ihrer Spitze Grieg und Svendsen, die Jungrussen Borodin, Rimsky-Korsakoff, [357] Tschaikowsky, die Belgier Huberti und Lassen, der Italiener Sgambati, die Schweizer Hans Huber („Tell“-Symphonie), Gustav Weber, Edgar Munzinger, der Franzose St. Saëns, der Holländer G. W. Nicolai erregen lebhafteste Theilnahme und zeigen, wie befruchtend die deutsche Tonkunst auf die Außerdeutschen eingewirkt hat. Deutschland ist von jeher neidlos bereit gewesen, alles Gute anzuerkennen, was auch außerhalb seiner Grenzen entstanden ist, und kann solches ruhig thun im Besitze seiner stattlichen Reihe lebender oder jüngst verstorbener Componisten, welche alle aufzuzählen diesmal zu weit führen würde.
Es ist kein geringes Verdienst des Allgememen Deutschen Musikvereins, vielen Tonkünstlern zum ersten bemerkenswerthen Auftreten oder ihren bedeutenden Werken zum Durchbruch verholfen zu haben. So unter Anderem: Albert Becker aus Quedlinburg, jetzt in Berlin lebend, der minerva-ähnlich in die Arena trat: seine glänzende, warmblütige B-moll-Messe (zuerst durch den Riedel’schen Verein 1879 aufgeführt) erregte das Erstaunen der musikalischen Welt. Ein Componist, bis dahin gänzlich unbekannt, der die verwickeltsten polyphonen Formen spielend beherrschte, die gewagtesten Combinationen auf einander thürmte und dabei aus vollem Herzen schrieb!
Das mannhafte Ringen eines zweiten tiefangelegten Tonsetzers, des überaus geistreichen Coburgers Felix Dräseke, hat man seit mehr denn zwanzig Jahren bei verschiedenen Tonkünstlerversammlungen verfolgen können. Fast schien es, als ob es nicht gelingen sollte, ihm gebührende Anerkennung zu verschaffen, da – es war 1878 auf der Versammlung in Erfurt – schlug eine seiner Symphonien (welche schon der selige Julius Rietz hochstellte) glänzend durch; dennoch erlebte die Symphonie nachdem an anderen Orten nicht die gleichen Erfolge und zwar in Folge ungenügender Vorbereitung.
Die letzte Versammlung in Leipzig nun brachte von ihm eine große und schwierige Chorcomposition in einer Aufführung des oben genannten Gesangvereins, und man kann sagen, daß Felix Dräseke mit seinem hochbedeutenden H-moll-Requiem auf der ganzen Linie gesiegt hat. In einem Theaterconcert zündete des Russen Borodin Es-dur- Symphonie, im Krystallpalastconcert Liszt’s Prometheus-Musik.
Aber nicht nur durch interessante Compositionen, nicht nur durch Virtuosen ersten Ranges suchte der Musikverein mit seiner zwanzigsten Tonkünstlerversammlung in Leipzig zu fesseln, sondern er hatte auch den sehr glücklichen Gedanken, dem Fest in den Tagen vom 3. bis 6. Mai durch eine ethnographisch-historische Ausstellung einen ganz besonderen Reiz zu verleihen. Es war ein erster Versuch, und obgleich er erst in zwölfter Stunde unternommen wurde, so ist er doch trotz der Kürze der Zeit und trotz der geringen Mittel, welche zur Verfügung standen, über alles Erwarten glänzend ausgefallen.
Sollte der Erfolg, welchen das Experiment gefunden, denn als ein solches können wir die Ausstellung nur bezeichnen, nicht ein Reizmittel zu weiteren Unternehmungen in dieser Beziehung sein? Die Zeiten der großen internationalen Weltausstellugen sind für unseren Continent vorüber, sie bringen sachlich keinen Nutzen mehr, sie sind für uns nichts anderes, als großartige Komödien, wie auch die letzte Pariser Weltausstellung eine solche gewesen ist. Dagegen hat man den Nutzen und die Vortheile internationaler Fachausstellungen kennen und schätzen gelernt. Sollte da nicht die Idee einer internationalen Ausstellung von musikalischen Hülfsmitteln, welche uns die Musikinstrumente aller Zeiten und Völker, von den Uranfängen an bis zur Gegenwart, in ihrem Sein und Werden vorführte, wohl zu erwägen, und sollte nicht der classische Musikboden Leipzigs die geeignetste Stätte dazu sein? –
Dem Grundgedanken nach zerflel die Ausstellung in zwei Abtheilungen, in eine ethnographische und in eine historische, welche beide eine Fülle interessanten und belehrenden Stoffes boten. Die erste Abtheilung bestand fast ausschließlich aus Gegenständen des „Museums für Völkerkunde“ in Leipzig, während die geschichtliche Abtheilung durch Beiträge, und zum Theil durch sehr werthvolle Beiträge, von Privatpersonen zusammengebracht worden war.
