Dem Genius der Kühnheit
Wer bist du? wie zur Beute, breitet
Das Unermeßliche vor dir sich aus,
Du Herrlicher! mein Saitenspiel geleitet
Dich auch hinab in Plutons dunkles Haus;
Indeß der Lieder Sturm die Wolken brach,
Dem Rebengott die taumelnden Mänaden
In wilder Lust durch Hain und Klüfte nach.
Einst war, wie mir, der stille Funken
Du braustest so, von junger Freude trunken,
Voll Übermuths durch deiner Wälder Nacht,
Als von der Meisterinn, der Noth, geleitet,
Dein ungewohnter Arm die Keule schwang,
Die Löwenhaut um deine Schulter schlang. –
Wie nun in jugendlichem Kriege
Heröenkraft mit der Natur sich maß.
Ach! wie der Geist, vom wunderbaren Siege
Die stolzen Jünglinge! die kühnen!
Sie legten froh dem Tyger Fesseln an,
Sie bändigten, von staunenden Delphinen
Umtanzt, den königlichen Ozean.
Du Genius der Kühnen! und die Lust,
Den Wundern deines Heldenvolks zu lauschen,
Sie stärkt mir oft die lebensmüde Brust;
Doch weilst du freundlicher um stille Laren,
Wo um die Majestät des Unsichtbaren
Ein edler Geist der Dichtung Schleier webt.
Den Geist des Alls, und seine Fülle
Begrüßte Mäons Sohn auf heil’ger Spur,
Voll Ernstes da, die ewige Natur;
Er rief sie kühn vom dunklen Geisterlande,
Und lächelnd trat, in aller Freuden Chor,
Entzückender im menschlichen Gewande
Er sah die dämmernden Gebiete,
Wohin das Herz in banger Lust begehrt,
Er streuete der Hoffnung süße Blüthe
Ins Labyrinth, wo keiner wiederkehrt,
Der Lieb’ und Ruh’ ein lächelnd Heiligthum,
Er pflanzte dort der Hestariden Kräfte,
Dort stillt die Sorgen nun Elysium.
Doch schrecklich war, du Gott der Kühnen!
Dein heilig Wort, wenn unter Nacht und Schlaf
Verkündiger des ew’gen Lichts erschienen,
Und den Betrug der Wahrheit Flamme traf;
Wie seinen Blitz aus hohen Wetternächten
Der Donnerer auf bange Thale streut,
Der Riesen Sturz, der Völker Sterblichkeit.
Du wogst mit strenggerechter Schaale,
Wenn mit der Toga du das Schwerd vertauscht,
Du sprachst, sie wankten die Sardanapale,
Es schröckt umsonst mit ihrem Tygergrimme
Dein Tribunal die alte Finsterniß,
Du hörtest ernst der Unschuld leise Stimme,
Und opfertest der heil’gen Nemesis.
Verlaß o du der Kühnen Genius!
Die Unschuld nie. Gewinne dir und bilde
Das Herz der Jünglinge mit Siegsgenuß!
O säume nicht! ermahne, strafe, siege!
Bis aus der Zeit geheimnisvoller Wiege
Des Himmels Kind, der ew’ge Friede geht.