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Das englische Clubwesen sonst und jetzt

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Autor: Leopold Katscher
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Titel: Das englische Clubwesen sonst und jetzt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, 20, S. 292–294, 327–329
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[292]
Das englische Clubwesen sonst und jetzt.
Von Leopold Katscher.
1. Sonst.

In England ist das Clubwesen mit der Freiheit aufgekommen; vor der Regierung Elisabeth's kannte man keine ähnliche Einrichtung. Dem poetischen Charakter der elisabethinischen Epoche entsprechend, trugen die ersten Londoner Clubs ein durchaus literarisches Gepräge. Der älteste, von dem man überhaupt weiß, versammelte sich in dem Wirthshaus „Zur Sirene“ und verdankte seine Entstehung der Initiative Raleigh's, der den Tabak und mit Francis Drake die Kartoffeln in Europa einführte. Eine Ueberlieferung besagt, daß in jener Schenke die allerersten Kartoffeln gegessen wurden. Die hervorragendsten Mitglieder des Sirenen-Clubs waren die vier größten Dramatiker jener Tage: Shakespeare, Ben Jonson, John Fletcher und Francis Beaumont. Ben Jonson begründete später im Apollosaale der Schenke „Zum Teufel“ einen andern Club, zu dessen Nutz und Frommen er unter dem Titel: „Leges conviviales! eine Art Codex in lateinischen Versen schrieb. Nach diesen Statuten wurden Damen zugelassen und mit ihnen „gebildete, höfliche, heitere, anständige Männer“; Plumpheit, Unmäßigkeit und Rohheit waren ausgeschlossen; während des Weintrinkens durfte nicht über geheiligte Dinge abgehandelt werden, und das Lesen geschmackloser Gedichte und das Improvisiren schlechter Verse waren verboten. Jonson's schriftstellerischer Ruf, seine Vorliebe für eine gute Tafel, sein Conversationstalent schaarten um ihn eine große Anzahl geistvoller und lebenslustiger Männer, aber trotz der begeisterten Verse, in denen er die Vorzüge des Weines zu preisen pflegte, sollen die im Club geführten Gespräche besser gewesen sein, als die daselbst getrunkenen Weine.

Die Clubs scheinen verschwunden zu sein, als Cromwell und die Puritaner das Staatsruder ergriffen. Dagegen war die Regierungszeit Karl's des Zweiten eine wahre Blütheperiode der Clubs wie des Theaters. Einige Jahre nach der Restauration bildete „Will's Kaffeehaus“ das vorzüglichste Stelldichein der Schriftsteller, der Schöngeister, der guten Redner und der Müßiggänger. Das Scepter führte dort Dryden. In diesem Club wurden die socialen Ranges- und Standesunterschiede abgestreift, und es heißt, daß sowohl die jungen Modehelden wie die Gelehrten viel darauf hielten, der Dose Dryden's von Zeit zu Zeit eine Prise zu entnehmen. Bis 1810 galt „Will's Kaffeehaus“ in London als beliebter Zusammenkunftsort vornehmer Leute, Neugieriger, Priester und Romanschreiber. Will's gegenüber erhob sich später „Button's Kaffeehaus“; sein Besitzer war früher bei Lady Warwick, der Addison damals den Hof machte, bedienstet gewesen, und der genannte Gelehrte und Dichter schlug in diesem Kaffeehause seinen Thron auf. Seine Anhänger waren Steele, Budgell, Tickel, Phillips und Carey, mit denen er eine literarische Brüderschaft einging, und die Stammgäste blieben nach der Gewohnheit der damaligen Schriftsteller stets sehr lange beisammen; Plaudern, Trinken und Rauchen waren ihre Beschäftigungen, bei denen Addison in jeder Hinsicht als Vorbild voranleuchtete. Button's Local war gleichzeitig das Redactionsbureau des „Guardian“, dessen Mitarbeiter sich in einem Hinterkämmerchen aufzuhalten pflegten. Als Addison sich in der Folge mit der Herzogin von Warwick entzweite, zog er sich auch von ihrem ehemaligen Diener zurück, sodaß der Club von selbst ein Ende erreichte.

Wie Dryden und Addison, liebte es auch Samuel Johnson, die Londoner Wirtshäuser zu besuchen. Im Jahre 1749 begründete er in Ivy Lane (Epheugäßchen) einen Club, dessen Mitglieder in dem Beefsteakhaus „Zum Königskopf“ jeden Dienstag Abend zusammenkamen; sie waren Kaufleute, Buchhändler, Aerzte und sectirende Geistliche. Während das Beefsteak auf dem Roste prasselte, warf sich Johnson mit Feuereifer auf die Discussion und Polemik.

Als diese Vereinigung sich auflöste, begründete Johnson im Jahre 1764 einen andern, berühmt gewordenen Club, der sich im „Türkenkopf“ niederließ; man kam wöchentlich einmal um sieben Uhr Abends zusammen und plauderte bis Mitternacht. Anfänglich namenlos, legte sich dieser Club nach Garrick's Tode den Titel „Literarischer Club“ bei. In diesen aufgenommen zu werden, galt als hohe Ehre, deren man nur durch die Stimmzettel der Majorität der jeweiliger Mitglieder theilhaftig werden konnte. Unter den fünfunddreißig Mitgliedern waren die bedeutendsten: der Maler Sir Joshua Reynolds, Oliver Goldsmith, der Redner Burke, der Historiker Gibbon, der Lustspieldichter Sheridan und vor Allen Johnson und Garrick. Neunzehn Jahre später rief Johnson einen dritten Club in's Leben und zwar in der Schenke „Zum Haupte des Essex“, wo die Mitglieder sich dreimal wöchentlich versammelten. Die Clubregeln waren milde und die Ausgaben geringfügig. Wer einer Sitzung fern blieb, wurde mit zwei Pence bestraft, und der Reihe nach kam jedes Mitglied auf den Präsidentenstuhl. Johnson's Eifer im Begründen von Clubs erklärt sich aus seinem Charakter und seiner Lebensweise: seine Frau war ihm frühzeitig gestorben, und seither bildeten die Clubabende die einzige ihm zusagende Zerstreuung nach des Tages Arbeit und Einsamkeit; ohnehin war er sehr gesellig und gesprächig.