Der Ton ist das materielle Mittel für den musikalischen Ausdruck, welchem im niedrigsten Stadium, bei den rohesten Naturvölkern, schon das Geräusch diente. Um dieses wie jenen hervorzubringen, hat man zu allen Zeiten, selbst den urgeschichtlichen, und bei allen Völkern Instrumente benutzt.
Zu dem rohen Geräusche, dessen sich die sogenannten Naturvölker [358] bedienen, wozu sie die Lärminstrumente, die Rasseln, Klapperhölzer und Klapperstöcke, die Schnarren, Pauken und Trommeln benutzen, zu dem rohen Geräusche, sagen wir, tritt als erstes bildendes Element der Rhythmus hinzu, der zunächst in dem tactmäßigen Klatschen mit den Händen besteht, wie wir es heutzutage noch bei den Tänzen der Eingeborenen Amerikas und denen anderer Naturvölker, wie sogar auch noch bei der von den Völkern des Kaukasus getanzten Lesghinga beobachten können.
Selbst bei den primitivsten Blasinstrumenten, die man am frühesten aus Rohr, Muscheln, Hörnern und bei weiterer Entwickelung aus Thon hergestellt hat, wie man sie noch heutzutage auf den Inseln der Südsee und bei den Völkern Afrikas finden kann, fängt das Geräusch schon an in einen Klang überzugehen, welcher durch die Wahrnehmung, daß gespannte Saiten, in Schwingung versetzt, Töne von sich geben, mit anderen Klängen zum Zusammenklingen benutzt wird. In diesen Lärm- und Klanginstrumenten niedrigster Art, wie sie in den frühesten Zeiten und bei den rohesten Naturvölkern vorkommen, haben wir die Vorbilder für alle unsere modernen Musikinstrumente, die im Wesen durchaus auf jenen beruhen, noch heute dieselben Kategorien aufweisen und sich vor diesen nur durch ihre freilich oft erstaunliche Vervollkommnung auszeichnen.
Alle diese Arten von Instrumenten waren nun in reicher Auswahl auf der erwähnten Ausstellung vertreten, sodaß man sich ein treues Bild von den musikalischen Genüssen der sogenannten „Wilden“ machen konnte.
Da finden wir Trompeten aus Muscheln, Trommeln und Pansflöten von den Fidschi-Inseln, von Neu-Irland, Neu-Seeland und von verschiedenen anderen Eilanden der Südsee; nächst den Maracas, den Rasseln der Eingeborenen Venezuelas, den Klappern und Trommeln der eingeborenen Bevölkerung Amerikas, welche bei deren Tänzen Verwendung finden, wohl die am wenigsten ausgebildeten Musikinstrumente.
Die Panspfeife und die Flöte sind bereits höhere Errungenschaften, aus der Wahrnehmung hervorgegangen, daß es Töne verschiedener Höhe giebt und daß solche durch Pfeifen von größerer oder geringerer Länge, sowie durch Röhren mit Tonlöchern hervorgebracht werden können, wodurch zugleich die Möglichkeit, eine Melodie zu spielen, gegeben ist. Ein Gleiches gilt auch von den Saiteninstrumenten, hier entspricht die Harfe der Panspfeife, ihr schließt sich die Lyra mit ihren gleich langen, aber verschieden gespannten Saiten an, während die Guitarre und Laute das Seitenstück zur Flöte bilden, indem durch Verlängern oder Verkürzen der Saiten mit den Fingern Töne von verschiedener Höhe erzeugt werden. So ist, wie Ambros ganz richtig bemerkt, das Vorkommen von Harfen, Lyren und Lauten ein Kennzeichen, daß der Standpunkt roh naturalistischen Musikmachens[WS 1] überwunden und eine musikalische Cultur erreicht sei.
