De vulgari eloquentia/I. Buch – Siebzehntes Kapitel
Warum wir aber diese Mundart, welche wir gefunden haben die erlauchte, Angel-, Hof-, und Rechtssprache benennen wollen, ist jetzt auseinanderzusetzen, wodurch wir Das, was sie selbst ist, deutlicher erklären werden. Zuerst wollen wir denn beleuchten, was wir damit meinen, wenn wir sie erlaucht betiteln, und warum wir sie so nennen. Durch Alles, was wir erlaucht nennen, verstehen wir Etwas, das erleuchtend und erleuchtet vorglänzt. Auf diese Weise nennen wir Männer erlaucht, theils weil sie durch Macht stralend Andre durch Gerechtigkeit und Menschenliebe erleuchten, theils weil sie als treffliche Obrigkeiten trefflich walten wie Seneka und Numa Pompilius. Und die Volkssprache, von welcher wir sprechen, ist theils erhöht durch Obrigkeit und Macht, theils erhöht sie die Ihrigen durch Ehre und Ruhm. Durch Obrigkeit scheint sie nämlich erhöht, weil wir sehen, daß sie aus so vielen rohen lateinischen Worten, aus so vielen verwirrten Wortfügungen, aus so vielen mangelhaften Aussprachen, aus so vielen bäurischen Betonungen, als eine so ausgezeichnete, so entwirrte, so vollkommne und so gebildete erwählt ist, wie Cino von Pistoja und dessen Freund in ihren Kanzonen zeigen. Daß sie aber durch Macht erhoben sei, ist deutlich; und was hat größere Macht, als sie, die menschliche Herzen bewegen kann? sodaß sie den Nichtwollenden wollend und den Wollenden nichtwollend macht, wie sie es gethan hat und thut. Daß sie aber mit Ehre erhebt, ist leicht zu sehen. Ueberwinden nicht ihre Hausgenossen Könige, Markgrafen und Grafen und alle Magnaten an Ruhm? Das bedarf wahrlich
[125] des Beweises nicht. Wie sehr sie aber ihre Freunde berühmt mache, wissen wir selbst, die wir durch die Süßigkeit dieses Ruhms unsre Verbannung mildern; daher dürfen wir sie mit Recht erlaucht nennen.