Um dieselbe Zeit, das heißt in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, gab es in London eine Reihe von Kaffeehäusern, die Mode waren und Leute von Geist in Clubs sammelten, darunter ein Club der Blaustrümpfe, der sich im Jahre 1781 im Hause der Madame Montague um Stillingfleet gruppirte und verschiede gleichfalls literarische Namensvettern erhielt. Der Name muß später von irgend einem literarisch-ästhetischen Damenclub her zum Spottnamen geworden sein – die ersten Blaustrümpfe waren Männer.

Neben den literarischen gab es auch zahlreiche politische Clubs, von denen wir nur zwei erwähnen wollen. „Die Conföderation der Könige“, welche kurz nach der Restauration entstand, nahm Staatsmänner und Bürger aus allen Gesellschaftsclassen unter der Bedingung auf, daß sie sich dazu verstanden, den Beinamen „König“ als Gewährleistung einer gut monarchischen Gesinnung zu wagen. König Karl der Zweite [293] selbst gehörte der Gesellschaft als Ehrenmitglied an. Den Gegensatz dazu bildeten der „Club des königlichen Hauptes“, der aus Whigs bestand und dessen Mitglieder am Hute grüne Bänder trugen, zum Unterschied von den Tories, deren Hutbänder scharlachroth waren. Der whiggistische Club correspondirte mit ganz England und kam einer Art Executivgewalt gleich. Die Conversation drehte sich größtentheils um den Schutz der Freiheit und des Eigenthums. Unter dem Vorwande, die Reformirten seien von einem bevorstehenden Blutbade bedroht, lud man die Clubmitglieder ein, seidene Panzer anzulegen, die damals für kugelfest gehalten wurden. Diese Lächerlichkeit zog die Auflösung des Clubs nach sich.

Vom Standpunkte der Sittengeschichte aus betrachtet, haben die zahlreichen Clubs, die damals in Großbritannien entstanden, glückliche Folgen gehabt, namentlich dadurch, daß sie zwischen den Bürgern die gesellschaftlichen Bande, die während der Bürgerkriege gelockert worden waren, fester knüpften und daß sie die Wiege der Redefreiheit waren, die heutzutage ein so hervorstechender Zug des englischen Lebens ist. Hinsichtlich des günstigen Einflusses der Clubs auf die Literatur sei nur der einen Thatsache gedacht, daß der „Kit-Cat-Club“ zur Ermunterung der dramatischen Production 4000 Guineen votirte.

Als im Laufe der Zeit die politischen Zwistigkeiten einer ruhigeren Stimmung wichen, ging man daran, die Basis des Clubwesens zu verbreitern, indem man sie namentlich den Anforderungen des Gaumens dienstbar machte. Es gab einen „Kalbskopf-Club“, einen „Gans-Club“, einen „Aalpasteten-Club“ etc. Der berühmteste unter diesen gastronomischen Vereinen war der im Jahre 1735 entstandene und erst vor etwa acht oder neun Jahren aufgelöste „Beefsteak-Club“.

Der Harlequin des Coventgarden-Theaters, Rich, arrangirte eines Tages die Generalprobe einer Pantomime und hatte dazu einige Edelleute geladen. Einer derselben, der Graf von Peterborough, verspätete sich, was den hungrig gewordenen Künstler jedoch nicht abhielt, sein Diner in Gestalt eines Beefsteaks zuzubereiten; Rich lud nun den Grafen ein, an seinem bescheidenen Mahl theilzunehmen, und der Graf fand an dem Beefsteak und an der Conversation des Komikers solchen Gefallen, daß er in der nächsten Woche in Begleitung einiger Freunde wiederkam und sich bei Rich zu einer ähnlichen Mahlzeit einlud. So entstand der „Beefsteak-Club“, welchem unter Anderem Hogarth, Brougham, Sheridan Thornhill und Fox angehörten. Die Mitglieder – deren Zahl auf vierundzwanzig beschränkt war, später aber, um den Prinzen von Wales zulassen zu können, auf fünfundzwanzig erhöht wurde – nahmen alljährlich von Ende November bis Ende Juni jeden Samstag ein vornehmlich aus Beefsteak bestehendes, echt englisches Fünf-Uhr-Diner ein, bei dem man die Feier der Freiheit mit der des Rindfleisches verband.

