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Das furchtbare Trauerspiel in Lugau

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Textdaten
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Autor: Fr. Hofmann
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Titel: Das furchtbare Trauerspiel in Lugau
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 479–480
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Nachtrag und Berichtigung zu Tief unter der Erde!
Blätter und Blüthen
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[479] Das furchtbare Trauerspiel in Lugau ist geschlossen: die Rettungswerkzeuge ruhen am Schacht, die Verschütteten sind für todt erklärt und der kirchliche Segen sollte am Sonntage des einundzwanzigsten Juli den Schachthügel zum großen Grabhügel für hundertundzwei auf ewig hier Bestattete weihen. Diese Trauerfeier ist jedoch bis auf Weiteres verschoben, und zwar, wie man veröffentlicht, auf Wunsch der Hinterbliebenen. Sie wird immer noch stattfinden müssen und das ergreifende Bild derselben ist vorauszusehen. Vierundvierzig Wittwen werden auf dem Grabe ihrer Gatten, eine Braut auf dem Grabe ihres Bräutigams, hundertundsiebenunddreißig Kinder auf dem Grabe ihrer Väter knien, und wie viele arme graue Väter und Mütterchen mit dem braven Sohn die Stütze ihres Alters, wie viele Geschwister ihre Brüder, wie viele junge Herzen ihre Freunde und ihr Theuerstes da drunten liegen haben, bleibt wohl ungezählt.

Das völlige Aufhören aller Arbeiten im Schacht, um bis zu den Verschütteten vorzudringen, geschah auf Anordnung des königl. sächs. Finanz-Ministeriums in Folge einer Darlegung der in Lugau thätigen Sachverständigen. Die Regierung hat das von denselben über den Verlauf des Schachtbruchs und der Rettungsarbeiten am siebenten Juli aufgesetzte Protokoll am zehnten Juli veröffentlicht. Vergleichen wir dasselbe mit unserem Brief aus Lugau in der vorigen Nummer der Gartenlaube, so finden wir ihn im Allgemeinen damit übereinstimmend; namentlich ist unsere Vermuthung: „Sehr wahrscheinlich ist der ganze untere Schacht bis weit über den oberen Querschlag vollständig ausgefüllt“ nun von den Sachverständigen als ein Hauptgrund des Einstellens der Arbeiten zur Oeffnung des Schachtes angenommen. Dagegen haben wir einen Irrthum zu berichtigen. Aus den Erzählungen eines Schichtmeisters und eines Bergmanns hatte ich geschlossen, daß Steiger Schubart selbst bis zur Tiefe von über siebenhundert Ellen niedergefahren und also selbst bis in die Nähe des oberen Querschlags [480] vorgedrungen sei. Das Protokoll berichtet hierüber: Das Ereigniß, daß in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag (vom dritten zum vierten Juli) das auf der Verstopfungsstelle, in der Tiefe von dreihundert sechsundachtzig Ellen, aufgestaut gewesene Wasser verschwunden war, „hatte den dienstthuenden Steiger am Donnerstag früh gegen drei Uhr bewogen, nochmals durch Hinablassen der Tonne im Förderschacht die Tiefe zu ermitteln, in welcher sich die Bruchmassen gestaut hatten. Nach der Fühlung des Maschinenwärters sollte hierbei die Tonne bis hinab in die Sohle des Füllortes des ersten Querschlags, mithin bis in die Tiefe von siebenhundert sechsundfünfzig Ellen unter Tage, niedergegangen sein.“ – Nach dieser Angabe bitte ich, die meinige zu berichtigen. Ich hatte dies falsch verstanden, was bei der Aufregung, mit welcher jene Mittheilungen an Ort und Stelle gegeben und aufgenommen wurden, wohl verzeihlich ist.

Das Grab ist geschlossen. Aber die letzten Seufzer der Sterbenden schlugen nicht an liebe Ohren; der Trost, dem Gatten, dem Vater das gebrochene Auge zugedrückt haben, ist Müttern und Kindern genommen, – sie haben keine lieben Hügel mit Blumen zu schmücken, denn auf Neufundgrube wird binnen Jahr und Tag die Esse wieder rauchen, die Dampfmaschine wieder die Tonnen in die Tiefe tragen und der arme Mensch wieder arbeiten, um mit seinem Schweiß den Glücksboden Anderer zu düngen. – Möge das Andenken an den Jammer dieser Tage und die Sorge für die beklagenswerthesten Opfer derselben, die armen Hinterbliebenen, nicht ebenso rasch vergehen wie die äußeren Spuren des Unglücks verschwinden werden!

Bis heute nehmen die Spenden der Theilnahme für „die Unglücklichen von Lugau“, wie das Mitleid sie in ganz Deutschland und darüber hinaus nennt, ihren ehrenwerthen Fortgang. Möge dieser Segensstrom der Menschenliebe noch recht lange fließen, denn viel, sehr viel ist nöthig, um den Lohn der Arbeit von hundert Männern auf Jahre hinaus zu ersetzen!

Wir thun es im Interesse der Sache, wenn wir dabei die Frage erheben: in welchen Händen kommen die aus allen Himmelsgegenden jetzt nach Lugau gesendeten Gelder zusammen? Wer sind die Mitglieder des betreffenden Comité, in welcher Weise wird schon jetzt die Unterstützung der Hinterbliebenen der Todten im Schachte besorgt und welcher Plan liegt für die künftige Verwendung der Gelder vor? Eine offene Beantwortung dieser Fragen würde den Sammeleifer noch für lange stärken, während die etwaige Bestätigung der hier und da ausgesprochenen Befürchtung, daß Bergbeamtete, über deren Knappschaftscassenführung bittere Klagen aus den Kreisen der Bergleute vorliegen, auch bei diesem Werke der Wohlthätigkeit betheiligt sein möchten, sehr störende öffentliche Erörterungen hervorrufen könnte.
Fr. Hofmann.