Bei der amerikanischen Urbevölkerung werden, wie bei den Südsee-Insulanern, nur Schlag- und Blasinstrumente gefunden, Saiteninstrumente sollen bei den wilden Indianern, die noch nicht mit europäischer Cultur Bekanntschaft gemacht haben, fast gar nicht vorkommen; nur die Apaches haben den Harpan – es ist dies ein spanischer Name – mit einer Saite, mit welchem sie ihre Gesänge begleiten. Die auf der Ausstellung befindlichen Guitarren der Eingeborenen von Bolivia und Venezuela, so merkwürdig sie auch sind, namentlich die, bei welchen der Körper aus dem Rücken des Gürtelthieres gefertigt ist, sind daher doch nicht ursprünglich amerikanisch, sondern durch westliche Einflüsse bedingt.
Höher als die amerikanischen Völker und die Völker der Südsee stehen in musikalischer Beziehung die Eingeborenen Afrikas und zwar von West-, wie von Ost-Afrika, die Bantu- und Sudan-Neger, wie auch die hamitischen Völker des Ostens. Außer den Schlag- und Blasinstrumenten, den Trommeln und Hörnern, zu welch letzterer Gattung von Musikinstrumenten auch die Stoßzähne des Elephanten, oft kunstvoll geschnitzt, wie auf der Ausstellung zu sehen war, verwendet werden, findet man nun hier auch die Harfe und Lyra, sowie die Marimba, bei welcher verschieden gestimmte Holzstäbchen durch Anschlägen in tönende Schwingungen versetzt werden.
Nur anführen wollen wir noch von den Naturvölkern die Bewohner der nördlichen Polargegenden, die Eskimos, Lappländer und die verschiedenen tatarischen Stämme mit ihren Zaubertrommeln, die mehr als Lärm-, denn als Musikinstrumente dienen.
Den Uebergang von den Natur- zu den Culturvölkern bildeten auf der Ausstellung die Siamesen und Malayen, welche mehrfach schon von europäischer Bildung beleckt sind, wie die Streichinstrumente, verschiedene Arten von Geigen, Bratschen und Celli von Paraken Salak auf Java beweisen, denen unsere gleichnamigen Instrumente unbedingt zum Vorbild gedient haben, wenn sie auch abgeändert worden sind.
Die Chinesen und Japaner eröffnen den Reigen der Culturvölker, jene zwar origineller, aber auch primitiver, diese weniger ursprünglich, dafür aber entwickelter. Dem Charakter dieser Völker entsprechend ist auch deren Musik. Sie besitzen bereits eine ausgebildete Theorie, sowie eine Notirung, nichtsdestoweniger entsprechen deren künstlerische Productionen nur sehr wenig unserem Geschmacke. Obgleich sie überaus phantastisch sind, so mangelt doch den Chinesen wie den Japanern Gemüth und Phantasie; sie sind reine Verstandesmenschen und in Folge davon ist die Musik bei ihnen auch mehr Wissenschaft, oft scharfsinnig ausgedacht und der Feinheiten nicht ermangelnd, als eine wahre, die Bedürfnisse des Herzens befriedigende Kunst.
Wie alles bei diesen Völkern nach gewissen Doctrinen geht, so bestehen auch für die Musikinstrumente ganz bestimmte Vorschriften, die Gesetzeskraft haben. Auch sie gliedern sich in die schon erwähnten drei Kategorien: in die Schlaginstrumente sowohl aus Metall wie Holz mit Fellbezügen gemacht, in die Blasinstrumente und in die Saiteninstrumente. Complicirtere Instrumente mit Ventilen, Klappen und Claviaturen giebt es weder in China noch in Japan.
Da finden wir in China als das primitivste Instrument die Klapperbrettchen, ferner Pauken und Trommeln, denen mehr Lärm und Geräusch als Töne entlockt werden, weiter Glocken und das wegen seines schönen vollen Tones allerwärts bekannte und bei unseren Theatern viel verwendete Gong oder Tam-Tam, das herzustellen uns bis jetzt noch nicht gelungen ist. Auch klingende Steine, welche reihenweise aufgehängt und mit einem Klöppel geschlagen werden, werden in China zur Hervorbringung von Tönen und als Musikinstrument, „King“ genannt, benutzt. In der Provinz Leang-tscheu giebt es einen solchen Klingstein von ganz besonderer Güte, welcher für so edel und vornehm gehalten wird, daß auf dem aus ihm gefertigten Instrumente, dem „Nio-Kong“, nur der Kaiser spielen darf.