Der Banketsaal war mit Eichengetäfel ausgekleidet, auf dem das Wappen des Clubs, ein Bratrost, in Relief prangte. Sobald die Saaluhr fünf schlug, hob sich ein Vorhang und enthüllte die Küche, in welcher man die Köche in der Ausübung ihrer verschiedenen Obliegenheiten erblickte. Diese Küche trug eine Inschrift – zwei Verse aus „Macbeth“ – und von der Mitte des Plafonds hing der allererste Bratrost des Clubs in ureigenster Gestalt herab, eine ehrwürdige Reliquie, welche zwei Feuersbrünste überdauert hatte. Nach jedem Diner nahm der Präsident seinen Ehrenplatz auf einer erhöhten Plattform ein, die mit den Insignien des Clubs, sowie mit einem kleinen Dreimasterhut geschmückt war, den Garrick dereinst bei der Darstellung einer wichtigen Rolle zu tragen pflegte.

In seinem goldenen Zeitalter stand der „Beefsteak-Club“ zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, als er Kemble, Kobb, Ferguson, den Herzog von Clarence und den Herzog von Norfolk zu seinen Mitgliedern zählte. Selbstverständlich hatten in einer solchen Gesellschaft das gute Beefsteak und der feine Wein nur den Zweck, geistreichen Gesprächen als Würze zu dienen. Die Seele des Clubs war lange Zeit der 1836 im Alter von hundert Jahren verstorbene Capitain Morris, mit dem die Glanzzeit desselben überhaupt ein Ende nahm.

Es gab noch einen andern „Beefsteak-Club“, dessen Ursprung jedoch unbekannt ist; jedenfalls existirte er bereits unter Karl dem Zweiten. Die einzige Frau, die er ausnahmsweise unter seine Mitglieder zählte, die berühmte Schauspielerin Peg Woffington, war lange gleichzeitig seine Präsidentin. Das Abzeichen der Mitglieder bestand in einem goldenen, an einem grünen Bande um den Hals getragenen kleinen Bratrost.

Es war ein Hauptmerkmal des früheren englischen Clubwesens, daß es sich den verschiedenartigsten Geschmacksrichtungen anzupassen wußte. Jedermann konnte sich einem seinen eigenen Neigungen entsprechenden Club anschließen. Die Phlegmatischen gingen in den „Humdrum-Club“, wo sich ihnen beim Eintritt in den Saal ein feierlicher Anblick darbot: die Mitglieder beobachteten ein tiefes Stillschweigen und hatten Pfeifen im Munde und Biertöpfe vor sich; man hätte sich in einer Gesellschaft von Taubstummen wähnen können. Die Lärmsüchtigen traten dem „Club der Ausgelassenen“ bei. Die Starkgeistigen konnten sich in den „Club der Philosophen“ einschreiben lassen, in den Jedermann, der ein neues Argument gegen die Religion vorzubringen wußte, gegen Erlegung von vier Pence zugelassen wurde, die auf Punsch ausgegeben werden mußten. Waren die Eigenheiten eines Menschen noch so sonderbar, in London fand er sicherlich einen entsprechenden Club oder doch Leute, die bereit waren, sich behufs Gründung eines solchen ihm anzuschließen.

Es entstand ein Vogelzüchter-Club, ein Blumenliebhaber-Club (für die Tulpennarren) und ein Modegecken-Club, in welchem nur von Kleidern, Bändern und neuen Moden die Rede war. Eine Anzahl griesgrämiger und übelgelaunter Leute bildete einen „Club der Mürrischen“, in welchem gegen alles Mögliche losgezogen wurde und dessen Mitglieder einander nach Herzenslust beschimpften und „herunterrissen“. Die Wucherer suchten Ihresgleichen im „Split-Farthing-Club“ (etwa „Pfennigfuchser-Club“) auf, welcher, um Kerzen und Oel zu ersparen, in einer finstern Kammer tagte. Die Kaufleute, die in ihrem geschäftlichen Leben Unglück hatten, trösteten sich im „Club der Unglücklichen“; schon ein einfaches Fallissement berechtigte zur Aufnahme als Mitglied, ein betrügerischer Bankerott verlieh aber einen höheren Anspruch auf diese Ehre. Die Bettler schleppten sich zum „Bettler-Club“, einer Art Wundertempel, in dem die Blinden plötzlich sehend, die Stummen redselig wurden. Die Diebe besuchten den „Diebs-Club“, die Marktweiber den „Club der flachen Hauben“. Eine spaßige Erscheinung war der „Club der Lügner“, in den Leute mit einer Neigung zum Aufschneiden aufgenommen zu werden trachteten. Die wichtigste Bestimmung war, daß jedes Mitglied, das zwischen sechs und zehn Uhr Abends die geringste Wahrheit sprach, zur Bezahlung einer Gallone Wein verhalten war; dieselbe Strafe traf Jeden, der allzuplumpe und unwahrscheinlich klingende Lügen vorbrachte. Die sich zur Aufnahme Meldenden hatten eine Prüfung zu bestehen; es handelte sich nicht um's Lügen allein, sondern um künstlerisches Lügen. Ein blaues Fäßchen und eine rothe Feder bildeten die Insignien des Präsidenten. Sobald an einem Clubabend ein Mitglied eine kühnere und gelungenere Lüge zum Besten gab, als der Vorsitzende, mußte dieser den Präsidentensitz und die Insignien sofort dem glücklichen Lügner abtreten.

