Demokraten und Autoritäten (Der Nürnberger Trichter Nr. 14)
„Nur die Autorität nicht verletzen,“ sagten die hohen gelehrten Herren mit dem politischen Heiligenschein, „dann werden wir schon mit den verfluchten Gesellen fertig. Bisher haben wir es grundgescheidt gemacht! Morbleu! das wollten wir sehr meinen! Wenn sie uns aber in die Klauen kommen, ha, alle Teufel! dann geht es ihnen sehr bitter, denn wir haben die Autorität! Was sagt Ihr?“
„Präsentirt’s Gewehr! Versteht sich, wir haben die Autorität!“
Wahre Darstellung des Herrn Dr. Zipperlein, wie er eben nachdenkt, ob denn die Demokraten gar nicht zu ruiniren wären, ohne daß die Autorität der hohen Herren darunter zu leiden hätte. Wuth und Haß erster Qualität kocht in seinem edlen ultramontan-absolutistisch-antiquarischen Herzen. Er beschwört alle Geister der Unterwelt, aber es fällt ihm nichts ein, was ihn sehr frappirt, da er sich zu den Autoritäten rechnet.
Mit wehmuthsvollem Herzen wandert der antiquarische Menschenfreund und Demokratenfeind durch das Polizeigäßlein, da ertheilt der ohne Zweifel ultramontane Himmel seinem heißgeliebten Jünger seinen vollen Segen. Die entsetzlichste Correspondenz fällt in seine Hände. Wuth und Entsetzen allererster Qualität durchorkanisiren sein demokratenfeindliches Herz.
Mit Sturmeseile eilt der Virtuose des Rückschrittes vorwärts. „Jetzt sind sie in den Händen der Autorität!“ jauchzt er in sich hinein. An einem Demokraten vorübereilend, [54] reißt er, um selbst seinen Feinden Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, den Hut höchst freundlich herab und ruft: „Sie verkannten mich, mein Theuerster! aber in kürzester Zeit werden Sie sehen, daß ich Ihr wahrer Freund bin!“
Er stürzt von dannen und in das geheime Conferenzzimmer der hohen, gelehrten Herren von der Autorität.
„Hat ihn schon!“ stammelt der gottselige Doktor und übergiebt, Thränen der ultramontanen Bürgerpflicht vergießend, den Brief.
„Ha, die Nordamerikanische Republik –?!" schreien die hochgelehrten Autoritäten. „Edler Mann!“
„Nur meine grundverfluchte Schuldigkeit!“ sagt der Doktor Zipperlein, die Hand auf’s Herz legend. „Und doch beweine ich das Schicksal der Armen; denn wenn sie auch Demokraten sind, in einer Beziehung sind sie doch auch Menschen! O Gott, wie mich das schmerzt! Unter sechzehn Jahre Festung kommen sie gewiß nicht hinweg!“
„Nicht unter zwanzig Jahre!“ spricht der gelehrteste Herr. „Jetzt müssen wir Autorität zeigen!“
„Ja, jetzt muß man Autorität zeigen!“ sagt der Doktor Zipperlein.
Ein fulminanter Verhaftsbefehl wird sogleich in’s Leben gesetzt. „Man wird ihnen die Morgenröthe zu kosten geben!“ donnert es die Männer der löblichen Polizei an. „Allez, packt an! Ihr habt ohnehin lange Fasttag gehabt.“ Von der Rührung der Gensdarmen und der Doktor Zipperlein’schen Individualität läßt sich keine Beschreibung geben.
Aus den Träumen kommender Guillottinirung, Strangulirung, Kopfabsägung, Spießung, Verbrennung, Oelsiedung und Todhungerung, nebst andern auf kannibalische Principien gebauten, noch weiter auszusinnenden Marterungen werden die Demokraten aus ihren respectiven Betten herausbayonettirt –
angesichts der Frankfurter Morgenröthe, unter Doktor Zipperlein’schem Beileid von dannen in die liebezitternden Gemäuer der Frohnveste und des neuen Thurmes colportirt. –
Hierauf wird sogleich scharfsinnigste Untersuchung angestellt, wobei man die Theorie des Umsturzes in das Praktische versetzt, um hinter die kolossalen Kniffe und Verborgenheiten der Menschheits- und staatsgefährlichen Demokraten zu gelangen.
Da der edle Menschenfreund und Demokratenbeweiner Doktor Zipperlein die Kunde des gelungenen Staatsstreiches hinterbringt, will man ihm sogleich eine Lorbeerkrone aufsetzen, er sagt aber, wenn er eine Krone wünschte, so wäre sie die Märtyrerkrone oder alle andere Art Kronen, worauf sich Absolutisten und Ultramontane einlassen.