Flöten werden in China aus Bambus hergestellt. Es giebt deren verschiedene Arten; auf einer Flöte kann man immer nur in einer und derselben Tonart blasen, für eine andere Tonart muß man eine andere Flöte nehmen. Auch eine Art von Trompete mit Zungenmundstück, im Tone ähnlich dem unserer Oboe, giebt es.
Die Saiteninstrumente sind sehr verschieden, da giebt es harfen-, guitarren-, lauten- und geigenähnliche mit Saiten aus gedrehter Seide und mit Bezug aus Messingdraht; auch eine Schlagcither kommt vor, das Urvorbild für unser Clavier.
Hinsichtlich der japanischen Musik gilt ganz dasselbe, was wir überhaupt bei allen Aeußerungen geistiger Thätigkeit der Japaner finden, nämlich wie auf allen anderen Gebieten, in Wissenschaft und Kunst, in Industrie und Gewerbe, überhaupt bei allen Erscheinungen der Cultur, so auch hier wenig Urwüchsiges. Das Meiste ist fertig und größtentheils schon hoch ausgebildet aus China und Korea nach Japan eingeführt worden, wo es anfangs mit großer Sorgfalt auf’s gewissenhafteste aufbewahrt, später aber vielfach verändert, verbessert, weiterentwickelt, mitunter aber auch verschlechtert worden ist.
So sind auch die japanischen Musikinstrumente nur Abkömmlinge der chinesischen, die zum Theil ganz in der ursprünglichen Form beibehalten worden sind, wie das Geking, eine Art Guitarre mit Stimmfeder. Auch die japanische „Koto“ ist dem „Kin“, der chinesischen Harfe, die japanische „Biwa“ der chinesischen Laute sehr ähnlich.
Die vom „Museum der Völkerkunde“ zu Leipzig auf der Ausstellung vorgeführte Sammlung japanischer Musikinstrumente war eine ganz vollständige und dürfte, was den Reichthum und die Pracht der Ausstattung der Gegenstände anbelangt, in Europa einzig dastehen. Es sind seltene kostbare Stücke, von auserlesener Arbeit und hohem Werthe, welche dem kaiserlichen Hofe in Tokio angehört haben und von diesem zu Paris auf der Weltausstellung des Jahres 1878 in der japanischen Abtheilung nur ganz kurze Zeit zu sehen waren, wo sie allgemein bei den Beschauern Bewunderung [359] erregten, ein vollständiges Orchester, welches seiner Zeit von dem japanischen Ausstellungscommissar, dem Minister Masayochi Matsugata, im Auftrage der japanischen Regierung dem „Museum für Völkerkunde“ zum Geschenk gemacht worden ist, wo es gegenwärtig einen Hauptanziehungspunkt der reichen Sammlungen des Instituts bildet.
Es sind zunächst Schlaginstrumente, und zwar sowohl aus Metall, wie die „Shôko“, eine runde Metallplatte mit Rändern, welche an einem Holzgerüste hängt und mit zwei Klöppeln geschlagen wird, als auch aus Holz mit Fellbezügen, also Trommeln, wie die „Taikò“, die große Trommel, welche an einem Holzständer aufgehangen ist und mit zwei dicken Klöppeln geschlagen wird, die zur Seite des einen runden Rahmen um die Trommel bildenden Ständers aufgehangen sind, ferner die „Kakko“, die schiefstehende kleine Trommel, welche, auf einem Holzgestelle ruhend, mit zwei Stäbchen geschlagen wird, dann die „Yôko“ oder „Sanno Tsudsumi“, welche aufrecht gestellt wird. Es sind dies sämmtlich Instrumente, welche bei der Aufführung chinesischer oder koreanischer Musikstücke benutzt werden und zu den sogenannten „reinen“, welche ausschließlich bei geistlichen Musikaufführungen gebraucht werden, gehören. Dazu kommen noch bei Aufführung rein altjapanischer Musik die „Tsudumi“, zwei Trommeln, von denen die eine auf der linken Schulter, die andere auf dem Schooße liegt und welche mit den Fingern der rechten Hand geschlagen werden.