Einer der berühmtesten war der „Club der häßlichen Leute“, bei dessen Gründungsbanket ein überaus häßlicher Hörer des „King's College“ sich muthig zur Uebernahme der Functionen eines Caplans entschloß. Weniger glücklich war man, als es sich um die Wahl eines Präsidenten handelte; denn lange wollte Niemand diese Ehre annehmen. Die auf eine Tafel gravirten Regeln besagten, daß Niemand Mitglied werden könne, der nicht mit einer auffallenden Häßlichkeit behaftet war; meldeten sich bei einer Vacanz zwei gleich häßliche Aspiranten, so wurde derjenige gewählt, der eine dickere Haut besaß. Jedes neueintretende Mitglied mußte die Gesellschaft mit einem Gericht Kabeljau tractiren und eine Lobrede auf Aesop hatten, dessen Portrait im Clubsaale neben denen von Thersites, Duns Scotus, Scarron und Hudibras aufgehängt war. Der Club fand solchen Anklang, daß die Mitglieder Muth bekamen und den König (Karl den Zweiten) anforderten, beizutreten. Er antwortete lachend, er könne nicht selbst kommen, werde aber zwei Ziegenböcke senden. Anfänglich hatte der Club seinen Sitz in Cambridge, aber sein großer Erfolg veranlaßte ihn später zur Uebersiedelung nach der Hauptstadt.

Der „Club der Häßlichen“ besaß eine Concurrenz in dem „Ohnenasen-Club“. Einem Herrn mit wunderlichen Neigungen fiel bei einem Spaziergange durch die Straßen Londons eines Tages die große Anzahl der nasenlosen Leute auf, denen er [294] begegnete. Er kam auf den Gedanken, alle Nasenlosen Londons zu einem Banket einzuladen, welches die Begründung eines Clubs nach sich zog, der monatlich einmal zusammenkam. Als nach einem Jahre der Tod des Gründers eintrat, wollten die Mitglieder – die, wie sie sagten, „nicht Lust hatten, sich bei der Nase herumführen zu lassen“ – sich keinem neuen Vorsitzenden unterwerfen und trennten sich. In dieselbe Kategorie gehört der „Club der fetten Männer“. Der Sitzungssaal, dessen Größe dem Umfange der Mitglieder angemessen war, hatte zwei Thüren: eine schmale von gewöhnlichem Caliber und eine sehr breite mit zwei Flügeln; konnte ein Candidat durch die erstere gehen, so wurde er abgewiesen, andernfalls that sich die andere vor ihm auf und die corpulente Gesellschaft begrüßte ihn als Bruder.

Diesem Club zum Trotze bildete sich ein „Club der mageren Leute“. Zu bemerken ist, daß diese beiden Clubs nicht in London, sondern in einer Provinzstadt existirten; sie befehdeten einander jahrelang, und da die Mageren sich die öffentliche Gunst zu erobern verstanden hatten, drohten sie, die Fetten von den öffentlichen Aemtern auszuschließen. Schließlich einigte man sich dahin, daß die beiden obersten Beamten der Stadt aus je einem der beiden Clubs zu wählen seien.

Die Clubs der „Langen“, der „Kleinen“, der „befranzten Handschuhe“, der „Seufzenden“, den „Wittwen-Club“ und viele andere müssen wir übergehen. Die bizarren Clubs waren wenigstens harmlos, aber neben ihnen gab es auch Clubs düsterer und gefährlicher Natur; so z. B. den der Duellanten, dessen Präsident ein Dutzend Menschen im Zweikampf getödtet hatte; den der Menschentödter, in den man nur aufgenommen werden konnte, wenn man mindestens einen Mord begangen hatte; den der Schrecklichen, dessen Mitglieder ungemein lange Säbel trugen; den der Mohocks, der seinen Namen einem Menschenfresserstamm entlehnte und es als seine Aufgabe betrachtete, auf der Lauer zu liegen, Straßenpassanten anzuhalten und ihre Gefangenen auf’s Grausamste zu mißhandeln.

Anknüpfend an die Clubs, erzählt Alphonse Esquiros eine hübsche Anekdote. Der Lord-Oberrichter Holt hatte in seiner Jugend ein keineswegs musterhaftes Leben geführt und einem argen Club angehört. Als er eines Tages dem Central-Criminalgerichte von Old Bailey präsidirte, wurde ihm ein der Straßenräuberei überführter Mann vorgeführt, in welchem er einen seiner ehemaligen Clubgenossen erkannte. In der Meinung, dieser erkenne ihn nicht, fragte er ihn halb aus Neugierde, halb aus Theilnahme, was aus den übrigen Mitgliedern des gefährlichen Clubs geworden, dem der Gefangene angehört habe. Der arme Teufel salutirte und erwiderte seufzend: „Ach, Mylord, alle sind gehenkt worden, bis auf Euer Gnaden und mich.“

Ehe wir von den alten Clubs Abschied nehmen, sei eines höchst komischen Clubs Erwähnung gethan, der, wenn wir nicht irren, noch vor fünfundzwanzig Jahren bestand; wir meinen den Londoner „Unsuccessful-Club“ („Club der durchgefallenen Dramatiker“). Wer aufgenommen werden wollte, mußte der Ehre theilhaftig geworden sein, mit einem Theaterstück einen Mißerfolg erlebt zu haben. War ein Stück erst nach der zweiten Aufführung vom Repertoire verschwunden, so mußte über die Aufnahme oder Abweisung des Verfassers erst abgestimmt werden. War aber eines schon am ersten Abend ausgepfiffen worden, so wurde der Autor mit Acclamation aufgenommen und durfte auf Kosten des Clubs ein beliebiges Diner bestellen. Das Abzeichen des Clubs, das der Präsident im Knopfloch trug, war ein silbernes Pfeifchen.

Wie man sieht, entsprechen die englischen Clubs von früher mehr dem, was man heutzutage „Vereine“ oder dergleichen nennen würde. Wie anders sind in dieser, wie jeder andern Hinsicht die heutigen Clubs beschaffen! Doch davon in unserm Schluß-Artikel.

