Zum Inhalt springen

Debarim Rabba/Parasche 4

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Parasche 3 Debarim Rabba Parasche 5 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
Inhalt Parasche 4

Abschnitt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Auslegung von Dtn 11,26 - 12,20 - 12,20b

Dazwischen Halachot: Halacha 13 - Halacha 14

[55]
.סדר ראה אנכי
Parascha IV.

[1] Halacha.Darf wohl ein Israelit die Strafreden in vielen Abtheilungen lesen (jetzt ein Stück und dann wieder eins)? Die Weisen haben gelehrt:[1] Es darf keine Unterbrechung in den Flüchen eintreten, sondern einer liest sie alle vor. Unsre Rabbinen haben gelehrt: Warum dürfen die Flüche nicht unterbrochen werden? R. Chija bar Gamda sagte: Weil es heisst Prov. 3, 11: „Die Züchtigung

[56] des Ewigen, mein Sohn, verschmähe nicht, und lass dich seine Zurechtweisung nicht verdriessen“ d.i. mache nicht in seinen Strafreden Abtheilungen (Stücke קוצין קוצין), sondern einer lese sie alle vor.

Oder: Warum dürfen die Flüche nicht unterbrochen werden? R. Josua von Sichnin im Namen des R. Levi sagte: Gott sprach nämlich: Ich habe über meine Ehre geschrieben Ps. 91, 15: „Ich bin bei ihm in der Noth,“ es ist nicht recht, dass meine Kinder verflucht werden und ich gepriesen werde. Wie so? Wenn die Strafreden in vielen Absätzen vorgelesen werden, da giebt es kein Ganzes, weil nicht zweimal vor und nach dem Absätze (der Vorlesung) Gott gepriesen wird, darum soll einer alle lesen. Die Rabbinen sagen: Gott sprach: Nicht zu ihrem Nachtheile habe ich ihnen die Segnungen und Flüche gegeben, sondern um ihnen kund zu thun, welches der gute Weg sei, den sie erwählen sollen, damit sie Lohn davon tragen. Woher lässt sich das beweisen? Von dem, was wir Deut. 11, 26 lesen: Siehe, ich lege euch vor“ u. s. w. Das ist auch, was die Schrift Jerem. 14, 15 sagt: „Höret und merket auf, seid nicht hochmüthig!“ Was heisst das: „Höret und merket auf?“ R. Tanchuma sagte: Gott sprach: Höret auf die Worte des Gesetzes und redet nicht Stolzes, „denn der Ewige hat gesprochen.“ Wo hat er gesprochen? Prov. 16, 5: „Dem Ewigen ist ein Gräuel jedes hochmüthige Herz.“
[2] Oder höret auf die Worte des Gesetzes und mache dein Ohr nicht hoch, um die Worte des Gesetzes zu hören, „denn der Ewige hat gesprochen.“ Wo hat er gesprochen? Prov. 28, 9: „Wer sein Ohr abwendet, um das Gesetz nicht zu hören, dessen Gebet ist auch ein Gräuel.“ Oder höret auf die Worte des Gesetzes, merket auf die Worte des Gesetzes. Was heisst: „Und sei nicht hochmüthig?“ Machet das Gute nicht zu hoch, damit es in die Welt herabkommen kann. „Denn der Ewige hat gesprochen.“ Wo hat er gesprochen? Jes, 1, 19. 20: „Wenn ihr wollt und gehorchet, sollt ihr das Beste des Landes geniessen, wenn ihr euch aber weigert und widerspenstig seid, werdet ihr vom Schwerte verzehrt werden, der Mund des Ewigen hat es gesprochen.“ Was heisst das: „Wenn ihr euch aber weigert und nicht gehorcht“ u. s. w. R. Eleasar sagte: Das Schwert und das Buch sind aneinander zusammengebunden vom Himmel herabgekommen. Gott sprach zu ihnen: Wenn ihr das thut, was in dem Buche geschrieben ist, so werdet ihr von dem Schwerte errettet werden, wenn ihr es aber nicht thut, so werdet ihr von dem Schwerte erwürgt werden.