Die japanischen Blasinstrumente sind entweder aus Holz oder es werden Muscheln, an denen ein Mundstück von Messing angebracht ist, dazu benutzt. Metall wird nur zur Anfertigung von Zungen-Blasinstrumenten gebraucht. Das Hauptinstrument ist die „Shô“, bestehend aus einer Anzahl von Pfeifen mit Metallzungen, die kreisförmig vereinigt sind und eine Art kleiner tragbarer Orgel bilden, dann sind die „Hidschiriki“, eine Art von Oboe aus Bambus mit Metallzungen, sowie die chinesische Flöte „Ohteki“ und die koreanische Flöte „Komafuye“ zu erwähnen, welche sämmtlich nur für die reine Musik gebraucht werden.
Als Saiteninstrumente werden bei den Japanern eine Anzahl von harfenartigen Instrumenten benutzt, sowie die „Biwa“ und die „Geking“, welche letztere beiden sich mit der Laute und Guitarre vergleichen ließen. Hierzu kommt noch die „Samiseng“, das gewöhnlichste japanische Saiteninstrument.
Die harfenähnlichen Instrumente, welche liegend gespielt werden, zerfallen in die „Sono Koto“, die dreizehnsaitige Harfe, die „Kino Koto“, die siebensaitige, chinesische Harfe, die „Yamata Koto“ oder „Wenggang“, die sechssaitige, altjapanische Harfe, die „Idsumo Koto“ die zweisaitige Harfe, und die „Suma Koto“, ein Monochord. Die Saiten für diese Harfen sind alle aus Seide gedreht und mit Wachs getränkt. Sie sind bei ein und demselben Instrument gleich lang, gleich stark und gleich gespannt, sodaß die Tonhöhe nur durch die Stellung des beweglichen Steges bedingt wird. Zum Stimmen bedient man sich verschiedener Arten von „Stimmgabeln“, es sind aber keine Gabeln, sondern aus Bambus gefertigte Pfeifen, die entweder wie die Panspfeifen oder auch kreisförmig angeordnet sind, Tonlöcher oder auch Metallzungen haben. Zum Spielen der Koto bedient man sich künstlicher Nägel aus Elfenbein, die vermittelst kleiner Lederringe um Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand befestigt werden, während die Linke flach auf den Saiten jenseits der beweglichen Stege aufgelegt wird, um die Saiten nöthigenfalls zur Erzeugung von Zwischentönen durch Druck zu spannen oder durch Zug zu entspannen.
In der Mitte zwischen den „reinen“ und „nicht reinen“ Instrumenten, welche letztere auch für die bei den Nô-Tänzen gebräuchlichen Musikstücke verwendet werden, stehen verschiedene Klappern, Pfeifen, Flöten, Monochorde (Instrumente mit nur einer Saite), die aber mehr Spielzeug sind, als Musikzwecken dienen.
Eine wirkliche Notirung hat, wie schon erwähnt, die japanische Musik, doch besteht sie nur für die „reinen“ Instrumente, die von theoretisch gebildeten Musikern gespielt werden. Dieselben gehören zu der Classe der hochgeachteten Leute, und durfte von jeher die geistliche Musik auch von der Kaste der Daimios gelernt und ausgeübt werden.
Die Indo-Europäer waren auf der Ausstellung durch die sämmtlichen Musikinstrumente vertreten, welche bei den verschiedenen Völkern des Kaukasus, den Grusiern, Armeniern und anderen vorkommen, ferner durch russische, serbische, italienische, griechische und zwar sowohl durch Schlag- wie auch durch Blas- und Saiteninstrumente. Besonders wollen wir nur hervorheben die russische „Balaleika“ und die serbische „Gusla“, von denen uns die Lieder jener Nationen so viel melden, die trotzdem aber bei uns kaum mehr als dem Namen nach bekannt sind. – Von den Instrumenten der semitischen Völker gedenken wir nur des „Schófers“, eines Blasinstrumentes, das noch jetzt beim jüdischen Tempeldienste in Gebrauch ist. Es ist das „Widderhorn“, das auch allgemeiner aus Gutzkow’s „Uriel Acosta“ bekannt ist. Dasselbe ist ganz einfach und besteht aus einem am Ende seines Rohres stark umgebogenen Schalltrichter und wird als heiliges Horn in der Synagoge zum Signalgeben benutzt.