[327]
2. Jetzt.

Als der vor etwa einem Jahre verstorbene französische Schriftsteller und Senator Alphonse Esquiros vor fünfundzwanzig Jahren zum ersten Male in der Gegend des Londoner Saint-James-Parkes promenirte, fielen ihm die vielen Prachtbauten auf, die er in der Nähe erblickte und die diesem Stadttheil ein millionärmäßiges, imposantes Aussehen verliehen. Da sah er alle möglichen Baustile, den griechischen, den romanischen, den italienischen, einfach und überladen. Seine Ueberraschung wuchs in der eleganten Straße Pall-Mall, wo die Paläste reihenweise neben einander stehen; er kam dort aus den Colonnaden, Portiken, Basreliefs und Friesen nicht heraus. Er fragte sich, welche alten Adelsfamilien reich genug seien, um so kostspielige Wohnhäuser unterhalten zu können. Bald gab man ihm die Auskunft, daß jede dieser fürstlichen Residenzen von einem „Collectiv-Lord“ bewohnt werde: er hatte nämlich eine Anzahl der schönsten Club-Häuser vor sich – jener modernen Vereinshäuser, die Eigenthum eines Clubs sind und alle Vorzüge eines Hôtels, eines Speisehauses, eines Cafés, einer Bibliothek und eines Vereinigungsortes für gesellige Zwecke unter einem Dache vereinigen.

Diese prächtigen Clubhäuser sind wahre Denkmäler des heutigen England, und die heutigen Clubs erinnern in ihrer ganzen Organisation an die moderne englische Staatsverfassung. Die ältesten der modernen Londoner Clubs gehen nicht weiter zurück als bis 1815. Jene vier Clubs, die älter sind und sämmtlich in Saint-James-Street stehen, nämlich: „White’s“, „Boodle’s“, „Crockford’s“ und „Brookes’“, sind anders organisirt, als die modernen: sie werden je von einem Privatmann gehalten, der seinen Subscribenten für eine Eintrittsgebühr und einen Jahresbeitrag gewisse Vortheile bietet, die denen der vereinsartigen Clubs ähneln. Diese Art von Unternehmungen heißt „Subscriptionsclubs“ und bildet gleichsam einen Uebergang von den alten zu den neuen Clubs, doch haftet ihnen der Makel an, daß sie arge Pflegstätten des Hazardspiels sind, während dieses in den modernen Schwesteranstalten untersagt ist oder doch nur in geringem Maße getrieben wird.

William Crockford war ein Fischhändler gewesen; als er durch ausgedehntes Hazardspielen ein reicher Mann geworden, begründete er eine Art Clubhaus, das von der aus der Oper kommenden Elite der Gesellschaft besucht zu werden pflegte und in welchem fabelhafte Summen verspielt wurden. Die Küche war als vorzüglich berühmt; der kostbarste Wein floß in Strömen; der Oberkoch Ude galt seiner Zeit als der größte culinarische Meister Europas. Crockford, mit dem Beinamen „Leviathan des Spiels“, starb 1844, einen unermeßlichen Reichthum hinterlassend.

„Brookes’“ war ursprünglich ein Kaffeehaus, das gegen 1770 den Häuptern der Opposition zum Stelldichein diente. Um Brookes, den ersten Besitzer, schaarten sich Fox, Burke, Grenville, Windham, Grey, Selwin, Sheridan. Die Bewerbung Sheridan’s um die Aufnahme in den Club war dreimal erfolglos gewesen; denn zur Ablehnung genügte eine einzige schwarze Kugel, und diese war jedes Mal von Seldon abgegeben worden; damit Sheridan in den Club komme, mußte bei der Abstimmung über dessen vierte Bewerbung der Prinz von Wales Seldon durch eine eigens angeknüpfte Conversation zurückhalten. In den hier geführten Gesprächen wurde viel Geist, in den hier gespielten Spielen sehr viel Geld verausgabt. Ohne gänzlich auf einen politischen Anstrich zu verzichten, ist „Brookes’“ heute eigentlich doch nur ein geduldetes Spielhaus.

„White’s“ stammt vom Cafétier White her, der im Jahre 1698 an derselben Stelle, an der das Clubhaus heute steht, ein Kaffeehaus errichtete; dasselbe verwandelte sich achtunddreißig Jahre später in einen von Tories frequentirten politischen Club, der unter Pitt, Dundas, Rose und Canning schöne Tage sah. Im Beginne unseres Jahrhunderts war der Club ungemein reich, sodaß er im Jahre 1814 dem Kaiser von Rußland, dem König von Preußen und den übrigen Verbündeten ein Bankett geben konnte, das zehntausend Pfund Sterling kostete, und drei Wochen darauf dem Herzog von Wellington zu Ehren ein ebenso glänzendes. Jetzt ist dieser Club nur noch durch seine guten Diners bemerkenswerth, und durch die Freundschaftlichkeit, mit der seine reichen, phlegmatischen, conservativen Subscribenten mit einander verkehren.