Oder: „Wenn ihr euch aber weigert und nicht gehorchet.“ R. Levi sagte: Es verhält sich damit, wie mit einem Knechte, zu dem sein Herr sprach: Hier ist ein goldenes Halsband[2] (wenn du meinen Willen thust), wo nicht, so sind hier eiserne Fesseln. Gott sprach so zu den Israeliten: Wenn ihr meinen Willen thut, siehe, [57] da ist das Gute und der Segen, wo nicht, siehe, da ist der Fluch. Siehe, es sind zwei Wege vor euch. „Siehe, ich lege euch heute vor Segen und Fluch.“

[3] Oder: „Siehe, ich“ u. s. w. R. Eleasar sagte: Nachdem Gott dieses Wort am Sinai gesprochen hatte, in diesem Augenblicke (bestätigte sich) Thren. 3, 38: „Aus dem Munde des Höchsten kommt nicht das Böse und das Gute,“ sondern das Böse kommt über den Uebelthäter und das Gute über den Wohlthäter. Oder Chaggi sagte: Nicht nur, dass ich euch zwei Wege vorgelegt habe, sondern ich bin innerhalb der Rechtsgrenze geblieben und habe euch gesagt Deut. 30, 19: „Wähle das Leben.“ [4] Oder: Was steht vorher? „Wenn ihr beobachtet alle diese Gebote.“ (Deut. 11, 22). Was heisst das: „alle diese Gebote?“ R. Levi sagte: Das ist das Lesen des Abschnittes Schema, die Rabbinen sagen: es ist der Sabbath (die Sabbathheiligung), der ebenso wichtig ist (so schwer ins Gewicht fällt), als alle Gebote in der Thora.

Oder: „Wenn ihr beobachtet.“ Bar Kapra sagte: Die Seele und das Gesetz werden mit einer Leuchte verglichen, von jener heisst es Prov. 20, 27: „Eine Leuchte des Ewigen ist die Seele des Menschen,“ und von der Thora heisst es das. 6, 23: „Denn eine Leuchte ist Gebot und Gesetz (Lehre) Licht.“ Gott sprach zu dem Menschen: Meine Leuchte ist in deiner Hand und deine Leuchte ist in meiner Hand, nämlich meine Leuchte ist in deiner Hand d. i. die Thora, und deine Leuchte ist in meiner Hand d. i. die Seele, bewahrst du meine Leuchte, so bewahre ich auch deine Leuchte, löschest du aber meine Leuchte aus, so lösche ich auch deine Leuchte aus, wie es heisst: „Nur hüte dich und hüte sehr deine Seele.“ Und das soll gesagt sein mit den Worten: „Wenn ihr beobachtet“ u. s. w.

Oder R. Simeon sagte: Womit ist das zu vergleichen? Mit zwei Menschen, von denen der eine einen Weinberg in Galiläa hatte u. s. w. Ebenso sprach auch Gott zum Menschen: Meine Lehre ist in deiner Hand, und deine Seele ist in meiner Hand, behütest du das Meinige, so behüte ich das Deinige, verlierst du aber das Meinige, so lasse ich auch das Deinige verloren gehen.[3] Das ist der Sinn der Worte: „Wenn ihr beobachtet“ u. s. w. Oder R. Jehuda bar Sima sagte: Wenn du die 248 Gebote hältst u. s. w. bis zu den Worten: עד נשברה.

Oder: Was heisst: „Wenn ihr beobachtet?“ Gott sprach: Wenn ihr die Worte des Gesetzes bewahret, so bewahre ich euch vor schädlichen Geistern. R. Abba bar Sera sagte: Es giebt kein Feld von der Aussaat eines Viertel von einem Kab im Zwischenraum der Welt, in welchem sich nicht viele Tausende schädliche Geister finden, jedem ist eine Maske (Larve) über sein Gesicht gegeben, damit er den Menschen nicht erblicke und ihn schädige. Verschulden es aber die Sünden der Menschen, so nimmt er die Larve [58] von seinem Gesichte hinweg, schaut ihn an und fügt ihm Schaden zu. Woher lässt sich das beweisen? Es heisst Ps. 55, 19: „Er erlöst in Frieden meine Seele im Kampfe gegen mich“ u.s.w. Wann? Wenn viele mit mir sind. Und wer sind diese? Die Engel, welche den Menschen behüten. R. Josua ben Levi sagte: Das Bildniss geht vor dem Menschen einher und Herolde rufen vor ihm aus. Was sprechen sie? Machet Platz für das Bildniss Gottes! Siehe, wie viele Hüter du hast, welche dich behüten! Wann? In der Stunde, wo du die Worte der Thora beachtest.

