Zum Inhalt springen

Das einzige Raubthier Australiens

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das einzige Raubthier Australiens
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 356–358
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[356]
Das einzige Raubthier Australiens.

Nicht durch die Pracht seiner Vegetation, welche im Vergleich mit der Flora anderer tropischer Länder ziemlich arm erscheint, hat Australien die Bewunderung der europäischen Entdecker erregt, sondern es fesselt bis jetzt die Aufmerksamkeit der Naturforscher besonders durch seine eigenthümlichen Thierarten. Die Känguruhs und vor Allem das Landschnabelthier verleihen der Fauna dieses kleinsten Welttheiles ein besonderes Gepräge; dabei ist noch Australien das seltene Glück beschieden worden, daß Raubthiere, die sonst in allen nördlichen und südlichen Erdstrichen hausen, in ihm gar nicht vorhanden sind. Nur der Wildhund Neuhollands, auch Dingo oder Warragal genannt (Canis Dingo, C. Australasiae), streift heute räuberisch in den dortigen parkähnlichen, wie zur Schafzucht geschaffenen Wäldern umher und bewohnt die mit Buschwerk dicht besetzten Schluchten. Aber dieser Stammverwandte des Wolfes und Fuchses ist kein Ureinwohner des friedlichen Landes; seine Vorfahren sind aller Wahrscheinlichkeit nach einst mit gesitteten Menschen als treue

[357]

Dingos und Emu.
Originalzeichnung von J. Bungartz.

[358] Schäferhunde nach Australien gekommen und haben erst allmählich ihre gutmüthige Natur abgestreift und in den weiten Steppen das Räuberhandwerk gelernt. Wann die Einwanderung dieser Art erfolgt war und wie die Verwilderung vor sich gegangen ist, darüber liegt ein tiefes Dunkel, welches die Naturgeschichte wohl niemals lichten wird, aber das äußere Gepräge und der Körperbau des Thieres lassen den Naturforscher keinen Augenblick im Zweifel über die Abstammung des Dingo.

Seine Gestalt ist in unserem heutigen Bilde treu wiedergegeben und wir brauchen nur noch hinzuzufügen, daß er ungefähr die Größe eines mittleren Schäferhundes erreicht. Seine Färbung ist vorwiegend blaßgelblich mit rothem Anfluge, spielt auch in's Graue und Schwärzliche hinüber, während Kinn, Kehle, Unterseite und Schwanz heller zu sein pflegen Von dieser Regel giebt es jedoch Ausnahmen, und man hat schon öfters schwarze Dingos oder auch Dingos mit weißen Pfoten gesehen.

Die Art ist gegenwärtig über das ganze australische Festland verbreitet und ebenso in den Wäldern und Hainen wie in den baumkahlen Steppen zu finden. In der Nähe der menschlichen Wohnungen, wo ihm der Aufenthalt nicht sicher genug erscheint, bleibt der Dingo den ganzen Tag hindurch in seinem Schlupfwinkel verborgen, und unternimmt erst in der Nacht seine Raubzüge. Wie unser Fuchs, jagt er äußerst selten in größeren Gesellschaften die meisten Reisenden haben ihn nur in kleinen Rudeln von drei bis sieben Stück gesehen, die wahrscheinlich einer einzigen Familie angehörten. Ob es wahr ist, daß die Familien ihr eigenes Jagdrevier haben, auf dem sie fremde Eindringlinge ihrer Art nicht dulden, können wir nicht mit Sicherheit behaupten, wiewohl dieser Zug in den Lebensgewohnheiten höher entwickelter Thiere ziemlich häufig vorkommt.

Wohin das Pulver und Blei des Ansiedlers nicht reicht, dort ist der Dingo der alleinige Beherrscher von Wald und Steppe. Auf unserm Bilde sehen wir ein jagendes Rudel Dingos. Ihr Opfer gehört gleichfalls einer specifisch australischen Art an es ist ein Emu, auch der neuholländische Kasuar genannt.

Aus dem ganzen Continent Australiens verbreitet, ist dieser zu der Familie der Kasuare gehörige Vogel dem Strauße nicht unähnlich, hat aber einen gedrungeneren Körperbau, kürzere Beine und kürzeren Hals, als sein mit kostbarem Gefieder geschmückter Stammverwandter. Sein Kopf ist ohne Helm, sein Hals nackt; seinen Flügeln fehlen die Schwingen. In der Regel erreicht der Emu die beträchtliche Hohe von zwei Metern und wird wegen seines schmackhaften Fleisches von den Ansiedlern mit Vorliebe gejagt. Da das scheue Geschöpf sich selten vor das Büchsenrohr stellt, so pflegt man es mit Windhunden zu jagen, welche im Dauerlauf den Vogel regelmäßig besiegen. Das ist eine eigenthümliche Jagd, die von den englischen Einwanderern mit solchem Eifer betrieben wird, daß gegenwärtig der Emu, stark decimirt, sich in die unbewohnten Gegenden Australiens zurückgezogen hat. In den Augenblicken der höchsten Gefahr vertheidigt er sich mit seinen mächtigen Füßen, mit denen er gewaltig ausschlägt und manchen seiner Verfolger auf der Stelle tödtet.