Wenden wir uns nun wieder zu der in England, namentlich London äußerst zahlreichen Classe der modernen Clubs, welche zum großen Theile wahrhaft aristokratische, aber auf Sparsamkeit berechnete Hauswirthschaften sind! Ihre Entstehung ist dem Militär zu verdanken. Die Officiere der englischen Armee hatten längst eingesehen, daß das Associationsprincip, auf die Tafel angewandt, große Vortheile biete. Als die Beendigung der anglo-französischen Kriege eine Herabsetzung des Heeresstandes nach sich zog, mußten die entlassenen Officiere die gemeinsamen Tafeln, zu denen sie sich vereinigt hatten, natürlich aufgegeben. Da es ihnen schwer fiel, mit ihrer schmalen Pension auszureichen, kamen sie auf den Gedanken, die gemeinsamen Tafeln auch im Civilleben zu führen. Verschiedene Besprechungen führten zur Gründung des ersten auf den nun allgemein verbreiteten Principien beruhenden Clubs: die alten Waffenbrüder kamen einstweilen in einem gemietheten Local zusammen, um gemeinschaftlich zu speisen und in gemüthlichem Geplauder militärische Erinnerungen auszutauschen. Da die Anreger wußten, daß auch viele Marine-Officiere sich in derselben geldknappen Lage befanden, zogen sie auch solche heran, und der Verein nahm demgemäß den Titel „United Service-Club“ an. Die Mitglieder schossen Geld zusammen behufs Erbauung [328] eines Clubhauses, das 1819 eröffnet wurde, aber die Mitgliederzahl mehrte sich so rapid, daß man schon nach sechs Jahren zum Aufbau eines neuen Gebäudes schreiten mußte. Mit diesem begann im Jahre 1828 die Reihe der „Pall-Mall“-Clubs. Der „United Service“ zählte damals schon 1500 Mitglieder, deren hervorragendstes der Herzog von Wellington war. Bald brach ein wahres Clubfieber aus; binnen kurzem hatten sämmtliche höhere Zweige der Armee ihre Clubs; da gab es einen „Junior United Service“, einen „Guards“, einen „Army and Navy“, einen „Junior Army and Navy“, alle in „Pall-Mall“. Die günstige Folge war, daß die Officiere dem Schenken- und Kaffeehausleben entzogen wurden. Das Beispiel der Armee fand Nachahmung bei allen Schichten des Bürgerthums, und zwar vereinigte man dabei das Wahlverwandtschaftsprincip der alten Clubs mit der Organisation der neuen. Ehemalige Universitätshörer, die während ihrer Studienjahre gewohnt waren, täglich zusammen zu speisen, zu studiren und zu lesen, fühlten sich in London kläglich vereinsamt. Sie begründeten den „United University-Club“. Eine andere Gruppe bildete unter ganz ähnlichen Umständen den „Oxford and Cambridge Universities-Club“; beide Clubs bestehen der Mehrheit nach aus Geistlichen. Auch die Rechtsgelehrten ließen sich schon vor fünfzig Jahren ein schönes Clubhaus bauen, in dem sie den „Law-Club“ unterbrachten.

An der Spitze des Londoner Clubwesens stehen nächst dem hauptsächlich aus Gelehrten und Schriftstellern zusammengesetzten „Athenaeum-Club“ zwei politische Clubs: der „Carlton“ und der „Reform“. Die von der großen Wahlreform beunruhigten Tories begründeten 1830 den „Carlton“, dem die Whigs alsbald den wahrhaft fürstlich aussehenden „Reform“ entgegenstellten. Zu derselben Zeit entstanden und aus demselben politischen Ereigniß hervorgegangen, stehen die beiden Gebäude in Pall-Mall als feindliche Brüder neben einander. Das eine spielt im politischen Leben der englischen Hauptstadt die Rolle eines Hauptquartiers der Tories, das andere die eines Hauptquartiers der Liberalen. Beide haben seit fast einem halben Jahrhundert in hohem Maße zur Festigung der Rede- und Actionsfreiheit beigetragen. In einem gewissen Zusammenhang mit dem „Carlton“ steht der „Conservative“, der ursprünglich blos eine Brutstätte für künftige Bewerber um die Mitgliedschaft des „Carlton“ war. Die Häupter der conservativen Partei gehören in der Regel beiden Clubs an.

Eine Art Vorschule für das politische Leben bilden die zahlreichen „Debating Clubs“, denen sich namentlich Jünglinge der besseren Classen gern anschließen und deren Hauptaufgabe es ist, ihre Mitglieder durch Debatten über alle möglichen, besonders politische, Fragen in der Gabe der Beredsamkeit zu üben. Vor etwa fünfzig Jahren gab es in Cambridge einen solchen Debattir-Club, dem die Leiter der politischen Parteien große Aufmerksamkeit schenkten; fiel ihnen ein geschickter Redner daselbst auf, so nahmen sie dessen Vorbereitung auf die parlamentarische Laufbahn in Aussicht.

Die wichtigsten Clubs der Literatur- und Theaterfreunde sind der „Garrick“, der „Savage“ („Club der Wilden“) und der erwähnte, besonders berühmte und vornehme „Athenaeum-Club“.