Siehe, ich habe dir vorgelegt zwei Wege, Segen und Fluch, Segen, wenn ihr meinen Worten gehorchet, Fluch, wenn ihr ungehorsam seid. [5] Gott sprach: Höret auf mich! denn kein Mensch, der auf mich hört, erleidet Schaden. Die Rabbinen sagen: Du findest, dass mancher seinem Weibe folgt und Schaden erleidet, und mancher ihm folgt und Lohn (Vortheil) davon hat. Wie so? Der erste Mensch folgte seinem Weibe und hatte Schaden davon. Woher lässt sich das beweisen? Es heisst Gen. 3, 17: „Zu Adam sprach er: Weil du gehorchet der Stimme deines Weibes“ u. s. w. R. Jizchak sagte: Womit ist das zu vergleichen? Mit einem König, der zu seinem Knechte sprach: Koste nichts, bis ich aus dem Bade komme, aber sein Weib sprach zu ihm: Koste einmal dieses Gericht, damit es nicht an Salz oder an Brühe[4] daran fehle. Der König kam aber dazu und fand Spuren von dem Gerichte auf seinen Lippen. Habe ich dir nicht gesagt, sprach der König zu ihm, du solltest nicht essen und dennoch hast du gegessen. Mein Herr! sprach er zu ihm, deine Magd hat mir gegeben. Der König sprach zu ihm: Du folgst also meiner Magd mehr als mir? Ebenso sprach Gott zu Adam: „Von dem Baume der Erkenntniss des Guten und Bösen sollst du nicht essen.“ Was that Eva? Sie gab ihm davon zu essen. R. Abia sagte: Sie kam mit Weinen und Jammern über ihn mit ihrer Stimme und er ass davon[5], denn so heisst es: „auf die Stimme deines Weibes.“ Es heisst nicht: auf die Worte deines Weibes, sondern: „auf die Stimme deines Weibes.“ Gott fragte ihn: „Hast du von dem Baume gegessen, wovon ich dir gebot, nicht davon zu essen?“ Mein Herr! antwortete Adam, deine Magd hat mir gegeben. Woher lässt sich das beweisen? Es heisst das. V. 12: „Und Adam sprach: Das Weib, das du mir zur Seite gegeben, gab mir von dem Baume und ich ass.“ Gott sprach zu ihm: Du hast also der Eva mehr Gehorsam geleistet als mir, und er wurde sofort aus dem Garten Eden gestossen, wie es heisst das. V. 24: „Und er vertrieb den Menschen und stellte östlich vor dem Garten Eden die Cherubim mit der Flamme des zuckenden Schwertes, zu bewahren den Weg zum Baume des Lebens,“ Siehe, das

[59] ist der, welcher auf sein Weib hört und Schaden davon hat. Wiederum hört einer auf sein Weib und er hat Lohn (Vortheil) davon d. i. Abraham, wie es heisst das. 16, 2: „Sarai sprach zu Abraham: Siehe, der Ewige hat mich verschlossen, dass ich nicht gebäre, komme zu meiner Magd, vielleicht werde ich von ihr erbaut. Und Abraham gehorchte der Stimme Sarais.“ R. Samuel bar Nachman sagte: Womit ist das zu vergleichen? Mit demjenigen, welchem ein Sohn geboren worden war, den aber ein Sterndeuter sah und sagte: Dieser Knabe wird einst ein Räuberhauptmann werden, daher soll sein Vater ihn fortwerfen (aussetzen). Sein Vater hörte es und sprach: Meinen Sohn soll ich fortwerfen (aussetzen)? Der Vater jenes Sterndeuters hörte es und sprach: Alles, was euch mein Sohn gesagt hat, befolget. Ebenso sah Sara, dass Ismael ausarten würde, und sie sprach zu Abraham: Treibe diese Magd mit ihrem Sohne fort! es missfiel aber dem Abraham. Da offenbarte Gott ihm aber und sprach zu ihm: Lass es dich wegen des Knaben und deiner Magd nicht verdriessen, alles was dir Sara sagt, höre auf ihre Stimme. Er gehorchte ihrer Stimme und hatte den Lohn (Vortheil) davon, dass seine Nachkommenschaft nach dem Namen Jizchaks wird, wie es heisst Gen. 21, 12: „Denn nach Jizchak soll dein Same genannt werden.“ Gott sprach: Wenn nun schon derjenige, welcher seinem Weibe folgt, einen solchen Lohn davon hat, um wieviel mehr erst derjenige, der mir folgt! Der König Salomo spricht dieses deutlich mit den Worten aus Prov. 1, 33: „Wer auf mich hört, wird sicher wohnen und ruhig vor der Furcht des Unglücks.“