Ueber sein Leben in der Freiheit ist nur wenig Sicheres bekannt in den zoologischen Gärten Europas verträgt er bei einigem Schutz gegen rauhe Winde das nordische Klima gut und vermehrt sich mit Leichtigkeit.

Mit dieser Beute, mit den Känguruhs und dem in Wald und Steppe liegenden Aas, mochte sich früher der räuberische Dingo begnügt haben. Gegenwärtig sucht er sich jedoch seine Nahrung mit weniger Mühe zu verschaffen. Es ist bekannt, daß in diesem Jahrhundert die australischen Colonisten mit richtiger Würdigung der Natur ihrer neuen Heimath die Schafzucht in großem Maßstabe zu betreiben anfingen. In den parkähnlichen Wäldern, an den Säumen der grasreichen Steppen halten sie im Freien ihre zahlreichen Heerden, mit deren Wolle sie die Märkte Europas überschütten – zum schweren Aerger für unsere Landwirthe. Bald ist der Schafbestand Australiens, dank den günstigen klimatischen Verhältnissen und Ernährungsbedingungen, auf Millionen angewachsen und der schlaue Dingo wußte aus diesen Fortschritte der Cultur Nutzen zu ziehen. Er schlug nunmehr seinen Wohnsitz in einer gewissen Entfernung von den Schafzüchtereien auf, begann dieselben unbarmherzig zu plündern und wurde zu der schrecklichsten Geißel des Colonisten, die nur in den pestartigen Krankheiten der Heerden einen würdigen Rivalen hat. Brehm erzählt, um ein Beispiel anzuführen, daß in einer einzigen Schäferei binnen drei Monaten nicht weniger als zwölfhundert Stück Schafe und Lämmer von den Dingos geraubt wurden. Nach dem Einfall des Raubthieres bemächtigt sich der Schafe oft eine furchtbare Panik, um sich zu retten, jagen sie dann blindlings in die Steppe hinaus und fallen dort leider nur allzu oft der Ermattung und dem Durste zum Opfer.

So ist es leicht erklärlich, daß der Dingo sich mit den Haushunden gar nicht verträgt, sondern mit denselben ewig auf dem Kriegsfuße lebt. Hirten- und Jagdhunde sind ja die einzigen Thiere, die er zu befürchten hat. Deswegen ist auch die Feindschaft der früheren Stammbrüder eine so erbitterte, daß mehrere Hunde, wenn sie einen Dingo fassen können, ihn sofort in Stücke zerreißen, und ebenso überfällt ein Rudel Dingos einen allein durch Wald und Flur streifenden Hund wüthend. Nur während der Paarungszeit erlischt manchmal der grimmige Haß.

Die Ueberlegenheit des Menschen kennt der Wildhund wohl und sucht bei seinem Anblick stets das Weite, wobei er auf der Flucht die List und Verschlagenheit des Fuchses zeigt.

Der Mensch hat ihm auch gegenwärtig, wie einst dem Wolf in Europa, den Vernichtungskrieg erklärt, und dieser Krieg wird mit allen möglichen Waffen geführt. Da der Dingo vor dem Jäger gewöhnlich flieht, ehe derselbe zum Schuß kommen kann, stellt man ihm Fallen und vergiftet ihn mit Strychnin. So sind seine Stunden gezählt.

Selbstverständlich theilte auch der Dingo mit vielen anderen Thieren das Loos, in Käfigen über den Ocean zu fahren und in unseren Thiergärten die Schaulust der Menge und den Forschertrieb der Gelehrten zu befriedigen in dem engen Gefängniß behagte es aber keineswegs dem Steppensohn, er blieb mürrisch und bissig, und man erzählt von manchem heimtückischen Angriff des Gefangenen auf vorübergehende Menschen und Thiere.

Es wäre jedoch unrichtig, zu behaupten, daß dieses Thier gänzlich unzähmbar ist, denn in der Gesellschaft der australischen Eingeborenen leben ab und zu halbgezähmte Dingos, von denen man freilich sagen kann: wie der Herr, so der Diener. Von den edlen Eigenschaften unseres Haushundes zeigt dieser Dingo nämlich keine Spur, er gesellt sich kluger Weise zu den Wilden, weil er in diesem Verhältniß für seine Nahrung weniger zu sorgen hat, und läuft fort in die Wälder, wenn es ihm einfällt.

Im Breslauer Thiergarten will man dagegen die Erfahrung gemacht haben, daß der Dingo sich im zweiten oder dritten Geschlechte ganz gut zähmen läßt, und damit wäre auch die Möglichkeit geboten, ihn zur Verbesserung unserer Hunderassen zu verwenden. Aber selbst dieser Nutzen, den er uns bietet, ist sehr fraglich, denn der einzige Vorzug, welchen er vererben kann, ist seine allerdings außerordentlich feine Spürnase, während seine anderen körperlichen Eigenschaften schwerlich zur Veredelung des Haushundes etwas beitragen würden.