Interessant ist der „Travellers’“ („Club der Reisenden“), in den nur Ausländer oder reisende Inländer aufgenommen werden. Bei der vom Lord Londonderry angeregten Gründung handelte es sich darum, Ausländern, die entweder sich in der Reisendenwelt einen Namen gemacht haben oder von berufenen Leuten Empfehlungsbriefe mitbringen, in London einen Club zu bieten; Talleyrand besuchte während seines Aufenthalts in der britischen Metropole den „Travellers’“ fast täglich. Engländer können nur dann Aufnahme finden, wenn sie den Nachweis führen, daß sie mindestens fünfhundert englische Meilen weit in gerader Richtung von London aus gereist sind. Je größere Reisen ein Candidat gemacht, desto günstiger stehen natürlich seine Chancen; denn die Länder, die er besucht, die Abenteuer, die er bestanden, die verschiedenen Volkssitten, die er beobachtet, liefern der Club-Conversation selbstverständlich ausgiebige Stoffe. Dieser Club kann sich immer einer sehr gewählten Gesellschaft rühmen; denn ihm gehören die höchsten Zweige der englischen Aristokratie und die Elite der Mitglieder beider Häuser des englischen Parlaments an. Einen geographischen Anstrich hat auch der „Oriental-Club“, in welchem die in Ostindien etablirten Engländer, die zeitweilig zu ihrem Vergnügen oder in Geschäften nach London kommen, sich vor der in solchen Riesenstädten leicht eintretenden Vereinsamung retten können, da sie dort Ihresgleichen finden. Auch die pensionirten Civil- und Militärbeamten der ehemaligen Ostindischen Compagnie gehören theilweise dem „Oriental“ an; ein anderer Theil hält sich an den „East India United Service“. Eine gewisse Aehnlichkeit mit dem „Travellers’“ besitzt der „Hanover Square-Club“, auch „Circle des Nations“ betitelt, einer der neuesten Clubs, dessen Eröffnung Schreiber dieses am 1. Januar 1876 beiwohnte. Hier ist die Aufnahme nicht von Reisen abhängig, sondern jeder Ausländer – aber auch jeder Inländer – der bei der geheimen Abstimmung über die Candidaten nicht durchfällt, kann Mitglied werden. Auswärtige Mitglieder bezahlen nur den vierten Theil des auf die Londoner berechneten Jahresbeitrages, und können den Club während ihres jeweiligen Aufenthaltes in London benützen; dieser Club ist von besonderem Vortheil für auswärtige bemittelte Herren, die in London nicht zur Genüge bekannt sind; sie können dort vorzüglich speisen, die Zeitungen ihrer Heimath lesen, ihren Kaffee nehmen, ihr Spielchen machen, mit Landsleuten zusammenkommen, ihre Post expediren und sogar schlafen, denn der „Hanover Square“ gehört, gleich vielen anderen vornehmen Clubs, zu den Hôtel-Clubs.

Was ein Hôtel-Club ist, wird uns klar werden, wenn wir die Organisation und die innere Einrichtung der Londoner großen Clubs näher in's Auge fassen. Wenn die modernen Clubhäuser äußerlich durch Größe und architektonische Schönheit auffallen, so überraschen sie noch mehr durch die Eleganz ihres Innern. Das Peristyl führt in eine Vorhalle, in welcher der Besucher von einem Portier und seinem Gehülfen empfangen wird, welche beide Diener die Aufgabe haben, Niemand zuzulassen, dessen Name nicht im Mitgliederbuche steht, oder der nicht von einem Mitgliede als Gast eingeführt wird. Gäste haben in der Regel das Recht, den Club eine Woche hindurch zu benutzen. Die genannten zwei Functionäre tragen schwarze Anzüge und weiße Cravatten und verfügen über einen ober zwei livrirte Pagen, denen die Besorgung der Post und der Gänge für die Mitglieder obliegt. Ueberbringer von Botschaften erwarten die Antwort in einem besonderen „Empfangszimmer“. Von der Vorhalle gelangt man in den Vorsaal, der in fast allen wichtigen Clubs mit großer Pracht ausgestattet ist. Ahorn- oder Mahagonithüren führen in die verschiedenen Parterreräumlichkeiten: das „Vormittagszimmer“, die Garderobe, das Lesezimmer, die Speisesäle; überall sieht man maßlos hohe Spiegel, enkaustische Gemälde, guirlanden- und karnießengeschmückte Plafonds, die schönsten Kronleuchter, die theuersten Möbel. Eine gewöhnlich sehr elegante Treppe führt zu den zwei oder drei oberen Stockwerken. Im ersten befinden sich: der Salon, die Bibliothek, das Rauchzimmer und das Spielzimmer für Whistspieler. Das letztere ist, um die Zahl der Spieler einzuschränken, in der Regel klein angelegt. Auf’s Rauchzimmer verwendet man viel weniger ausschmückende Sorgfalt als auf die übrigen Gemächer. Auch die Bibliotheksäle vieler Clubs zeichnen sich durch herrliche Ausstattung aus, abgesehen von dem Umfang der Büchersammlungen. Das zweite Stockwerk enthält Säle für Billards und andere Spiele, das dritte die Wohnungen der Beamten und Diener des Clubs. Eine Reihe von Clubs geht so weit, den Mitgliedern auch Wohnung zu bieten, zu welchem Behufe im dritten und vierten Stockwerke eine Anzahl von elegant möblirten Zimmern eingerichtet sind, die den Club-Junggesellen zu mäßigen Preisen zur Verfügung stehen. Die hervorragendsten „Hôtel-Clubs“ sind der „Reform-Club“ und der „Hanover Square“. In allen besseren Clubhäusern giebt es auch Badezimmer oder doch wenigstens Wasch- und Toilettenzimmer. Eine wichtige Rolle spielt natürlich die Küche, und sie gehört mit ihrer blendenden Reinlichkeit, ihren sauberen Küchen, ihren lichterlohen, prasselnden Feuern und ihren ungeheueren Tischen zu den größten Sehenswürdigkeiten der großen Clubs. In vielen Clubs hat man im Souterrain auch Apparate, um das Wasser in die höheren Stockwerke zu leiten, die Wärme zu vertheilen und die verschiedenen Räume im Nothfall mit kühler Luft zu versehen. Die Speisesäle sind von gewaltiger Ausdehnung; der des „Hanover Square“ enthält einen Tisch, an dem dreihundert Personen Platz haben. Will ein Mitglied mit einem Gast allein speisen, so steht ihm eines der kleineren Speisezimmer, die eigens zu diesem Behufe vorhanden sind, zur Verfügung. Natürlich sind so schöne Gebäude mit so herrlicher Einrichtung nicht um einen Spottpreis herzustellen. [329] Das Haus des „Athenaeum-Club“ hat 35,000 Pfund Sterling gekostet, die Möblirung 5000 Pfund, die Wäsche 2500 Pfund; im Keller liegen immer Weine im Werthe von 3500 und 4000 Pfund. Das Gebäude und die Einrichtung des „Reform-Club“ kosteten gar 80,000 Pfund; dieser Club zahlt für Brennmaterial zu Heizungs- und Beleuchtungszwecken jährlich 2000 Pfund, für Schreibrequisiten 250 Pfund, 2000 Pfund für Weine und andere Getränke, 100 Pfund für Eis. Der jeweilige Kellervorrath des „United Service“ wird auf 8000 Pfund geschätzt. Aber auch der geistigen Seite des Lebens wird in den Clubs hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Der „Athenaeum-Club“ verausgabt für das Abonnement von Zeitungen und Revuen jährlich 600, der „Reform-Club“ 400 Pfund. Die Bibliothek des „Athenaeum“ enthält mindestens 60,000 Bände, und jährlich werden neue Bücher, Karten und Stiche im Werthe von 500 Pfund angeschafft.