[6] Cap. XII. V. 20. Wenn der Ewige, dein Gott, erweitern wird.
Halacha. Darf wohl ein Israelit das Blut eines am Festtage geschlachteten Thieres zudecken? So haben die Weisen gelehrt. Wer ein Thier oder einen Vogel am Festtage schlachtet, soll nach Schamais Schule mit der Lanze ein Loch in die Erde graben und dann das Blut zudecken, nach Hilleis Schule dagegen soll er überhaupt gar nicht schlachten, ohne Erde (Staub) in Bereitschaft zu haben. R. Chaggi im Namen des R. Acha sagt: Wer nicht Erde in Bereitschaft hat, der soll nicht schlachten. Warum? Weil der Unterschied zwischen einem Festtag und einem Sabbath nur darin besteht, dass an jenem die Speise zubereitet werden darf (an diesem nicht). Darum muss der, welcher am Festtage schlachtet, Erde in Bereitschaft haben, um das Blut damit zuzudecken. R. Bisna im Namen des R. Acha sagte: Komm und sieh! Gott sprach: Was ich dir betreffs der Hausthiere verboten habe, das habe ich dir betreffs der Feldthiere u. s. w. bis zu den Fischen herab, erlaubt. Die Rabbinen sagen: Viele Dinge hat Gott an der einen Stelle verboten und an einer andern wieder erlaubt. Du kannst es daraus erkennen, Gott hat den Israeliten verboten, nicht eher zu schlachten und zu essen, als bis es vor die Thür des Stiftszeltes gebracht ist,

[60] wie es heisst Lev. 17, 9: „Und vor die Thüre des Stiftszeltes nicht bringet, es dem Ewigen darzubringen als Opfergabe. ... Derselbige Mann werde ausgerottet von seinem Volke.“ Was steht ferner daselbst V. 4: „Und vor die Thüre des Stiftszeltes nicht bringet, um es darzubringen als Opfergabe dem Ewigen vor der Wohnung des Ewigen, selbigem Manne soll Blut zugerechnet werden und derselbige Mann soll ausgerottet werden aus seinem Volke.“ Und hier hat er es ihnen wieder erlaubt, wie es heisst Deut. 12, 15: „Doch magst du nach aller Lust deiner Seele schlachten und Fleisch essen, nach dem Segen des Ewigen, deines Gottes, den er dir giebt in allen deinen Thoren; der Unreine und der Reine mag es essen“ u. s. w. Woher lässt sich das beweisen? Von hier, wo es heisst: „Wenn der Ewige, dein Gott, dein Gebiet erweitert.“

Oder: „Wenn der Ewige, dein Gott, erweitert“ in Verbindung mit Ps. 31, 8: „Ich juble und freue mich in deiner Gnade, dass du mein Elend gesehen, erkannt meiner Seele Drangsal und mich nicht in die Hand des Feindes überliefert, ins Weite gestellt meinen Fuss.“ Dieser Vers, sagen die Rabbinen, handelt von Joseph. Er sprach: Herr der Welt! ich juble und freue mich über deine Gnade, die du mir erwiesen d. i. wenn du mich auch von der Potiphera, jenem Weibe, befreit und mir nicht die Herrschaft (Gewalt) verliehen hättest, würde ich dennoch frohlocken und mich gefreut haben und nun erst, wo du mir die Herrschaft hast zu Theil werden lassen, „wie frohlocke ich da und freue mich in deiner Gnade, da du mein Elend gesehen.“ Das ist Joseph, von dem geschrieben steht Ps. 105, 18: „Sie zwangen in Fessel seinen Fuss, in Eisen kam seine Seele.“ „Du hast mich nicht in die Hand des Feindes überliefert“ d. i. Potiphera, „ins Weite hast du gestellt meinen Fuss,“ denn du hast mich zum Machthaber über ganz Aegyptenland erhoben, wie es heisst Gen. 42, 6. 7: „Joseph war Machthaber im Lande, er war es, der Getreide verkaufte allem Volke des Landes. Und es kamen die Brüder Josephs und beugten sich vor ihm mit dem Antlitz zur Erde.“ Und als Joseph seine Brüder sah, erkannte er sie, aber er verstellte sich vor ihnen und er redete hart mit ihnen und sprach zu ihnen: Woher kommt ihr? Und sie sprachen: Vom Lande Kanaan, um Speise zu kaufen.