Zum Schluß unserer Wanderung durch die ethnographische Abtheilung der Ausstellung müssen wir noch der „Kantele“ Erwähnung thun, der interessanten altfinnischen Harfe, welcher schon in der Kalewala, dem altfinnischen Nationalepos, gedacht und als deren Erfinder der gewaltige Sänger Wäinämönen im Liede gepriesen wird.
Die zweite Abtheilung der Ausstellung, welche die historischen Instrumente umfaßte, war zwar nicht so reich und mannigfaltig ausgefallen wie die erste, aber darum nicht minder interessant und erstreckte sich bis auf das Neueste des Neuen, bis auf das „Adiaphon“ der Herren Fischer u. Fritzsch in Leipzig, bei welchem die Töne durch Anschlagen von Stimmgabeln erzeugt werden. Namentlich drei Stücke waren es, die sich ganz besonders auszeichneten und die Aufmerksamkeit auch der Musiker von Fach auf sich lenkten. Es waren dies das Clavicymbalum d’amour von Gottfried Silbermann, aus den Jahren 1740 bis 1750, mit zwei Manualen, zwei Registern und Koppel, dreichörig, ferner ein Flügel, sechsoctavig, erbaut im Jahre 1773 von Johann David Schiedmayer, hochfürstlich ansbachischem Instrumentenmacher, und [360] endlich ein Clavier von Erard Frères in Paris, aus dem Jahre 1799 stammend.
Das „Cembal d’Amour“, dessen Erfinder Gottfried Silbermann ist, ist ein historisch hochwichtiges Stück.
Dieses interessante Instrument, kaum gekannt, hatten wir nun Gelegenheit auf der Ausstellung mit eigenen Augen zu sehen und „seine Vorzüge vor anderen Instrumenten und die große Kunst des Verfertigers“ zu prüfen. Der Genuß wurde noch erhöht, wenn der glückliche Besitzer desselben, Herr Opernsänger außer Dienst C. Hertzsch in Leipzig-Eutritzsch, uns dasselbe vorführte, und einen ganz besonderen Reiz hatte es, die alten Menuette darauf gespielt zu hören; man sah dabei in Gedanken die graziösen Figuren des Zeitalters Ludwig’s des Vierzehnten mit gravitätischen Pas vorüberschreiten, oder man wurde recht lebhaft an Mozart’s reizende Schöpfung im „Don Juan“ erinnert.
Ein höchst liebenswürdiges Instrument von poesievollem Tone war das kleine Clavier der Gebrüder Erard aus Straßburg, welche aber im Jahre 1776 nach Paris übersiedelten. Ihnen ist die Verbannung der Registerzüge und die Einführung des Pedales zu danken, nachdem schon vorher durch die Erfindung der Hammermechanik gegen das „Cembal d’Amour“ ein ganz wesentlicher Fortschritt gemacht worden war.
Der Ton dieses einfachen Instrumentes trug einen reizend naiven Charakter an sich, jungfräulich züchtig möchten wir ihn nennen, wie Vater Haydn’s unschuldsvolle, herzerfreuende Muse.
Eine äußerst spannende Situation entwickelte sich, als am 5. Mai nach einer anstrengenden Generalprobe Franz Liszt in seiner unverwüstlichen Frische an den Silbermann’schen Flügel trat und diesen von Herrn Hertzsch sich zeigen und erklären ließ. Mit Schnelligkeit hatte er den Mechanismus des Instruments erfaßt und nun setzte sich der Heros des Pianofortespiels vor das zarte Cembalo und spielte auf dem oberen Manual die Melodie „Eine feste Burg ist unser Gott“, während er auf der unteren Claviatur die Begleitung und Gegenstimmen improvisirte. Wer Liszt’s Schriften kennt, weiß schon von der hohen Verehrung, die der Abbé dem großen Reformator widmet, dazu kommt noch speciell seine Vorliebe für Luther’s erhabene Melodie und deren Bearbeitung durch Sebastian Bach. Mit Recht ist Liszt, der so viele Gegensätze in sich zu einen weiß, die Seele des Allgemeinen Deutschen Musikvereins, welcher letztere übrigens durch die in Folge einer wunderbaren Erbschaft gegründete Beethoven-Stiftung in der Lage ist, seit mehr denn zehn Jahren an Beethoven’s Geburtstag „Ehrengaben“ an verdienstvolle Tonkünstler ertheilen zu können und auch in dieser Beziehung segensreich zu wirken.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Mnsikmachens