Die neuartigen Clubs sind nicht, wie die weiter oben beschriebenen „Subscriptions-Clubs“, das Eigenthum einzelner Personen, die den von diesen Etablissements abgeworfenen Gewinn allein einstreichen. Wer als Mitglied in einen heutigen Club aufgenommen ist und die zwischen 20 und 40 Pfund variirende Eintrittsgebühr sowie den 5 bis 10 Pfund betragenden Jahresbeitrag entrichtet, kann den Club nach Belieben zum Speisen, Spielen, Lesen, Plaudern, Schreiben und eventuell zum Schlafen benutzen; er ist im Club zu Hause.

Die Verwaltung der Clubangelegenheit liegt in Gemäßheit des Autonomieprincips einem aus dreißig bis vierzig Mitgliedern bestehenden Comité ob, und der aus drei bis acht Mitgliedern bestehende Executivausschuß desselben tritt wöchentlich einmal zur Regelung der Finanzen zusammen. Dem Verwaltungscomité stehen verschiedene Subcomités zur Seite, z. B. ein Wein-, ein Buch-, ein Billardausschuß etc. Der greifbarste materielle Vortheil, dessen die Mitglieder für ihre Jahresbeiträge theilhaftig werden, besteht darin, daß sie die besten Speisen und Getränke zum Kostenpreise bekommen.

Selbstverständlich hat, da bekanntlich nichts auf Erden vollkommen ist, das Clubwesen auch seine Schattenseiten. Die Moralisten sind der Ansicht, es lockere die Familienbande, untergrabe den Sinn für das Familienleben und halte die Männer vom Umgange mit dem weiblichen Geschlechte ab; in der That hören die englischen Damen nicht auf, den Clubs den Krieg zu erklären. Aber bei der bekannten Vorliebe des Engländers für's „home“, für den häuslichen Herd, ist dem Clubwesen kein allzu schädigender Einfluß zuzutrauen, keineswegs ein so arger, wie dem Schenken- und Kaffeehauswesen.

Wer in England gelebt hat, wird erkennen, daß etwas dem dortigen Clubwesen Aehnliches auf dem Continent vorderhand unmöglich ist. Dasselbe bedingt bürgerliche Rechte, gesetzliche Gewährleistungen und überhaupt eingewurzelte freiheitliche Einrichtungen, wie sie anderswo in Europa nicht zu Hause sind. Geselligkeitsliebe – naturgemäß der Hauptanlaß zur Einführung der Clubs – ist gewiß auch in anderen Ländern vorhanden, aber in England kommen ihr die Gesetze und der Nationalcharakter zu Hülfe.

Die Geschichte des altenglischen Clubwesens ist die Geschichte des englischen Nationalcharakters und seiner Entstehungsweise. Die Organisation des heutigen englischen Clubwesens giebt ein Bild der gegenwärtigen bessern Gesellschaften Englands mit ihrer Vorliebe für den Luxus, die Ordnung und ein bequemes materielles Leben. Diese Art der Vereinigung ist in England zum unabweisbaren Bedürfniß geworden, was sich am deutlichsten darin zeigt, daß das Clubwesen, welches noch vor einem Jahrzehnt auf die reichen und wohlhabenden Classen beschränkt war, sich im Mittelstande und in den untersten Schichten der Gesellschaft, natürlich auf bescheidenerem Fuße, immer mehr Bahn zu brechen beginnt.[1]


  1. Wir haben diese interessanten Artikel über „das englische Clubwesen sonst und jetzt“ den Aushängebogen eines Werkes entnommen, das unser geschätzter Mitarbeiter Leopold Katscher soeben unter dem Titel: „Bilder aus dem englischen Leben“, Verlag von Wilhelm Friedrich in Leipzig, herausgiebt.
    D. Red.