[7] Oder: „Ich will frohlocken und mich freuen in deiner Gnade.“ Dieser Vers redet von Israel. Die Israeliten sprachen: Herr der Welt! ich juble und freue mich in deiner Gnade, die du an uns gethan hast. Wenn du uns von den Aegyptern befreit und uns nicht ihr Geld gegeben hättest, würden wir schon fröhlich sein, Frohlocken und Freude aber ist uns, da du uns ihr Geld gegeben hast, weil du mein Elend gesehen hast (d. i. das Elend der Israeliten), von denen geschrieben steht Deut. 26, 67: „Die Aegypter misshandelten uns und drückten uns und legten auf uns harte Arbeit. Da schrieen wir zum Ewigen, dem Gotte unsrer Väter, und der Ewige erhörte unsre Stimme und sah unser Elend und unser Mühsal“ u. s. w. „Du

[61] kanntest die Noth meiner Seele,“ nämlich die Noth der Israeliten, von denen es heisst: „Sie verbitterten ihnen ihr Leben, und du hast mich nicht in die Gewalt des Feindes überliefert d. i. des ruchlosen Pharao,“ von dem es heisst Ex. 15, 9: „Der Feind sprach: ich verfolge sie,“ „und du hast meinen Fuss in weiten Raum gebracht d. i. du hast mein Gebiet erweitert, wie es hier heisst: „Wenn der Ewige, dein Gott erweitert“ u. s. w.

[8] Oder: „Wenn der Ewige, dein Gott, dein Gebiet erweitert“ in Verbindung mit Prov. 18, 16: „Geschenke verschaffen dem Menschen Raum und vor die Grossen führen sie ihn.“ Einst gingen unsere Rabbinen, R. Elieser und R. Josua, Beiträge zu einem guten Werke zu sammeln nach Chultha in Antiochia[6]. Dort war ein Mann, Abba Judan genannt, welcher unseren Rabbinen mit voller (weiter) Hand zu geben pflegte. Abba Judan aber war arm geworden. Als er R. Elieser und R. Josua wieder milde Beiträge zu einem guten Werke einsammeln sah, versteckte er sich vor ihnen, ging nach Hause, blieb da zwei Tage und ging nicht auf die Strasse. Warum bist du schon, fragte ihn sein Weib, seit zwei Tagen nicht auf die Strasse gegangen? Weil unsere Rabbinen gekommen sind, antwortete er ihr, neue Beiträge zu einem guten Werke für die Thorabeflissenen (für die, welche sich mit der Thora bemühen) zu sammeln und ich nicht in der Lage bin, ihnen zu geben, so schäme ich mich, auf die Strasse zu gehen. Sein Weib, welches gern gemeinnützig wirkte (eig. welches die guten Werke liebte), sprach zu ihm: Es ist uns noch ein Feld übrig geblieben, verkaufe die Hälfte und gieb ihnen den Erlös. Er befolgte den Vorschlag (eig. er ging und that so), verkaufte die Hälfte des Feldes um fünf Goldstücke und gab sie unseren Rabbinen mit den Worten: Betet für mich! Sie beteten für ihn und sprachen zu ihm: Gott ersetze dir deinen Mangel! Unsere Rabbinen gingen hierauf an einen andern Ort, um milde Beiträge einzusammeln. Abba Judan pflügte die andere Hälfte seines Feldes und fand darin einen grossen Schatz, durch welchen er reicher wurde, als er vorher gewesen war. Auf dem Rückwege kamen unsere Rabbinen an demselben Ort vorbei und sie sprachen zu einem andern Manne: Bei deinem Leben, führe uns mit Abba Judan zusammen! Der Mann antwortete ihnen: Wer kann sich mit ihm stellen, mit dem Könige, und nicht mit ihm. Sie sprachen zu ihm: Wir wollen nicht hier vorübergehen, ohne dass er es weiss und dass wir ihn nicht begrüsst haben. Als Abba Judan erfuhr, kam er zu ihnen und gab ihnen 1000 Goldstücke mit den Worten: Euer Gebet hat Früchte getragen! Sie sagten darauf: Wir kannten deine guten Werke und haben dich in dem Verzeichniss oben angesetzt (damit alle es sehen). Unsere Rabbinen wandten auf ihn obigen Spruch an: „Geschenke verschaffen dem Menschen Raum und vor die Grossen führen sie ihn.“

