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Das versunkene Kloster

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Textdaten
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Autor: Friedrich Gottschalck
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Titel: Das versunkene Kloster
Untertitel:
aus: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, S. 122–127
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1814
Verlag: Hemmerde und Schwetschke
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Erscheinungsort: Halle
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Das versunkene Kloster.

Nahe bei dem Flecken Neuenkirchen, im finstern Odenwalde, liegt in einem einsamen Wiesenthale ein kleiner See.

Wenig gekannt und wenig besucht ist die Gegend umher; denn es ist so heimlich da, und der finstere Tannenwald an des See’s Ufern hat gar etwas Schauerliches und Melancholisches. Auch ist das Wasser unergründlich tief, und man fürchtet sich deshalb noch mehr davor.

Von diesem See wird folgende Sage erzählt:

Vor vielen hundert Jahren stand auf der Stelle, wo jetzt das Wasser ist, ein Frauenkloster. In einer stürmischen Nacht kam einst, ganz abgemattet, ein armer alter Mann vor die Pforte desselben. Er klopfte an, und bat um ein Obdach. Die Pförtnerin war eine gar gemächliche Person und harten Herzens. Ihr war es zu umständlich und zu kalt, die Schlösser und Riegel nochmals zu öffnen. Sie hieß daher mit harten Worten den alten Mann weiter gehen. Das war aber dem vor Frost und Ermattung zitternden Greise nicht möglich. Er bat nochmals, er jammerte und winselte, aber alles umsonst. Selbst die Priorin und alle Mitschwestern wiesen ihn hart ab.

Nur eine Laienschwester, die noch nicht das Gelübde des Ordens abgelegt hatte, nahm sich des alten Mannes an, und bat die andern, ihn einzulassen. Aber man lachte sie aus, spottete ihrer, und die Pforte blieb dem Wanderer verschlossen.

Plötzlich erhob sich ein grausendes Unwetter. Der alte Mann berührte mit seinem Stabe die Klostermauer, und hinab in die Tiefe versank im Nu das ganze prächtige Kloster. Erst sprühten Feuerflammen aus der Tiefe herauf, dann füllte sich die weite Oeffnung mit Wasser, und am andern Morgen sah man erstaunt da einen See, wo Tags zuvor noch die schönen Glockenthürme mit ihren goldenen Kreuzen im Sonnenschein gefunkelt hatten.

Schon längst hatte jene gutmüthige Laienschwester in traulichen Verhältnissen mit einem der edelsten Ritter des Gaues gelebt. Sie liebte ihn, und wollte daher auch nicht im Kloster bleiben, und er kam sehr oft bei nächtlicher Weile zum einsamen Kloster. Wenn dann alles rings umher schlief, sprach er durchs Gitter der Zelle mit seinem Liebchen, und oft ging er erst mit Tagesanbruch wieder heim.

Auch in dieser stürmischen Nacht kam er. Aber, wie bebten seine Glieder, wie zitterte er vor Schmerz und Kummer, als er sein geliebtes Kloster nicht mehr sah, und nur Wasser vor sich rauschen hörte. Er rang die Hände, jammerte, rief den Namen seiner Geliebten, daß es weit und breit wiederhallte, und sprach:

„Nur noch ein Mal kehre zurück in meine Arme!“

Da vernahm er eine Stimme aus der Tiefe des See’s, die sprach:

„Morgen um die eilfte Stunde der Nacht kehre wieder zu dieser Stätte. Auf der Oberfläche des Wassers gewahrst du dann einen Faden von blutrother Seide. Nimm ihn auf und zieh’ ihn empor.“

Die Stimme verhallte. Traurig schlich der Ritter nach Hause, unwissend, was sein Schicksal seyn werde. Aber zur bestimmten Stunde kam er wieder, und that, wie die Stimme ihm geheißen.

Zitternd ergriff er den blutrothen Faden, zog ihn auf, und – da stand die Geliebte vor ihm.

„Das unergründliche Schicksal,“ sprach sie, „das mich Schuldlose mit den Schuldigen versenkte, vergönnt mir, dich in jeder Nacht von der eilften bis zwölften Stunde zu sprechen. Nie darf ich aber diese bestimmte Zeit überschreiten, sonst siehst du mich nie wieder. Auch darf mich, außer dir, keines Mannes Auge erblicken, sonst schneidet eine unsichtbare Hand den Faden meines Lebens entzwei.“

Lange, lange setzte nun der Ritter seine nächtlichen Besuche fort, und immer stieg sein Liebchen aus den blauen Wellen zu ihm herauf, wenn er den blutrothen Faden zog. Sie waren beide eben so glücklich in diesen geheimnißvollen Verhältnissen, als unbesorgt, sie jemals zerstört zu sehen. Aber Neid und Mißgunst belauschten des Ritters Schritte, und ein anderer Mann hatte die Liebenden Arm in Arm am Ufer des See’s wandeln sehen. Als sich nun der Ritter in der folgenden Nacht beim vollen Monde dem lieben See wieder nahte, ach! da fand er sein klares Wasser in Blut verwandelt. Bebend ergriff er den Faden, aber – der war verbleicht und zerschnitten.

Jammernd lief er um den See, rang die Hände, und rief den Namen der Geliebten. Aber es blieb still. Da stürzte sich der trostlose Jüngling in den See, und sank hinab.

*     *     *

Aus der Badenschen Wochenschrift von 1807. S. 17.