R. Chija hatte eine Spende dem grossen Lehrhause zu Tiberias [62] gelobt und einer hatte eine Litra Gold bestimmt, da nahm ihn R. Chija und setzte ihn neben sich und wandte auch auf ihn obigen Spruch an: „Geschenke verschaffen dem Menschen Raum.“

Resch Lakisch ging nach Bozra, wo ein Mann Namens Abia Rama war. Er hiess so, nicht etwa, weil er ein Betrüger war, sondern weil er mit den guten Werken Täuschung trieb. Wenn eine Versammlung eine Summe zu irgend einem guten Zwecke bestimmt hatte, so bewilligte er eine gleiche Summe wie die ganze Versammlung. Warum? (Damit die andern auch so viel geben sollten). Da gab daselbst Resch Lakisch den Ausschlag und er gab so viel wie die ganze Versammlung. Resch Lakisch nahm ihn, setzte ihn neben sich und wandte denselben Spruch auf ihn an: „Geschenke verschaffen dem Menschen Raum und vor die Grossen führen sie ihn.“

R. Abuhu sagte: Wozu brauche ich die Beweise anders woher zu holen, nimm sie von hier. Was steht oben Deut. 12, 19 vorher? „Hüte dich, dass du den Leviten nicht verlässest“ und gleich darauf folgt V. 20: „Wenn der Ewige, dein Gott, dein Gebiet erweitert, sowie er dir geredet [9] und du sprichst: Ich möchte Fleisch essen, weil deine Seele gelüstet Fleisch zu essen, so magst du nach aller Lust deiner Seele Fleisch essen.“ In Verbindung mit Ps. 146, 7: „Er verschafft Recht den Unterdrückten, giebt Brot den Hungrigen, der Ewige löset die Gefesselten.“ Das bezieht sich auf die Israeliten. R. Pinchas bar Chania sagte: Hieraus geht hervor, dass in Aegypten mehr als 70 Völkerschaften waren und von allen wurde keine so sclavisch behandelt als Israel. Und wer verschaffte ihnen Recht? „Er schafft den Unterdrückten Recht und giebt den Hungrigen Brot“ d. i. den Israeliten. Woher lässt sich das beweisen? Es heisst Deut. 8, 3-5: „Er liess dich hungern und speiste dich mit Man, was du nicht kanntest und deine Väter nicht kannten, um dich erkennen zu lassen, dass er nicht vom Brot allein leben soll, sondern von allem, was aus dem Munde des Ewigen hervorgeht, soll der Mensch leben. Dein Gewand veraltete nicht an dir und dein Fuss schwoll nicht diese vierzig Jahr. Und so erkenne in deinem Herzen, dass, sowie ein Mann seinen Sohn züchtigt, der Ewige dich gezüchtigt hat.“ „Der Ewige löst die Gefesselten.“ Das sind die Israeliten. Wie so? Die Rabbinen sagen: Acht Dinge hat Gott ihnen verboten und ebenso viele auch wieder erlaubt. Ich habe dir, sprach Gott, Unschlitt verboten u. s. w. bis Schaufäden[7], das wollen die Worte sagen: יהוה מתיר אסורים der Ewige erlaubt das Verbotene. Weiterhin hat er ihnen das Fleisch zur Lust verboten und hier hat er es ihnen erlaubt, wie es heisst V. 20: „Doch magst du mit aller Lust deiner Seele schlachten und Fleisch essen.“ [10] Oder: Was steht vorher? „Hüte dich, dass du den Leviten nicht verlässest.“ Darauf folgt: „Denn der Ewige, dein Gott, wird dir dein Gebiet erweitern.“ R. Levi sagte: Womit ist das zu vergleichen?

[63] Mit demjenigen, welcher zu seinem Nächsten sprach: Borge mir ein Goldstück, und dieser antwortete ihm: Ich kenne deine Rechnung nicht (weiss nicht, ob du bezahlst). Jener sprach: Stelle mich auf die Probe! Er gab es ihm und er bezahlte es ihm auch sehr bald. Da sagte er zu ihm: Wenn du 20 bis 30 Goldstücke brauchst, jetzt kannst du sie bekommen (eig. hole sie dir). Was ist die Ursache (welchem Umstände hast du es zu danken), alles das zu holen, was du willst? Weil du mir eine gute Rechnung gemacht (mich pünktlich bezahlt) hast. So auch, wenn der Mensch sich verpflichtet und seine Zehnten absondert, wie es sich gehört, da erweitert sich sein Gebiet. Hier siehst du, nach deiner Gabe wird dir auch der Raum gemessen.

[11] Oder: „Wenn der Ewige, dein Gott, erweitert.“ Ist es denn möglich, dass Gott das Land Israel erweitert? R. Jizchak sagte: Diese Rolle kennt der Mensch nicht, wie lang und wie breit sie ist (so lange sie zu ist), sowie sie aber aufgerollt ist, kennt er sie. So auch das Land Israel, was meistens Berg und Hügel hat, wie es heisst Deut. 11, 11. 12: „Das Land, dahin ihr zieht, es einzunehmen, ist ein Land mit Bergen und Thälern, vom Regen des Himmels trinket es Wasser; ein Land, worauf der Ewige, dein Gott, Acht hat, auf welches die Augen des Ewigen, deines Gottes, beständig sehen, vom Anfange des Jahres bis Ende des Jahres“ d. i. wenn es Gott plant (die Berge und Hügel ebnet). Woher lässt sich das beweisen? Es heisst Jes. 40, 4: „Jedes Thal werde erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt; es werde die Anhöhe zur Ebene und die Abstürze zum Blachfeld.“ Dann erkennst du, was an dem Lande ist.

Oder: „Wenn der Ewige, dein Gott, erweitert.“ Die Rabbinen sagen: Hier ist von Jerusalem die Rede. Wer kann die Wohlhabenheit Jerusalems sehen? Wenn Gott es erweitert. R. Samuel bar Nachman sagte: Womit ist das zu vergleichen? Mit einem Lande u. s. w. Mal. 3, 4 heisst es: „Dann sind wohlgefällig dem Ewigen das Opfer Jehudas und Jerusalems, wie in den Tagen des Alterthums und wie in den Jahren der Vorzeit. V. 25. Siehe, ich sende euch den Propheten Elia, ehe der Tag des Ewigen kommt, der grosse und furchtbare. V. 26. Und er wird der Väter Herz zu den Söhnen wenden und der Söhne Herz zu ihren Vätern, damit ich nicht komme und das Land mit Verbannung schlage. V. 1. Sieh, ich sende meinen Engel, dass er den Weg bereite vor mir her; und plötzlich kommt zu seinem Tempel der Herr, den ihr begehret und der Engel des Bundes, den ihr wünschet, sieh, er kommt, spricht der Ewige der Heerschaaren.“ Es heisst Sach. 1, 16. 17: „Darum spricht der Ewige: Ich kehre mich zu Jerusalem mit Erbarmen; mein Haus soll darin gebaut werden, spricht der Ewige der Heerschaaren und die Messschnur über Jerusalem. Noch rufe aus und sprich: So spricht der Ewige der Heerschaaren: Fürder sollen meine Städte überfliessen vom Guten, und Jerusalem tröstet [64] fürder Zion und erwählet fürder Jerusalem,“ Das. 9, 9: „Frohlocke sehr, Tochter Zions, jauchze, Tochter Jerusalems! Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht und ein Helfer, sanftmüthig und reitend auf einem Esel, auf einem Füllen, der Eselin Sohn.“


  1. S. Megilla Ende.
  2. In Jalkut z. d. St. steht נזמי זהב für מונייק זהב.
  3. Vergl. Midrasch Mischle.
  4. מוריים ἁλμυρίς, muria Salzbrühe, Pökel, worin Thunfische eingemacht werden. S. Aboda sara fol. 34a.
  5. Vergl. Midr. Bereschit r. Par. 19.
  6. S. Midr. Wajikra r. Par. 5.
  7. Die Ausführung s. Midr. Wajikra r. Par. 5.
« Parasche 3 Debarim Rabba Parasche 5 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).